Die Knallbar Diaries (35)

Wer den heutigen Literaturbetrieb noch ernst nimmt, den kann man nicht mehr ernst nehmen. Ich jedenfalls, kanns nicht. Schon gar nicht, weil mein Roman zum Megabestseller wurde. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass ich so etwas wie der Groucho Marx des Literaturbetriebs bin: „Ich möchte nicht Mitglied in einem Club werden, der mich als Mitglied akzeptiert.“ That’s it.

Manchmal, wenn mich die Arbeit nicht auslastet, die Familie nicht genügend fordert, der Anblick meines wunderbar gefüllten Kontos mich satt gemacht hat, dann schau ich mich ein wenig im Betrieb um, spechte, was da gerade läuft.

Lese dann auch mal so rein, in die angesagten Dinger des Herbsts.

Da lese ich dann von einem der Sprachkünstlergiganten, für den ein notgeiler Kritikus extra, mit Gebührengeldern ausgestattet, nach L.A. fliegt. Für ein Interview. Er tat das, schätze ich, um sich an uns zu rächen, um uns zu verhöhnen. „Hey, ihr Arschgeigen, seht mal her, was ich mit eurer Kohle mache: Ich flieg nach L.A., nur um diesen Autor zu interviewen. Könnte ich auch in Köln, aber ist ja nicht mein Geld. Ihr zahlt.»

Und das ist auch gut so. Denn dieser Autor hat ein wunderbares Buch geschrieben. Man kann da zum Beispiel lesen, dass ein Mann, der gerade Sepuko begeht, sich ein scharfes Messer in den Bauch schiebt und es vorschriftsmäßig herumdreht „vor Schmerz stöhnt.“
Das ist natürlich DIE Überraschung, dass der Mann, ein japanischer Offizier, vor „Schmerz stöhnt“. Gut, dass der Autor, das so eindeutig zugeordnet hat, dass es der „Schmerz“ ist, weswegen er stöhnt, und nicht etwa die Entdeckung, dass sich etwas Sand an seinen Pantoffeln befand, und er deswegen vielleicht das Parkett zerkratzt hat.

Tja, und so geht’s 240 oderso Seiten weiter.

Ich habs dann bald weggelegt, bin unter die Dusche gegangen und habe dort, auf meinem wasserdichten iPad, die schönen, wahren und (hoffentlich) ewigen Zahlen meines Kontos studiert. Das war schön. Und das wars dann wieder mit dem Literaturbetrieb.
Für eine lange, lange Zeit.

Die Knallbar Diaries (34)

Verleger Moss ruft an, besser gesagt: er stört an. Er möchte, dass ich mit ihm essen gehe, sagt, er hat die Bude voller kichernder, kreischender, quiekender „Teeniegören“, und er hält es nicht aus, sacht er, dass er neben der Betreuung von Dichtern, Autoren und anderem schreibenden Randstand, auch noch die Freundinnen seiner Tochter aushalten soll. Na gut, ich will nicht schofel sein, und sage zu. Ich meine, der Mann hat Töchter! Ich habe Söhne, und bin damit etwas im Vorteil. Will sagen, habe einen akustischen Vorteil. Die Emissionen der Jungs sind besser zu ertragen, weil da kaum was kommt.

