Der Preis der Worte

Heute kam der «Aushänger» von einem Gedichtband aus der Druckerei. Verspätet, aber die haben jetzt ordentlich zu tun. Herbst. Buchmesse. Ich las in dem Buch herum. Ja, es sind gute Gedichte. Sie handeln von jenen Dingen, von denen Gedichte so handeln: Von Liebe und Tod. Von Hass, Wut und verpufften Illusionen. Von Freundschaft, Trinken und Hunden. Die Dichter sind jung. Der Ton ist cool, konzentriert. Manchmal etwas zu sehr. Und es erinnert mich an eine Zeit, als ich selber solche Gedichte geschrieben habe. Immer gleich das stärkste Wort, das wildeste Adjektiv und das überbordende Adverb.

Aber wie auch immer. Später merkte ich, dass ich für viele dieser Worte noch nicht bezahlt hatte. Und komisch: Man merkte es ihnen an. Sie stachen irgendwie raus. Als hätten sie ein Schild umgehängt: Leihgabe. Noch zwanzig Raten ausstehend.

Manchmal mag man gerne etwas posieren. Das ist nicht schlimm, aber es ist auch nicht gut. Und ich sage es euch: Man merkt es jedem Gedicht an, wenn die Worte auf Heller und Pfennig abbezahlt sind. Dann sagt niemand mehr was…

Lustig, lustig und nochmal lustig

Es ist wieder mal lustig in Österreich. Da stellt sich heraus, dass der Generalsekretär der österrreichischen Anwaltskammer heftige Kontakte zur Skinhead-und Neonaziszene pflegt, und sich auch mit den Insignien der extremen Rechten schmückt («Blood and Honour», usw.) Das ist lustig. Das gibt’s nur hier. Lustig ist auch, dass die Anwaltskammer den Mann nicht mal ordentlich chassen kann, denn der tat ja nichts verbotenes. So wie der Rechtsnationale 3. Parlamentspräsident Graf nichts verbotenes, im Sinne der Wiederbetätigung, tut. Das ist auch lustig. Der Generalsekretär allerdings, bietet seinen Rücktritt an. Die Kammer zögert noch.

Warum wohl?

Lustig ist auch, dass in den österreichischen Bergen, wo Kletterrouten den Wunschnamen des Erstbegehers erhalten, sehr häufig Naziphone gewählt werden. Wie z.B. «Kristalltag». Das zeigt das kreative Potential der heimischen Nazisschen. Und der Kärntner Politiker und Saufbruder Gaugg, hatte nicht unrecht, als er NAZI mit: «Neu, attraktiv, zielstrebig, ideenreich» ausbuchstabierte.

Ich schätze, wir werden uns daran gewöhnen müssen auf Ämtern, wenn wir z.B. unseren Adresswechsel melden, von Skinheads und/oder Kerlen in Thor Steinar Kluft beamtshandelt zu werden. Blood and Honor, Genosse!

Es hat ein wenig gedauert, aber die Saat von Schüssel und Haider geht langsam auf.

NACHTRAG: Jetzt is nimma lustig, jetzt hams eam aussi ghaut, die Wappler.

Der Untergang

Bruno Ganz, der jetzt partout nicht mehr im Theater spielen will, taucht in der Presse eigentlich immer mit dem Attribut «Der Untergang» auf. Für alle die das Glück haben, diesen Film nicht zu kennen: «Der Untergang» ist ein filmisches Elaborat, in dem Ganz den Hitler gibt. Nun, «Der Untergang» pendelt an Herrn Ganzens Glutaeus maximus, wie eine feiste, entzündete Fistel, an die er nicht mehr rankommt. Geschieht ihm irgendwie recht. Man kann doch nicht ganz bei Trost sein, diesem Österreicher mit der Zuhältervisage auch noch Intimität und Menschlichkeit zu verleihen. Ich meine, wen interessiert das? Außer ein paar pathologischen, analfixierten Holiduliüs?

Das Interessante an dem Film ist, dass man immer wieder Zeitgenossen antrifft, die diesen Film nicht als das sehen, was er ist: Eine gurkenblöde filmische Realsatire. Mir ging es, als ich ihn mir ansah, ähnlich wie dem Schauspieler Josef Bierbichler, der nach der Sichtung vermeldete, dass er im Kino laut zu lachen begann, um dann zu merken, dass er der Einzige war. Die anderen nahmen das Ding ernst.

Nun, vermutlich wurde Herr Bierbichler ins Kino eingeladen. Wenigstens kein Geld rausgeschmissen. Ich hab das Teil zu Hause am Bildschirm (was für ein schönes, altmodisches Wort) gesehen.

Der Film erinnerte mich an die Aufnahmen von Saddam Hussein in seinem Erdlochversteck. Ein bärtiger, schmutziger, erbärmlicher Zausel, der unser Mitleid kitzelt. Na klar. Das ist es, was schlussendlich von einem Massenmörder übrig bleibt. Jeder Mensch ist ein Mensch. Auch Hitler und Saddam. Nur Ignoranten und Idioten werden was anderes behaupten.

