Fetti und Pepita

„Also, jetzt hört mal zu, ihr Mittelstandsextremisten, ich habe was zu erzählen“, brüllte unsere neue Karaoke-Queen Pepita vulgo „unsere 17-jährige Türsteherpraktikantin“ in die versammelte Redaktionsrunde, die sich um den übervollen Mülleimer gruppiert hatte, um die Jausenration Crystal Meth zu sich zu nehmen und die jeweils auftretende Rachen-Bitterkeit mit  3-Finger-Bourbon aus großen Gläsern, runterzuspülen. Alle taten sofort so, als würden sie zuhören. Hier wusste man noch, wie man sich zu benehmen hatte.

Die Geschichte war – falls sie jemand mitgekriegt hat – irgendwie verschroben und pepitamäßig grantobrutal, denn sie hatte auf offener Straße einen Fettsack geohrfeigt der sie angerempelt und dann beschimpft hatte. Hatte der nicht erwartet, dass er eine aufgelegt bekommt.
Fetti war anscheinend nicht in Laune zurückzuhämmern, aber machte Anstalten die Bullerei zu rufen. So sind unsere Adipositas-Jünger heutzutage drauf. Gleich die Bullerei. Pepita gewahrte es und machte sich geschmeidig von dannen. Fetti folgte ihr behände wie Kevin James der einen 4-fach Burgermit extra Käse  wittert.

Pepita machte sich Sorgen. Sie hatte einen unaufschiebbaren Termin im Tattoostudio. Sie schwenkte also auf die Treppe zur U-Bahnstation ein, und Fetti schwenkte mit. Pepita sah es: Kein Mensch in der Nähe, und noch keine Kamera. Sie stieg auf die Klötze – wie man so sagt. Fetti bekam es verspätet mit, aber da hatte unsere Pepita ihn schon seitlich an der Hemdbrust gepackt, und nun brauchte es nur noch einen kleinen Zug und Fetti kobbelte die Treppe runter wie eine vollgefressene Kuh einen alpinen Geröllhang.

Hat sich dann echt weh getan. Das war richtig schön, fand Pepita.
Als die Rettung kam und die Bullerei, gab sie zu Protokoll, dass sie noch versucht habe den stolpernden Mann zu halten, aber das sei leider, leider nicht möglich gewesen. 140 Kilo, und sie, die Pepita, hatte gerade mal 52. Fetti erzählte – logischerweise – eine andere Geschichte. Alles, von der Ohrfeige an. Fanden alle Bullen und Bullinnen zum Schießen, diese Version.

«Tja, war wohl nicht sein Tag“, schloss Pepita und es war ihr beinahe egal, dass wieder mal alle nur so getan hatten, als würden sie zuhören. Danach gingen alle zu ihren Computern und taten so, als würden sie arbeiten.
So läuft das halt bei uns.
Was soll man machen?

Das Sprüchemuseum (64)

Interviewer: Könnten Sie sich vorstellen, zu Hause Flüchtlinge aufzunehmen?

Daniel Barenboim: Ja, das könnte ich mir vorstellen.

Wir sagen: Vorstellen kann man sich eine ganze Menge. Zum Beispiel auch, dass wir endlich einmal einen schönen Preis bekommen für unsere nie erlahmende Energie zur Erbauung des geneigten Lesers.

Mal sehen. Kriegen wir den Preis oder sitzen bei Familie Barenboim eher pakhistanische Flüchtlinge am Mittagstisch?

Wetten werden angenommen. Die Quote, falls keins von beidem zutrifft, liegt bei 1:1

Das Sprüchemuseum (63)

« Die Wiener Gemütlichkeit und Gemütsart ist mir verdächtig, weil sie sehr flach ist. Darunter stecken Gleichgültigkeit, Egoismus, Wut, Wurstigkeit, Ablehnung, Brutalität.»

Alfred Komarek, Autor und Stille-Enthusiast

Wir sagen: Ist schön, dass nicht immer nur wir uns mit solchen Aussagen in die Nesseln setzen müssen.

Peitsche und Psychotricks

Heute früh sah ich meiner Tochter beim Reiten zu, und verstand wieder einmal  – nichts. Das heißt, ich verstand noch immer gleichviel wie vor Jahren, vor Jahrzehnten. Ich kann Pferde nicht verstehen. Diese großen schönen Tiere tun alles wie willenlos, was kleine, meist weibliche Menschen von ihnen verlangen. Das ist mehr als seltsam.

