Schuldig!

Drei launig-harmlose Fußballkolumnen in einer großen Tageszeitung (www.tagblatt.ch) und schon werde ich geoutet, und zwar als ein Bursche der sich «dem globalisierten Fußballbusiness an den Hals schmeißt.» Tja, und da häng ich nun, an diesem Hals, und trau mich nicht mehr runter. Und während ich da häng und häng, denk ich immerzu: Diesen sauertöpfischen Tonfall kennst du doch. Und klar kenne ich ihn. Es ist derselbe, der mir in den Siebzigerjahren entgegenschlug, wenn unsere Upperclass-Kommis mich beim Cola trinken erwischt haben, dem Gesöff des «US-Imperialisten und seines zionistischen Büttels Israel».

Gut, schuldig. Ich hab mich rangeschmissen an diesen Fußballbusinesshals, aber warum nur? Was versprach ich mir davon? Vielleicht Geld? Könnte sein. Denn nötig hätt ich’s ja. Mehr als der Mittelschullehrer und Kabarettist der mich geoutet hat. Der erntet in einem Monat, was ich in einem Jahr so zusammenkratze. Mit oder ohne globaliserte Fußballkolumnen.

Diese abgepackten Sätze sind also noch im Umlauf, es gibt sie immer noch. Und jeder Besitzer einer Plastikzahnbürste ist mitschuldig an der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko, jeder der sein Auto volltankt, hat einen traurigen Pelikan im Öl ertränkt.

Und somit entspricht Hans Fässlers Behauptung natürlich der Wahrheit. So wie die meinige auch: Der Lehrerkabarettist macht sein linkes Kabarett auch nur, um sich Kim Il Sung als Konkubine anzudienen.

15 Futblogs sind genug

Vorrunde vorbei. Es hat mich Widererwarten, sehr gefreut. Fußball ist wie Kiffen für Paranoiker: Man muss es sehr oft tun oder sonst bleiben lassen.

Eins habe ich festgestellt: Mein Inkonsequenz ist einigen Belangen geradezu enorm. Aber Fußball ist Drama. Und es möge niemand Hand an ihn legen und Videobeweise einführen wollen. Fußball ist wie das Leben, nur ernst. Das Leben ist ungerecht. Der Fußball auch. Und das ist auch gut so.

Futblog XV

Gewidmet meinen Landsleuten im nahen Westen, mit einem Song aus dem mittleren Osten:

Ob i wü oda ned,manchmoi denk i an früher,
und i siech durch an Schleier von Tränen wo i amoi woa.
Jeder Tram der vergeht,reißt ganz afoch da Füm o
und imma woch i auf und i steh vor mein potscherten Lebm

I hob valuan,wie nur ana verliern kann,der a Herz statt an Hirn hat aber i genier mi ned,i hob euch alles gebm.
I hob valuan,hab erlebt wie ma fliegn kann,wenn ma Freundschaft mit bledheit verwechselt und des war mei Lebm,mei potschertes Lebm.

Ob`st as glaubst oda ned,i bin niemanden bös,immerhin wird sich mancher erinnern wo i amoi war.
Und i bleib wie i bin,wüst mei Hemad dann nimm`das und moch da kane Sorgen ob i gfria i werds übalebm.

I hob valuan………..

(Hans Orsolic)

Uff Widerluege! Bim Samschtig Jass!

Futbol XlV

Man kann nie wissen, sagt der Experte, wenn er sich geirrt hat.

Ich bin kein Experte, und irrte doch.

Dass die Velini des Futbol, die Squadra azzurra, heute in den Flieger steigt, mag den trügerischen Glauben befeuern, dass es auf der Welt doch noch Gerechtigkeit gäbe. Aber das ist, wie gesagt, trügerisch. Die Götter legen nur eine Pause ein. Danach drehen sie die Kurbel, um unsere Fallhöhe zu steigern, damit es das nächste Mal richtig satt knirscht und kracht, wenn wir fallen. Aber schön ist es trotzdem.

Arrividerlo, Squadra, questa volta, no mi ha fatto gagare. Mi ha fatto allegro. Grazie. Ciao.

Futblog Xlll

Schland spielte und gewann gestern auf eine Art, die mich nach 15 Minuten die Ghanaer anfeuern ließ. Renegat, der ich bin. Wie vor einigen Jahren, als beim Spiel Österreich-USA im Happelstadion zu Wien, praktisch alle Ösi-Fans ob des erbämlichen Spiels ihrer Mannschaft die Seiten wechselten und die USA anfeuerten. Ein interessantes Phänomen.

Das kleine, sportlich große Slowenien, wurde in letzter Sekunde aus dem Turnier geworfen. Durch die USA. Schmerzlich. Aber die Boys haben es auch verdient. Schon der Art wegen, wie sie eine Reihe offensichtlicher Fehlentscheidungen der Refs hinnahmen. Männer.