Who cares?

Hang’em higher!

NACHTRAG: Vielleicht schreibt der Eichinger Bernd ja schon am Drehbuch für den ultimativen Saddam-Film.  Mit dem neudeutschen prolligen Titel: «Von Bagdad nach Galgen». Ganz wär da sicher erste Wahl.  Das kriegt der hin. Locker. Ich freue mich schon auf die Szene, wo der GI-Arzt dem zauseligen Saddam die DNA-Probe aus dem Mund friemelt: Das wird ein Brüller!

Noblesse au spieß

Meine kleine Tochter lernt mit Messer und Gabel essen. Ich weiß. Spiessig. Aber ich bin nun mal einer. Ein Klassiker. Mir gefallen ihre Schwierigkeiten mit dem Arbeitsgerät. Wer die nicht meistert, meistert nichts.

Nun noch ein Gratis-Tipp. Falls Sie mal beim Adel zu Gast sind: Die Messer sind nur zum Schneiden da, niemals um die Gabel damit zu beladen.

«Das Verbotsgesetz ist eine Straftat»

Das Lieblingsmöbel der Österreicher ist der «Runde Tisch». Oben sitzt man beengt Ellenbogen an Ellenbogen, aber unten ist viel Platz für all die Sachen die man fallen lässt. Selbst der Film «Der Aufschneider» endet an einem «Runden Tisch», da sind sie wieder vereint, Freund und Feind, Betrüger und Betrogene, Demütiger und Gedemütigte, während draußen das Böse – in Gestalt von Piefkes und anderen Ausländern, das Weite sucht.

Gestern gab es auch wieder einen runden Tisch im ORF. Aktueller Anlass: Die beispiellose Verletzung des Redaktionsgeheimnisses durch die Justiz. Für die Machiavellisten unter uns: Tolles Anschauungsmaterial. Die Justiz entsandte als Diskutantin – die in diesem Fall völlig unbeleckte Wiener Staatsanwältin Marie-Luise Nittel, die außer: «Ich kann zu diesem Fall nichts sagen, da ich ihn nicht kenne» eigentlich nichts beisteuerte. Wäre vielleicht ein Grund gewesen, die Frage zu erörtern, warum sie überhaupt in der Runde sitzt? Aber wozu? Das macht – und das weiß hierzulande jedes Kind – keinen Sinn. Darauf gibt es keine Antwort. Und Macht ist eben Macht, und Macht zeigt man am Besten in der Missachtung der demokratischen Regeln. Und weil man doch, um Gottes Willen nein! keinen Konflikt wollte, spielten alle schön mit, und taten so, als wäre alles völlig normal.

Nun, so ist das hier.

Dann sagte die Frau Nittel doch noch was. Nämlich: «Es ist auch das Verbotsgesetz eine Straftat!»

Eigentlich würde man erwarten, dass Frau Nittel sich korrigiert oder zumindest ein Mitdiskutant nachhakt, die Moderatorin, ein Kabelträger, Kameramann, irgendwer. Aber nichts.

Also wird’s wohl stimmen. «Das Verbotsgesetz ist eine Straftat.»

Das mag dem Volksempfinden sehr nahe kommen.

Satori

Gestern überholte mich auf der Argentinierstraße ein etwa 10-jähriger Junge, er hüpfte an mir vorbei, vielmehr, er tat es in großen, raumgreifenden, lockeren Sprüngen, wie man sie eigentlich nur noch aus alten Filmen kennt (Die meisten Kinder können nicht mehr rückwärts gehen oder auf einem Bein stehen, geschweige denn in großen raumgreifenden Sprüngen eine abfallende Strasse runterlaufen.). Ich sah ihm zu und freute mich. Es war richtig klasse, wie er die steile Argentinier bewältigte, die Schräge nutzte um Tempo zu machen und es dann einfach laufen ließ.

Ich glaube, er hatte Satori.

Wie ich damals, als ich vom Piz Tomül (2945m) nach Thurahus (ca. 1600m) runterflog und keine 20 Minuten dafür brauchte. Es war das beste Gefühl der Welt. Ich ließ mich in ein steiles Geröllfeld hineinfallen. Ich ließ es einfach laufen. Riesensätze. Ich flog. Und alles machte mit einem Mal Sinn. Ich gehörte zur Welt. Alles war gut. Meine Füße konnten die anvisierten Steine gar nicht verfehlen. Ich war wie ein auf einem Geröllfeld tanzender Gott.

Ich kannte das Gefühl bereits. Als Handballtorwart. Unbezwingbar.

Die Zen-Buddhisten suchen ein Leben lang danach. Und wer es auch nur ein einzigesMal erfahren hat, weiß auch warum.

Ich hoffe, der Junge hatte es.