Ein dressierter Tiger tut auch vieles, was der Mann mit Peitsche von ihm verlangt, aber wenn der Mann einen Fehler macht, ist er dran. Und er kann nie sicher sein, wann es soweit ist.

Auf dem Nachhauseweg im Auto, sprachen wir über die zwei Methoden, sich so ein Pferd zu Willen zu machen. Die Willensbrech-Methode und die „Pferflüsterer-Methode“.
Ich vertrat die Meinung, dass die Willensbrech-Methode, die eigentlich den Willen des Pferdes nicht „bricht“,  sondern ihm nur zu verstehen gibt, dass mein Wille der stärkere ist, letzlich diejenige ist, die den Willen und den Charakter des Tiers mehr achtet, als die Psychotricks, mit denen auf die „sanfte“ Tour, die Determination des Pferdedaseins ausgenutzt wird, um es sich untertan zu machen. Weil um das geht es letztlich in beiden Fällen. Noch nie hat jemand ein Pferd angetroffen, dass sich selbst gesattelt hat – usw.

Wer den Willen des Tieres bricht, gesteht ihm einen Willen zu.
Der Flüsterer schleicht sich ein und manipuliert das Tier, sozusagen von innen heraus, spielt seine intellektuelle Überlegenheit aus.

Die Peitsche des Sklavenhalters sagte nicht anderes, als dass Arbeit etwas ist – wenn überhaupt – dass man für jemanden andern nicht freiwillig abliefert.
Kredite und gezüchteter Konsumzwang  haben das abgelöst, und so ziemlich alle finden es supi…

11h06 in Wien bei 30 Grad…

Halbglatzen in Dreiviertelhosen

… dann verstand ich, dass sich ihr Gespräch darum drehte, dass die Kassiererin von Hofer die Bettlerin vor dem Eingang weggeschickt hatte, und dass die Halbglatze mit den fetten Waden, der seine „ich wähl ganz bestimmt nur HC“-Visage feilbot, ihr mit den Worten zustimmte: „Die Leit san schuld. Die sollten lieber was fürs Kinderspital geben, als diesen da…“

Einer dieser zurückgebliebenen Spießer, die in Kürze das Ruder in diesem Land übernehmen werden, respektive, es schon lange in der Hand haben, trotz meines verabschiedeten Gesetzes, dass es Halbglatzen mit Strachevisage verbietet, bei Temperaturen über 25 Grad, die Pappen aufzumachen. Wird einfach ignoriert.

Männer mit Halbglatzen sollte das Wahlrecht aberkannt werden. Maulkorb für Halbglatzen in Dreiviertelhosen!

Das könnte helfen ein paar Dinge richtig aufzugleisen. Nicht nur in Niederösterreich.

Und tatsächlich. Die Bettlerin war nicht mehr da. Sie saß nun auf der Bank, etwas weiter die Straße hinunter und ich wartete, bis Halbglatze auch endlich rauskam und ging dann etwas vor ihm und warf der Bettlerin etwas in ihren Becher, so, dass er es nicht übersehen konnte, so, dass es schön klimperte, und er es auch nicht überhören konnte, und ich beschloss, trotz der frühen dreißig Grad, dass ich nun ostentativ (dies ist doch auch so ein tolles Wort, wa!), den Bettlern ihren Job erleichtern werde, gewandet in ein Shirt mit dem Aufdruck: «Halbglatze? Nein, danke!“ Und hinten drauf: „Lieber für Bettler was spendieren, als für FPÖ votieren.»

Wobei der Ausdruck „votieren“ schon eine gewisse Überforderung werden könnte, denn wer will schon die FPÖ frottieren?

Es ist 12h 45 bei 34 Grad.

Abenteuer Hitze

Kleiner Psychotrick oder eine Weisheit aus unserer Redaktion gefällig? Ein Tipp, vermutlich von der Lady, die unsere Methschälchen befüllt:

Außergewöhnliche Situationen als Abenteuer durchstehen.

Okay. Ich los, so gegen halb 2. Fetter 36-er. Durchquerte den 1. Bezirk und bemerkte, dass ich der einzige Mensch in langen Hosen war. Scheint aus der Mode zu sein. Dreiviertel, allerhöchstens. Aber ne Menge Saudis, die auf diesen Zweiraddingern, wo man draufstehen tut,  durch die Alleen pflügten. Ich durfte Zeuge eines Frontalen werden. Nicht schön, nicht schlimm, aber auch nicht cool.

Die Schalterhalle der Post war leer, wie eine futuristische Fotomontage einer Poststelle aus den 70-ern. Und kühl war es, und der Mann am Schalter sah von weitem aus, als wäre er ausgestopft, war er aber dann doch nicht, denn er berechente mir den doppelten Preis, was ich erst gar nicht bemerkte und als Abenteuer nicht so klasse fand.