In Wien-Ottakring konnte man während des Spiels Australien-Serbien des Tschetnik-Gruß› ansichtig werden. (Eine Variante des Kühnengruß, der für die verlogenen Schlappschwänze der FPÖ: «3 Bier, bitte» bedeutet). Und zwar öfter, als während des Balkankriegs in den 90-ern. Srbia fährt nun zurück nach Srbia. Ich hab da kaum Einwände.

Heute werden wir Zeuge werden, wie sich die «Azzuri» doch noch qualifizieren. Ich werde mir das Spiel mit Suspensorium ansehen (Siehe Futblog X). Falls überhaupt. Nein. Eher nicht.

Die Castingshow der deutschsprachigen Literatur: «Klagenfurt sucht den Superautor» («Klagsau») kommt heute auch in die Puschen. Und ebenso wenig wie dort ein humoriger, klasse Text (z.B. Thomas Kapielski 1999) einen Preis gewinnt, ebenso wenig werden herzhaft und couragiert aufspielende Mannschaften ins Finale kommen. Am Schluss ist es halt immer Italien. In Klagenfurt, wie an der WM.

«Die Huren und die Armleuchter werden gewinnen. Aber wenn die Startmaschine aufklappt, zieh ab wie ein Vollblüter.» Charles Henry Bukowski

Futblog Xll

Frankreich: Raus

Deutschland: Raus

Italien: Raus

England: Raus

Finale: Slowakei gegen Südkorea

Futblog Xl

Ich möchte ja nicht schon wieder den Ref kritisieren, auch wenn er meinen Landsleuten eine Niederlage verpasst hat, der «Gialli-Khali», das feiste Kerlchen aus Saudiarabien, mit dem arroganten Gesichtsausdruck eines Obereunuchen, nein, ich will nicht, ich will nicht!

Wer aber «Erschossene Schiedsrichter» googelt, der stößt zuerst mal auf einen, von einem Schiri erschossenen, Trainer. In Südafrika. Auf dem Platz. So sieht’s also aus.

Und dann haben wir noch den Andrés Escobar, den kolumbianischen Pechvogel, der an der WM 94 ein Eigentor verschuldete, und von einem Gangster mit 12 Schüssen hingerichtet wurde.

Einen Schiri erwischte es im Sudan, als er, statt Freistoß zu pfeifen, Vorteil laufen ließ und daraufhin von Fans gekillt wurde. Es ist also nicht so, dass die Refs die alleinigen Opfer von Übergriffen wären, oh nein, damit wird gerechnet, und sie werden entsprechend geschützt.

Eins möchte ich doch noch einwerfen: Wenn in Bälde eine der Klitschko-Schwestern gegen den David Haye antritt, und um die Gürtel sämtlicher gefühlten 53 Profiboxverbände kämpft, die ganz Welt am Ring sitzt, Millionen auf dem Spiel stehen, sowohl bei den Buchmachern, als auch den Veranstaltern; wird dann ein Amateurringrichter aus Wien, der sonst die Wiener Neulingsmeisterschaften referiert, als dritter Mann im Ring stehen?

Futblog X

Was kann ich über Italien sagen?

Eigentlich nur eins: La squadra azzura sempre mi rompe le balle!

Was nicht ganz so scharf wie Anelkas: Va te faire enculer, fils d’une putins! ist, das er dem Domenech entgegenschleuderte; aber doch, ihr Spiel geht mir auf die Nüsse.

Italiens Nationalmannschaft ist für den Fußball das, was die Klitschkoschwestern fürs Fernsehboxen: Glanzlose, (fast) risikofreie Siege gegen Nonames und am Schluss sind sie Weltmeister. Bis dahin, mediales Getöse, kleine Spiele/Kämpfe. Die männlichen Velines des Futbol.

Ich kenne nicht wenige, die davon beeindruckt sind. Genialer Minimalismus, sagen sie. Sind eben tricky, die Südis. Stronzi, und so weiter und so fort. Italia mi rompe le balle. Aber vermutlich werden sie wieder Weltmeister. Ich werd’s ertragen müssen.

In der Schweiz werden heute die Autos vollgetankt. Prophylaktisch, falls es zu einem Sieg gegen Chile kommt. Dann wird autocorsiert. Wenn Italien gewinnt, ist in der Schweiz auch Autocorso, ebenso wenn Serbien usw. Ist ziemlich wichtig, das rumgelärmt wird. Gerade in der Schweiz. Mit dem tighten Image, das die Eidgenossen bei ihren Nachbarn haben. Schweizer gehen zum Lachen in den Keller. Schweizer können nicht ausgelassen feiern. Schweizer sind verklemmt und konservativ. Schweizer sind auch noch humorlos. Ich bin ja das beste Beispiel dafür.

Ich fand’s besser, als man zum Lachen noch in den Keller ging. Da war meist auch noch eine gute Flasche Wein. Und ich weigere mich beharrlich, zugedröhnte, lärmende Menschenmengen mit Ausgelassenheit zu verwechseln.