Jets

Man kann sagen, dass die Jets beinahe minütlich meinen Hinterhof queren . An machen Tagen nehme ich sie überhaupt nicht wahr, sie sind nicht mal zu hören, aber bei auffrischendem Westwind kündigt sich ihr Kommen mit einem tiefen Brausen an, das sich zu einem manchmal sehr hohen, beinahe schrillen Flugzeuggeräusch auswächst. Nun habe ich mein Bresser-Fernglas herausgeholt und sehe mir das eine oder andere an, und erkenne – da ich keine Ahnung von Flugzeugtypen habe, doch nur die Flaggen auf der Schwanzflosse. Meistens ist sie rot-weiß-rot. (Das wird auch den Ex-Kanzler Alfred «Die-Schwanzflosse-muss-Rot-Weiß-Rot-bleiben» Gusenbauer freuen)

In den achtziger-Jahren wohnte ich einmal eine Weile in Glattbrugg, nahe dem Flughafen Zürich. Die startenden Jets flogen direkt über unser Haus. Und genau über dem Haus verklappten sie das Fahrwerk, und wir konnten mit freiem Auge erkennen, wie es um das Profil der Reifen stand. Seltsamerweise hat mich das Gedröhn nicht ein einziges Mal gestört… Heute übrigens auch nicht.

Bekannt

In einem Pflegeheim in der Steiermark fliegt der Deckel vom Topf. Schwerste Misshandlungsvorwürfe gegen das Personal, das offenbar auch Sextäter gewähren ließ, so dass es zu Vergewaltigungen kam. Es gilt natürlich die Grasser-Vermutung (vulgo Unschuldsvermutung).

Dann las ich: «Nacktes, minutenlanges Stehen im Schnee». Das kommt einem doch bekannt vor, oder?

Aber eins ist klar: Es hat keiner von nichts etwas gewusst. Niemand hat etwas bemerkt. Es sind alle unschuldig.

Es soll welche geben, denen dies auch bekannt vorkommt.

Es lebe die Provinz!

Gestern wars auch wieder lustig. Der angesagte Aufstand der Eltern gegen die ÖVP-regierten Bundesländer, die das Schulwesen unter Kuratel ihrer Landeskaiser stellen wollen. Der Oberelternsprecher Gerald Netzl ist nun landein, landaus, mit dem Sprüchelein zu vernehmen, dass die stärkste Waffe der Eltern: «Der Kugelschreiber bei der nächsten Wahl!», sei.

Und dann, nächstens, in den Nachrichten, wurde er von der Sprecherin gefragt: «Das heißt also, die ÖVP in den Ländern abwählen?» Worauf hin Herr Netzl alle gefühlten 9 Hände von sich warf, und etwas in der Art: «Gott behüte, nein!» zum Besten gab.

Leider hakte die Moderatorin nicht nach oder ich konnts nicht verstehen, weil ich doch so herzlich lachen musste und auch schon müde war und mit dem schönen Gefühl schlafen ging: Es wird sich niemals was ändern. Alles bleibt wie es ist. Aus Untertanen werden keine Bürger. Da brauchts noch das eine oder andere Jahrhundert. Denn: So eine ÖVP abwählen, das geht nun entschieden zu weit. Es lebe die Provinz!

Klerikale Sprachbilder

Demokratie ist eine feine Sache: Jeder darf soviel dummes Zeug reden, wie er will. Auch ich. Eine feine Sache ist auch, dass die meisten Online-Zeitungen dem Leser ermöglichen, seinen geistigen Seim abzustreifen (auch mir). Man nennt es «posten». In der CH bedeutet «posten» oder «poschte» soviel wie «einkaufen, kaufen». Das Schöne an der Demokratie ist auch, dass die Sprache von jedem mühelos beherrscht wird. Denn: Es is eh wurscht, versteht doch jeder, was ich sagen will.

Heute zum Beispiel hat es ein Kommentator im «Standard» gewagt, die Papstreise nach GB nicht als den Erfolg darzustellen, als den die Kleris sie gerne sehen würden. Er verwies auf die sprichwörtliche Höflichkeit der Briten, die es ihnen verbietet, sich lauthals zu beschweren. Nun denn.

Ein Poster im «Standard» schrieb daraufhin: «Was auch immer der Papst sagt oder nicht sagt, die Antiklerikalen werden immer ihr Scherflein finden, das sie gegen ihn richten…»

Tja, ein Scherflein finden, und es dann noch gegen jemand richten? Das ist ein starkes Stück. Da könnte man sich richtig weh tun. Zumindest in der Birne. Hier, eins für die Kleriker unter uns: Ein Scherf, das war mal eine Münze. Und der Spruch: «Sein Scherflein beitragen» wird Luther zugeschrieben. Darum die Schwierigkeiten?

Aber das ist eben das Tolle an unserer gemütlichen, kleinen Demokratie: Es weiß jeder irgendwie, was gemeint ist. Oder?

Wer andern eine Grube gräbt, findet den ersten Wurm. So ist das eben.