Beim Zurückschussern fiel es mir schwer, schattige Schnürstreifen zu finden, den die Dreckssonn stand so ziemlich senkrecht über uns, und gab es mir – und auch den Saudis – so richtig. Mir ein bisschen mehr. Aber ich schwitzte nicht mal, erst als ich im kühleren Treppenhaus stand, wollte er raus, der Saft. Hemd runter und unter die Dusche.
Dann legte ich mich noch nass in den Strom meines Ventilators, Oropax rein, Augen zu, und schon lag ich an einem Meeresstrand und ließ mich von der kühlen Brise zu einem Nickerchen verführen.

Danach sagte mir der Schauspieler Krisch, dass wir alle eine Psyche wie der Serienmörder Jack Unterweger haben. Keine Ahnung woher Krisch was vom Content meiner Psyche weiß, aber Schauspieler sind halt Intellektuelle, da müssen wir Halbschuhe passen und sollten dankbar nicken.
Österreichische Schauspieler haben eine Vorliebe für solche Aussagen. Steinhauer wusste schon vor Jahren: “In uns allen wohnt ein Hans Moser!” Also. Hans Moser und Jack Unterweger. In mir drin. Und das bei dieser Hitze.

Es ist 20 Uhr und es hat kühle 33 Grad…

Die Hitze und ich (2.)

Wie sagt man zu meiner gestrigen Ankündigung? Vollmundig?
Meinetwegen.
Die Nacht wurde nicht unhart. Morgens gegen halb 2 noch dreißig Grad. Draußen eine Stille, wie in einem Haus mit Trauerfall. Keine Fiesta, kein Gegröle und Gekicher, kein Schlager, kein Licht, nur diese Hitze und diese Ahnung, dass sie nie mehr weggehen wird.

Ein bisschen Schlaf dann doch noch, so gegen halb 4; um 7 zum Training, bei bereits satten 26 Grad, aber mit Glücksgefühlen, denn 26 Grad am Morgen fühlt sich an, wie frischer Pulverschnee.
Es ist das camusche Sysophosfeeling. Die Hitze kommt wieder, aber am Morgen gibts das süße Pulverschneegefühl, und der Park des Palais Schönburg sieht noch immer großartig aus und nur ein einziges Mal in den Jahren, sah ich jemanden darin, einen Mann der den Rasen mähte, und vielleicht ist es das, was ihn für mich so hip macht: Kein People, das displaywischend sich ergeht, kein People mit Kopfhörern, kein People mit lärmenden Mündern.

Schätze, heute wird die Hitzeschraube noch mal weitergedreht. Abkühlung in der Nacht nur bis zu 26 Grad, das heißt, um drei wirds noch dreißig haben, mindestens, und es wird noch stiller sein in der Schlucht und so geht es weiter, bis wir alle eines nachts Schüsse hören werden, Schüsse vom Ersten von uns der durchgedreht hat. Und es ist nicht auszuschließen, dass dies eine Menge Nachahmer findet. Die Schusswaffendichte in Wien soll hoch sein…

Die Hitze und ich

99/60, ist ein bisserl wenig für einen Kerl wie mich, das bescheinigt mir auch das Blutdruckforum im Netz. Meine Gefäße sind weich wie der Straßenteer, geweitet, in den 36 Grad Außentemperatur, geweitet, wie das Rohr, das der Schlosser mit dem Schweißbrenner beheizt. Schluss mit den Pills. Für ne Weile.

Heute fasste ich um 14h23 den Entschluss, nicht mehr unter der Hitze zu leiden, zu stöhnen, mich zu beklagen, sie zu verfluchen, mich zu verfluchen, die Stadt, das Land, die Welt.
Kurz danach verließ ich korrekt gekleidet das Haus und stiefelte in den sechsundreißger. „Siehst du, 36-er, du machst mir keinen Eindruck, du kannst mich mal!»

Dann ging ich in den Botanischen Garten, setzte mich in den Schatten einer Pinus nigra, atmete ihren narkotischen Duft ein und hörte die irren Sirenen der Krankenwagen und der Bullen oben auf dem „Gürtel» und dachte: Genauso ist Großstadt. Pinienduft und Sirengeheul. Das freute mich.

Touristen in Wurstpellen kamen des Weges, kaum schwitzende Jogger hirschten durchs gepflegte Unterholz, und andere, langsam dahinzottelnde Menschen, wie ich, die der Dreckshitze den Kampf angesagt hatten und auf ihre Kosten kommen wollten.