Also gehn wir essen. Gleich um die Ecke. Kleines, neues Lokal. Fast primitive Einrichtung, schlicht, klar, und reduziert aufs Maximum, wie die beste Knallbar Prosa. Genau so muss es sein. Das Essen ebenso. Kein Schnickschnack, schnörkellos, beste Zutaten, nicht überkocht. Guter Weißwein. Moss ist angetan. Kippt schnell hintereinander 4 Gspritzte. Er entspannt sichtlich, reißt an seinem Gürtel, öffnet die Hose, was mir ein wenig Angst macht. Holt er ihn jetzt raus? Natürlich nicht. Er hat nur ein paar Pfund zugelegt. Er weiß es, und schiebt es auf den Stress.
„Mensch Knallbar, du hast es gut“, sagt er und ein gewaltiger Seufzer entströmt der Lücke in seinem gepflegten Bart. Ich warte auf das, was noch kommen soll, aber es kommt nicht. Scheint ihm zu genügen, dass ich es gut habe. Mir solls recht sein, aber dann, nach einer minutenlangen Pause, kommt dann doch noch was.
„Diese Oasch-Dichter-Autoren-Literaten san wie die Kinder.“
Ich schenke ihm einer meiner «jetzt-aber-mal-sachte-Kumpel-Blicke», er checkt’s und fährt fort: „Du natürlich nicht, Lev, du nicht. Du gehörst zu der raren Gattung der erwachsoiden Autoren. Aber die anderen, die machen mich fettig.“
„Fettig?“, sach ich.
„Jawohl, fettig“, wiederholt er. „Sigstessjo.“ Er klascht mit der Hand auf seinen Ranzen.
Dann, während wir ein wahres Hammertatar verzehren, erzählt er mir Autorenschwänke aus seinem bewegten Verlegerleben. Schwänke sind es für mich, für ihn ist es scharfer Nervenraspel.

Ich höre ihm halb zu, und denke mir, dass doch fast alle Menschen wie Kinder sind, nicht nur wir, die Tipper. Laut, unverständig, egoistisch, unwissend und nur das schon Bekannte akzeptierend. Man sollte ihnen, wo es nur geht, aus dem Weg gehen. Aber das sage ich ihm nicht, denn er sieht nun gerade so zufrieden aus, so rosig und freundlich wie ein sattes Kind.
Ja, da sitzen wir nun. Die Welt ist scheiße, und uns geht’s gerade gut. Ich denke an Doktor Faust, der den Augenblick festhalten wollte, und weiß, dass wir das alle tun wollen. Und dann denke ich, dass dies zu wissen nicht tröstlich ist, aber darüber schreiben schon. Und bereits habe ich wieder einen Vorteil Moss gegenüber. Sag ich ihm auch nicht, dafür begleiche ich die Rechnung. Das macht ihn noch zufriedener und rosiger.
Schön und einfach, nicht wahr?

Die Knallbar Diaries (33)

Auf dem Weg zur Schwangerschaftsgymnastik sah ich etwas kurioses. Strange. Irgendwie sehr komisch, aber auch bedenklich, und es hätte schlimm ausgehen können. Auch für mich.
Beim Hauptbahnhof gibt es eine fette Kreuzung, ein paar Spuren, unterbrochene Fahrbahnen, Ampeln und so weiter. Kommt ein Blinder des Wegs. Mit Blindenhund. Bei Grün läuft er los. Der Blindehund ist ein Arschloch oder er will sich für irgendwas rächen. Oder er ist auch blind. Oder ich weiß nicht. Jedenfalls geht er links so nahe an einer Ampel vorbei, dass der blinde Mann, der etwa einen halben Meter hinter ihm hergeht, voll in die Ampel bumst. Crash! Fällt hin. Brille liegt auf der Fahrbahn. Der Mann auch. Der Hund, jetzt frei, hockt sich hin, blickt in die Gegend, als ginge ihn das alles nichts an.

Okay, es war komisch. Ich habe gelacht. So ganz kurz nur. Aber schon. Dann bin ich natürlich hin. Inzwischen ham die Autos grün. Ich zerre den Blinden auf die Fußgängerinsel. Die Wagen hupen, und pfeifen an meinem Arsch vorbei. Fühl mich ein wenig wie ein verdammter Held. Nur so ein bisschen. Knallbar der Hero! Helfe dem Blinden auf die Beine. Der Hund kommt angetrottet. Hatte der ’n Blackout? Der Mann hat ne Beule über dem rechten Auge. Die Brille ist noch heil. Ich übergebe sie ihm und frage, ob alles okay ist, und ob ich den Hund erschießen soll.
Is nur n’ Witz, füge ich hinzu. Jou, sagte der Blinde, aber vielleicht sollten Sie es tun. Klar, sag ich, hol nur schnell meine Flinte, warten Sie solange.

