(No) Blood on the tracks

Dass es gestern bei der Autoren-Verleger-Lektoren-Sitzung zur Sache ging – nicht nur beruflich, auch gastronomisch – war heute kein Thema mehr. Thema war unter anderem, welches Album von Dylan denn das zu preferierende sei, und bei diesem Thema war der Verleger zu keinem Kompromiss bereit. Natürlich „Blood on the tracks“, ist ja klar, aber weder Autor noch Lektor mochten da zustimmen, woran unschwer zu erkennen ist, dass ein Verleger keine Autoren und keine Lektoren braucht. Um einen Satz von Kristofferson zu paraphrasieren: „If you don’t like Blood on the Tracks, you can kiss my ass!»

Heute gingen Autor und Verleger spazieren, machten den Rundweg, mittags, und es war so still, dass man jedes Blatt einzeln fallen hörte, man hörte, wie es sich losriss und spürte, wie es auf dem Weg zu den anderen am Boden, die Luft verdrängte.
Der Bahnhof Wengen menschenleer, wie noch nie gesichtet. Kein Mensch auf der Mainstreet, und nun, wieder zuhause, sind beide so mit Stille gesättigt, dass man sie nur zu berühren bräuchte, auf dass die Stille auskristallisierte, und als reines, weißes Pulver ausfiele, Pulver, mit dem Lady ihr Crystal Meth strecken könnte. Aber wir geben es nicht her. Niemals. Nie.

Das Sprüchemuseum (69)

„Ich bin kein Polizeidetektiv»

Der Bundekanzler a.D. Alfred Gusenbauer SPÖ, auf die Frage im Hypoausschuss, ob er über die exorbitanten Weinpreise, die beim teuersten Essen, das die Hypobank ever ausgerichtet hat, Bescheid gewusst habe.

Wir sagen: Wenn  der ausgfressene Gusi einen Polizeidetektiv braucht, um in einem Lokal die Preise für einen Wein herauszufinden, braucht er vermutlich einen Assistenten, um im Finsteren seinen Arsch zu lokalisieren.
Aber um den Berater für einen Despoten zu machen, reicht es offensichtlich alleweil…

Der Park, meine Haare und das baldige Ende meines Friseursalons

Das Gras unter den schönen Bäumen des Parks von Schönburg ist frisch geschnitten, wie meine Haare, wir passen gut zusammen, heute, der Park und ich; wobei ich ein wenig neidisch bin, da er fraglos besser aussieht, bestimmt etwas mehr Würde, Stil und „In-sich-ruhen“.
Die Bäume haben noch fast all ihre Blätter, aber nicht mehr lange, und da endlich hab ich ihnen was voraus: Denn meine Haare sind noch fast alle da, nur die Friseurin meckerte, weil sie wieder einige graue entdeckt hatte. Verdammt, ich bin schon etwa 15 Jahre bei ihr, ihr Rücken wird immer krummer und ihre Figur nähert sich der eines spähenden Raubvogels auf einem Ast.
Gestern sprach sie von Aufhörenund was dann aus meinem Kopf würde, wenn sie sich mal nicht mehr um ihn bemühen könnte? Sie befürchtet das Schlimmste. Denn die Kunst des Haareschneidens sei am Verlottern, und sie eine der letzten, die  wissen, wie’s richtig geht.

So muss ich mir jetzt Gedanken über meine Haare machen, und wohin ich meinen Kopf tragen werde, wenn sie ihren Laden für immer schließt. Noch ist es glücklicherweise nicht so weit. Und ich denke, ich werde die Sitzungen bei ihr nicht so richtig vermissen. Ihre Ansichten, ihre Wut, ihr Furor sind mehr als rustikal, ihre Direktheit würde in anderen Ländern vor Gericht enden. Sie lehnt so ziemlich alles ab. Nichts ist gut genug. Alles zu dumm. Zu ungebildet. Zu faul. Zu blöd. Zu jüdisch. Zu dunkel. Zu zigeunerhaft. Zu islamisch. Zu fett. Zu alt. Zu jung.
Da bleibt nicht mehr viel. Vielleicht noch ihre Mutter, aber die ist nun auch tot. Oder ihre harte Kindeheit bei den Kommunisten, vor denen sie geflohen ist. Und wie jede erfolgreich Geflüchtete und Assimilierte hat sie was gegen die Neuen. So ist das.
Nach 15 Jahren hält sie sich bei mir ein wenig zurück. Ich sage ostentativ nichts. Dann legt sich das und wir reden übers Wetter, und über unsere Gemeinsamkeit: die Liebe zu kaltem und nassem Wetter.
Und wenn Sie jetzt meinen, ich hätte mir längst eine andere Friseurin suchen sollen, sage ich nur: Finden sie mal eine mit einer Vorliebe für kaltes und nasses Wetter.
Na? Sehen Sie!