Die Hitze arbeitete sich an mir ab, versuchte es mit Tiefschlägen und verbotenen Ellbogenchecks, aber ich blockte alle ab, weil ich sie kommen sah, und manchmal schweiften ein paar Böen des Südosters durch die Zweige und leckten an meinen putzigen Schweißperlen auf der Stirn. Das war nett.

Danach machte ich mich auf den Weg nach Hause, nahm eine Dusche, riss das Fenster auf und ward für immer von Hitzestress geheilt.
Fuck you, Sommer! Siehst meinen Finger?

Der Poet & Dichter

Gestern in den Nachrichten erwischte ich noch den Gast von Armin Wolf, einen gereiften Burschen aus München, der sich als “Poet & Dichter“ bezeichnete. So à la : „Ich als Poet und Dichter, kann nur …»

In Ordnung. Poet & Dichter sind keine geschützten Titel. Kann sich also jeder seine Visitenkarte damit bedrucken. Allerdings gehe ich etwas auf Distanz, wenn man mir diese Visitenkarte andrehen will.
Ich bin der – ich weiß, ich weiß – altmodischen Ansicht, dass dies ein Titel ist, den man sich nicht selber verleiht, sondern der nur dann etwas zählt, wenn er einem verliehen wird.  Muss ja nicht vom Feuilleton sein, oder von der Suhrkampliesl Iris Radisch.

Aber der Münchnerjung mit der Regenbogenholzkugelkette um den Hals, war auch sonst ein echter Aufmerker. Er ermutige jungen Menschen, sagte er, den Mut zu haben, Außenseiter zu sein. Ich nehme jetzt mal an, dass er nur ganz bestimmtes Außenseitertum meinte. Also nicht den Nazi in der Waldorfschule oder den IS-Killer in spe aus der Münchner Moschee, den Schläger im Kirchenchor oder den Antisemiten im Theaterensemble.

So wie jeder Mensch fast überall auf der Welt Ausländer ist, so ist er auch oft Außenseiter. Mit oder ohne Mut.

Ich denke, der erfolgreiche Schlagersänger hält sich nach wie vor für einen verfemten Outcast. Wie übrigens alle anderen Zeitgenossen auch. Heute ist jeder ein Außenseiter, ein Opfer des Mainstreams und der Hegemonie von allen anderen.

Wenn ich ein Poet und Dichter wäre, würde ich die Leute zu gar nix ermutigen. Höchstens mal, verdammte Scheiße, meine Bücher zu kaufen. Aber ich glaube, selbst das würd ich mir verkneifen …

Devils Cut

Ich schreibe jedes Jahr darüber, ganz im Sinne von Georg Kreisler (nun auch schon über drei jahre tot): „Wie schön wäre Wien ohne Wiener“. Und einmal im Jahr ist es soweit, im Sommer.

Gut, ich mag den Sommer nicht, aber Wien im Sommer ist zugleich unerträglich und doch mürbe und zart, wie ein dry-aged-Steak, gut abgehangen und a bisserl wehrlos, ziemlich still und wie ausgeblutet und man empfindet sogar so etwas wie Solidarität mit den anderen, die auch da sind und die gefühlten 32 Hitzewellen überstehen müssen.
Hauptsache, man geht nicht in ein Freibad. Oder auf die Donauinsel. Oder gar ins MuQua.
Das Anzengruber ist auch zu, und das ist echt hart. Aber trotzdem.

Am Besten, man steht früh auf, geht durch die stillen, berufsverkehrbefreiten Straßen zum Training, und versucht danach ein wenig zu arbeiten, bis die Sonne nach Mittag wie eine Brandbombe durch die Jalousien kracht. Dann macht man am Besten was anderes. Vielleicht duschen und nicht trockenreiben und sich darüber freuen, dass es zur Zeit keine Presslufthämmer in der Schlucht gibt, dass die Nachbarn mit ihrer Schlagermusik bei offenem Fenster, noch im Urlaub sind. Man wirft den Ventilator an, mixed sich einen Virgin Mojito (aber nur mit Soda und Süßstoff!) und träumt vom Herbst und vom Pulverschnee in Wengen und fragt sich, wie es jetzt wohl im Waldviertel ist und ob man morgen den beschwerlichen Weg in die Fenzelgasse auf sich nehmen soll, um wieder mal eine Flasche Devils Cut zu besorgen.
Ich glaube, das ist trotz der Hitze, eine ziemlich gute Idee…