In diesem Sinne: Hopp Schwiiz!

Futblog lX

Machen eigentlich die Refs das Spiel? A bissi scho. A bissi vü, bei USA-Slowenien, als der Ref ein reguläres Tor der USA aberkannt hat. Ich war voller Bewunderung für die Selbstdisziplin der US-Boys, die nicht mal reklamiert haben. Ich habe mir meinen Parade-Hass-Wiener, den Krankl Hanse dabei vorgestellt: Er zimmert eine Kiste, und sie wird ihm nicht angerechnet. Davon würde man hier noch in hundert Jahren reden, und wenn’s gegen Deutschland gegangen wär, dann wär Krieg.

Dann haben wir noch den spanischen Ref, den «Amarillo Bertl» (Alberto Undiano), der das Spiel Serbien-Deutschland verpfiff. Ein Ref mit vollem Hemdchen offensichtlich, ein Mann mit dem Selbstvertrauen eines Pudels in einem Rudel Windhunde, ein Kontrollfreak mit weichen Knien, ein Typ der nur Safranreis, Crema Catalan und Vanilleeis mit Aprikosen isst, ein Ref, dessen Kartendurchschnitt bei über 5 pro Spiel liegt, weit mehr als das Doppelte von anderen Refs, kurz: eine Zumutung.

Gut, werden einige einwenden: Man kennt die Gepflogenheiten der Burschen und muss sich darauf einstellen. Naja. Ich find’s klasse, dass man die Blutgrätsche von hinten, ausgerottet hat. Gelb für harte Attacken, die eindeutig nicht dem Ball gelten, claro, aber das was «Amarillo Bertl» abgeliefert hat, gehört abgestraft.

Gelb für «Amarillo Bertl»!

Futblog Vlll

Kleiner Nachtrag zum Spiel: Schweiz-Spanien.

Also, eins muss mal klargestellt werden: Beim Fußball ist jeder Patriot. Warum dem so ist, müsste man vielleicht mal untersuchen, aber ich schätze, das wurde bereits getan.

Als der Gelson «Ferdi» Fernandes den Kohlrabi ins iberische Gemüsekistchen stolperte, war ich natürlich entzückt und ich war mehr als nur angetan von der klugen Reduitdisziplin meiner Landsleute, die fast alle welsch reden, und ich fühlte nachgerade Stolz, als der deutsche Kommentator (ich schaue nur mit deutschem Kommentar!), voller Bewunderung und wohl auch etwas Neid, von Senderos sprach, der den Journalisten in ihrer jeweiligen Muttersprache antwortete: Deutsch, Französisch, Englisch, Spanisch, Italienisch. Und zwar fließend. Das ist für mich: Schweiz.

Und ich kriege Sodbrennen, wenn zwischen Welschen und Deutschschweizern englisch geradebrecht wird. Das ist, verdammt noch mal, Landesverrat!

Als die EM 2008 in Wien zu Gast war, hoffte ich immer darauf, dass die Türkei verlieren möge. Warum? Weil ich Rassist bin? Antitürke? Nö, eigentlich nicht, aber die veranstalteten nach jedem Sieg einen gottverdammten Autocorso durch die Stadt, und ich hasse stupiden Lärm. Die Vuvuzelas jedwelcher Proveninez. Und jemand der einfach die Hand auf die Hupe knallt und sie dort liegen lässt, macht es sich ein bisschen zu einfach, und mir zu schwer.

Die Schweizer sollen, nach ihrem verrückten Sieg über die Spanier, ebenfalls corsiert haben. Grenzenloser Jubel erscholl aller Orten, wie man so hörte. Aber da ich ein fieser Charakter bin, musste ich im «Tagblatt» ein bisschen Wermut ins Champagnerglas träufeln. Ich finde, das gehört sich so. Das ist schweizerische Nüchternheit und Zurückhaltung. Ein wahrer Patriot jubelt nicht einfach sinnlos rum, sondern er freut sich still; von mir aus in der Besenkammer, und weiß, dass man nach vorne schauen muss.

Der schönste Torjubel ist für mich immer noch jener eines deutschen Spielers, dessen Name ich leider nicht mehr erinnere, nicht das Spiel, gar nichts. Nach einem Freistoß, den der Mann direkt ins Kreuzeck gezimmert hatte, setzte er sich auf einfach auf den Rasen und verschränkte die Arme über den Knien. Man konnte seine Freude über das Tor in sämtlichen Schaltkreisen und Röhren des Fernsehapparats nachglimmen sehen.

So sollen wir uns freuen, wir Patrioten. Still und würdig, und auch ein bisschen Melancholie soll dabei sein. Jene Melancholie, die dem Wissen um die Nichtigkeit allen menschlichen Bemühens entspringt und die der Freude erst Würze geben. Die Welt ist schon laut genug, liebe Patrioten.