Ich sage nichts

Nein, ich sag nichts. Ganz bestimmt nicht. Da könnt ihr lange warten. Nicht, dass ich dazu nichts zu sagen hätte, aber ich sag trotzdem nichts. Hat ja jeder was zu sagen, und nicht zu vergessen – jedin.
Überall die Kommentare. Die Posts. Die Reportagen. Die Interviews. Die Kriegserklärungen. Die Empörung. Erregung kocht schäumend hoch wie Milch. Aber ich, ich sag nix. Rein gar nix. Einer muss ja mal nix sagen. Es gibt schon noch welche die nichts sagen, aber es ist nicht einfach nichts zu sagen, so, dass es auch jeder – und natürlich auch jedin –, hören kann.

Das ist die Kunst. Nichts zu sagen und doch gehört zu werden. Das ist Zen. Das Ideal großer Literatur. Die Epik des Nichterzählens. Hatten wir das schon? Wenns jemand schon gemacht hat, wars bestimmt einer oder einin von hier.
Ich jedenfalls sage nichts. Ich sag nicht mal dazu was, ich meine, zur Epik des Nichterzählens. Und die nicht erzählten Sagen des Altertums. Wir sehen einfach Köhlmeier im TV, wie er uns die Odyssee nicht erzählt. Das hätte Stringenz. Wir gehen ins Kabarett und sehen zu, wie uns der Kabarettist sein Programm nicht vorträgt.

Leider auf halbem Weg stehengeblieben ist Aki Kaurismäki, der nach seinem Stummfilm, den unsichtbaren Film versprochen hat. Den würde ich gerne sehen, den ist er mir noch schuldig. Mach ran, Aki!

Und gerade jetzt, zur Zeit der Buchmessen, wie wärs mal mit dem nichtgeschriebenen Buch? Ob als Nicht-Kindle oder als Nicht-Papier-Buch, wär egal. Schätze, ich würds kaufen. Ich hätte so ziemlich jedes nicht geschriebene Buch von Mankell oder Coelho gekauft. Die stünden brav nebeneinander in meiner Nicht-Bilbliothek. Direkt neben vielen tausend anderen. Es wäre eine ziemlich umfangreiche Bibliothek. Könnte ich mir die leisten? Wohl nicht. Scheiße, könnte ich sagen, aber wie gesagt, ich sag nix…

Die „Jehudis» und der Prediger

Pepita hatte ihr tantrisches Türsteherseminar abgebrochen und wollte nun gar nichts mehr von „Aral-Leibern“ und vedischen Konzentrationsübungen wissen, sondern lehnte wieder wie eh und je murschig in der Tür, für eine 17-jährige erstaunlich schlecht gelaunt, und pflaumte alles an, was so daher kam und Einlass in die Redaktion begehrte.

„Nö, Sie komme da nischt eini, auch wenn sie Gott persönlich wärent, und nicht nur…“ An dieser Stelle blickte sie angestrengt auf den Flyer, den ihr die ältere der beiden Damen in die Hand gedrückt hatte. „Ich meine, wer sind sie überhaupt? Und wer ist dieser Jehudi? Zeugen Jehudis??? San sie teppert, oder wie oder was?»

Aber da eilte schon Marky Mark herbei, nahm Pepita am Arm und flüsterte ihr was ins Ohr.
Lady, die gerade eine Pause machte, da alle Methschälchen befüllt waren und sich einen ihrer übelrechenden Blinis gönnte, die sie von einem Großonkel aus  Wladiwostock exklusiv zugeschickt bekam, beugte sich zu Oldie rüber, der sich zum Erstaunen aller nicht die Nase zuhielt, nickte anerkennend und sagte:“Der Prediger macht Mann aus dem Zniachtl.“
Oldie pflichtete ihr bei. „Der Prediger. A Hund is er scho, hä?“
Keine Ahnung was den Alten wieder ritt, aber man hatte auf seinem Tisch ein bayrisches Wörterbuch gesichtet.