Er ging dann seiner Wege und ich auch. Dann dachte ich an Hemingway und stellte ihn mir als gewöhnlichen Autofahrer vor, aber ich kriegte das Bild nicht zusammen. Hatte der überhaupt Führerschein? Ich erinnerte mich an Bilder von ihm im Jeep. Auf der Beifahrerseite. Mit Brille und Notizblock. Bei der Befreiung von Paris.
Oder Safari. Ich denke, Hemingway fuhr nicht. Der flog oder ging zu Fuß. Oder Pferd. Und vor allem Boot.
Er hätte mir heute also nicht den Arsch abgefahren, als ich gerade ein Held war. Außer, er hätte Jagd auf dumme Hunde gemacht. Dann vielleicht schon. Aber sonst eher nicht…

„Defekte Leimspur“ Sabotage? die Zweite…

Der Schuldige für die Verschiebung der Bundespräsidentenwahl ist gefunden.
Raten Sie!—— Es war der …-Leim.
Es gibt in Österreich drei- vier patente Schuldige, die immer wieder herangezogen werden können. Sie passen für alles.

– Der Deutsche, Deutschland, die Deutschen.

– Der Amerikaner, USA, die Amis.

-Die USA-Ostküste (wer sich auskennt, kennt den Code)

-Niemand. Schon gar nicht irgendwas österreichisches.

Also: Welcher Leim war’s?
Der deutsche war’s. Der deutsche Leim ist schuld.

Oder wars, gar am End, doch die österreichische Schleimspur?

„Leimspur defekt“ Sabotage?

Wie uns eben aus unzuverlässiger Quelle zugetragen wurde, soll die „defekte Leimspur“, die bei einigen Briefwahlkuverts für die Stichwahl des österreichischen Bundespräsidenten dafür verantwortlich ist, dass die Klebestellen wieder aufgehen, auf die Beimengung einer Substanz in den Kleber, möglicherweise Natriumbikarbonat, zurückzuführen sein.

Es wird vermutet, dass Angestellte der Druckerei – FPÖ-Anhänger? – etwas damit zu tun haben. Das wäre nicht unlogisch, denn die FPÖ lehnt die Briefwahl ab, da viele FPÖ-Wähler mit dem Ausfüllen einer Briefwahlkarte bekanntlich leicht zu überfordern sind, und so wird schon wieder der Ruf von Seiten der Partei laut, die Briefwahl endlich, und ganz besonders für diese Wahl, abzuschaffen.

Wir werden weiter informieren…

Die Knallbar Diaries (32)

Supermarkt-Monologe gehören, laut meinem Verleger, zum «richtigen Leben“ dazu. Aber da ich mir mein Essen (und das meiner Familie, wenn sie denn will), aus dem Haubenlokal kommen lass, komm ich damit nicht so oft in Berührung. Das ist schön. Schön ist auch, dass ich mich nicht um Tagespolitik kümmere. Denn dies sind ebenfalls Supermarkt-Monologe, in denen nicht die gemeine Feldgurke zum Thema gemacht wird, sondern etwas ähnliches: Der Mensch und die Haute volée.

Aber ich lebe lange genug um zu wissen, wie dieses Land tickt: Überall Vorschriften, die unmöglich einzuhalten sind und die darum niemand einhält und nur irgendwie interpretiert, was dazu führt, dass niemand ganz legal ist und/oder handelt. Bis dann mal jemand die Vorschriften zückt und auf Einhaltung besteht. Das ist nicht nur bei BUndespräsidentenwahlen so, sondern eigentlich überall. Hat den Vorteil, dass man bei Bedarf alle bei den Eiern hat, wenn mans braucht. Das muss man kapiert haben, und dann braucht man keine Meinung mehr zur Tagespolitik. Meine Meinung.