Inzwischen hatte Pepita Marky Mark Platz gemacht und wir alle sahen ihn selbstbewusst, und unter Einsatz von einem beeindruckenden Satz ausladender Gesten, die beiden Damen von den Zeugen Jehovas über Gott belehren. Natürlich ergriffen alle die Gelegenheit das Pretending von Arbeit wieder mal ruhen zu lassen, um Marky Marks großen Auftritt nicht zu verpassen.

„Sie mögen als Eschatologen ja ein glückliches Leben führen, aber ich persönlich habe noch nicht entschieden, ob Gott nicht einfach ein riesiges Arschloch ist, das einen Sohn hatte, das er von ein paar dekadenten Römern hinschlachten ließ. Ob jetzt – nach ihrer Version, an einem Pfahl oder nach der unsrigen, am Kreuz, ist ja wohl Blunzn.“
An dieser Stelle gab es spontanen Applaus, wie nach einem Solo von Marky Marks Lieblingsbassisten Charlie Haden. Wir erkannten ihn nicht wieder, unseren herzigen, unmarkanten Lektor Marky Mark, der jetzt Ecken und Kanten hatte, dass man eine Flex brauchte, um sich an dem Kerle nicht zu schneiden.

„Ich halte mich an den Prediger. Und der sieht die Sache klar und nicht so optional optimistisch wie sie:

„Und ich richtete mein Herz darauf, dass ich lernte Weisheit und erkennte Tollheit und Torheit. Ich ward aber gewahr,dass auch dies ein Haschen nach Wind ist. Denn wo viel Weisheit ist, da ist viel Grämen, und wer viel lernt, der muss viel leiden.»

„A Hund is er scho, der Prediger!“, sagte Oldie voller Respekt und mit einem anerkennenden Nicken.
Wer wollte ihm da widersprechen?

Redaktionskommentar zur Wienwahl

Es wäre falsch, jetzt den Hut zu werfen, denn das Handtuch fängt immer vom Kopf zu stinken an. Man weiß ja, woher der Hase weht. Dass das Leben kein Ponylecken ist, liegt doch klar auf der harten Bandage, denn man sollte nicht das Boot wechseln, wenn das Fass am Überlaufen ist. Denn jeder Maestro weiß: der späte Wurm entgeht dem frühen Vogel, und warum sollte er noch einen neuen Tanz lernen?
Eins ist auf jeden Fall sicher: Wer keinen Kopf hat, hat meist auch keinen Hals. Das sollte jeder bedenken, der jetzt schreit: Wo ein Wille ist, ist auch eine Grube, und wie man sich bettet so fällt man, ist ja logistisch. Es muss wieder mal gesagt werden: Geteiltes Gold ist halbes Leid. Und was du nicht willst, dasman dir tu, verschiebe nicht auf morgen. Nun, neue Besen kehren heiß, das weiß jeder Greis, und wer nicht hören will, der fällt selbst hinein.

Und so kam es dann auch.
Und was ist die Moral von der Geschicht: Dämliche Postings lies lieber nicht.

Der Prediger zu Fazebock

Ohne das Redaktionskollektiv in die Entscheidung einzubeziehen (so sagt man das doch, n’ est ce pas?), habe ich vor einigen Wochen, ganz im absolutistischen Stil (der mir schon immer imponiert hat) entschieden, dass Songdog seinen Facebook Account auflöst.
Die Kritik folgte auf dem Fuß. Marky Mark meinte, man kündige ja auch nicht den Telefonanschluss, nur weil dauernd Idioten anriefen. Kann sein. Ich schon.

Fazebock ist scheiße. Fazebock ist für alte Arschgeigen, die zuviel Freizeit haben. Fazebock ist das Rascheln von Nagetieren unter der Spüle und hinter den Wänden. Fazebock ist für’n Hugo und für Hugine. Fazebock ist Sysiphos, der niemals oben ankommt.

Was letzlich den Ausschlag gab, den Account zu löschen?
Weiß nicht.
Vielleicht solche Sachen: Einmal stellte ich einen längeren Text auf die Site, einen, für den man schon zum Querlesen mindestens eine Minute brauchte. Als ich nach 10 Sekunden wieder auf die Site kam, weil ich was vergessen hatte, waren da 4 oder 5 Likes. Ich will jetzt keine Namen nennen.

Oder man stellt ein Buch des Verlages vor, hat etwa 500 Besuche usw. aber keine einzige Bestellung.
Wozu also die Mühe?
Die Absicht hinter einer Verlagssite auf Fazebock liegt eindeutig in einem gesteigerten Verkauf seiner Produkte. Voll die Kapitalistenschweine, die Pimperlverleger. Tja. Wir haben keine Zeit zum rumlabern. Unser Motto lautet: Be brave and stupid, buy this book.

Ein schönes Erlebnis war auch, dass die Ankündigung, Fazebock zu verlassen, vielfach geliket wurde. Und danach konnte man von den Likern in Blogs etc. erfahren, dass Fazebock zwar scheiße, aber trotzdem super sei.

Darauf lassen wir den Prediger antworten:
„Sei nicht schnell mit deinem Munde und lass dein Herz nicht eilen, etwas zu reden vor Gott; denn Gott ist im Himmel und du auf Erden; darum lass deiner Worte wenig sein. Denn wo viel Mühe ist, da kommen Träume, und wo viel Worte sind, da hört man den Toren.»

Selbstkritik?
Durchaus.

Der Prediger ll.

Marky Mark und Lady steckten schon wieder die Köpfe zusammen. Es war wie in der Schule, sie tuschelten – da vero. Unser Lektor strahlte über alle 4 Backen (glauben wir zumindest) weil er seine Maus wieder hat, genesen und sauber und nach Kriechöl duftend, und ihre Klicks kommen wieder frisch und knackig, wie Eisbergsalat.

Sind nun alle happy? Am Welttag des Hundes? Mitnichten. Lady hasst Hunde. Außer als Rheintaler Spezialität –Welpengulasch. Soll hervorragend sein. Und für einmal soll es nicht wie Hühnchen schmecken …

Aber Oldie, der sich seit geraumer Zeit, eher im dunkleren Teil unseres beinahe unermesslichen Palais herumtreibt, und irgendwas mit den Leuten, die den Schrein mit dem letzten Fingernagelschnitt von Jim Morrison bewachen, ausheckt, kam herangestampft wie ein anlandiges griechisches Fährboot, warf seine imaginären  Leinen Marky  Mark und Lady zu, und verkündete in seiner tiefsten Kapitänsstimme: „Ihr Stündeler und Bibelschmecker! Hat denn der Prediger auch was zur morgigen Wienwahl zu vermelden? Der gibt seinen Senf doch zu allem, oder ?»

Pepita spitzte die Ohren (© Karl May), während sie so tat, als sei sie ganz in die Übung ihrer tantrischen Türsteherei versunken. Aber Marky Mark strahlte glückselig, wie dereinst Hubert Huncke Jack Kerouac angestrahlt haben mag, als er ihm sagte: „Ich bin beat.“
Lady blätterte mit der Bajonettspitze in der dicken Lutherbibel die Seiten um, schob das Teil dann Marky zu, tippte mit der Spitze auf eine Stelle und Marky begann zu lesen:

„Es ist eitel, was auf Erden geschieht: es gibt Gerechte, denen es geht, als hätten sie Werke der Gottlosen getan und es gibt Gottlose, denen es geht, als hätten sie Werke der Gerechten getan. Ich sprach: Das ist auch eitel. Darum pries ich die Freude, dass der Mensch nichts besseres hat unter der Sonne, als zu essen und zu trinken und fröhlich zu sein. Das bleibt ihm bei seinem Mühen sein Leben lang, das Gott ihm gibt unter der Sonne.»

„No alsdann“, sagte Oldie gut gelaunt, „Mahlzeit, allerseits!»

Das Sprüchemuseum (68)

«Hitlers Comeback»

Spiegel online

Wir sagen: Wieso Comeback? Er war nie weg. In den deutschsprachigen Ländern gibt es kein business, das so fett zu Buche schlägt wie das Hitler-business. Hitler sells. Gibt es eigentlich schon die Oper?
Wir schreiben das Libretto…