Letzthin hat der eine Kandidat für den Präsidentenpalast öffentlich eine feine Einteilung des Wahlvolkes vorgenommen. Für ihn gibt es „Menschen“ und „Haute volée“. Man könnte meinen, er sei einer jener Tiroler, für die es nur Tiroler oder Arschlöcher gibt. Er ist, meines Wissens, kein Tiroler. Ich nehme an, dass er sich für „einen Menschen“ hält.
Ich jedenfalls, Lev-André Knallbar, ich bin „Haute volée“. Ich war schon Haute volée, als ich noch auf der Straße schlief und nichts zu fressen hatte, in Bibliotheken rumhing und las was die Regale hergaben. Und anders als viele „Menschen“ lag ich nicht der Allgemeinheit auf der Tasche, sondern nahm jeden Job an, der sich anbot. Egal, was es war. So habe ich meinen Charakter gestärkt und meine Fähigkeiten ausgebaut. Und heute bin ich Knallbar, der Bestsellerautor. Ein Mann, der noch unter der Dusche sein Kontostand checkt, so wie er früher unter der Dusche geraucht hat.

Haute volée. Menschen.
Ich habe Moss angerufen und ihm gesagt, dass ich T-Shirts mit der Aufschrift „Haute volée“ drucken lassen will, aber er hat gemeint, ob ich denn jetzt ne weiche Birne hätte, und ob man mich nicht ein einziges Mal in den Supermarkt lassen darf, ohne dass mein Geist zu Schaden komme?
Ich denke, er hat Recht.
Vielleicht werde ich T-Shirts mit der Aufschrift „Mensch“ drucken lassen…

Die Knallbar Diaries (31)

„Das ist keine Feldgurke. Ich habe mich beschwert und sie haben gesagt, es sei Feldgurkensamen. Feldgurkensamen!! Ich bin neunzig Jahre alt, aber das ist keine Feldgurke. Eine Feldgurke hat auf einer Seite eine Fläche, weil sie auf der Seite auf dem Feld gelegen ist. Aber die haben keine. Ich bin neunzig jahre alt, und so bescheißen sie uns. So bescheißen die uns. Ich bin neunzig und das ist keine Feldgurke…»

Solche Dinge widerfahren dem alten Knallbar, wenn er sich für einmal sein Essen nicht aus dem Hauben-Restaurant bringen lässt, sondern leibhaftig in den Supermarkt wandert und sich dort umsieht. Von wegen Moss’ Diktum, dass ich «ein reicher, verwöhnter  Autor sei, der vom richtigen Leben keine Ahnung hat“.
Ich meine, wenn diese Supermarkt-Monologe zum richtigen Leben gehören, wer möchte dann etwas mit diesem richtigen Leben zu tun haben? Ich jedenfalls nicht.

Nun, die Sache mit der Feldgurke ging noch halbwegs gut aus.
Da ich für gewöhnlich die Mitmenschen in drei Kategorien einteile, in : Triple A – Knallbarleser, Double A – potentielle Knallbarleser, und TripleX-Knallbarnichtleser, hätte ich eigentlich keine Mühe haben müssen, mich der Situation durch eine rasche Drehung meines Einkaufswagens zu entziehen. Theoretisch. Aber je älter ich werde, desto mehr kommt mir meine gute Scheißerziehung in die Quere, die es mir schwer macht, das zu tun, was in einem solchen Fall angebracht wäre: sofort Knallbarleserfaktor checken, und danach angemessen reagieren.
Die Gurkenlady war sicher den Triple- X-en zuzurechnen, also: Ignorieren und seiner Wege gehen. Aber wie gesagt: Scheißguteerziehung. Ich behandelte die Feldgurkengreisin wie ein Double-A, wenn nicht gar Triple A, und wandelte den schroffen, schoflen Abgang in einen verzögerten streichelweichen Emo-Schongang ab, der vorschreibt, ein paar freundliche Worte an die Person zu richten und erst dann abzuzischen. War hart.

Wann endlich kann Knallbar wieder der Drecksack sein, der er eigentlich ist? What’s happen to his image? Wenn das jemand sieht?
Man muss sich ja schämen…