Die Knallbar Diaries (21)

D. aus Berlin hat angerufen. D., der bald eine der bedeutensten deutschen Bühnen leiten wird, und in der Branche der meistgehasste Buddy ist, eine Art Donald Trump für Künstler. D. will, dass ich ein Stück für sein Haus in spe verfasse. Klar, sagte ich, mach ich doch, und danke für die Einladung. Ah ja, und noch was: Wieviel?
Viel genug, sagte D., und das genügte mir, mehr brauchte ich nicht zu wissen. D. war ein Ehrenmann. Vielleicht hassen ihn die Kollegen auch deswegen.
Ich sags euch: Keine 10 MInuten später scheppert bei mir das iphone ohne Sinn und Pause. Ohne Sinn im Sinn von Unsinn, denn der ganze Kollegenverband, der irgendwie rausgekriegt hat, dass ich jetzt für D. arbeiten werde,  meldet sich bei mir, um Solidarität einzufordern, denn die Kollegen haben beschlossen, D. zu boykottieren, weil der „das Theater kaputte“.

T. ruft auch an.
Knallbar, sagt er, du wirst doch nicht…oder?
Wohl werde ich, sag ich.
Aber wir sollten solidarisch sein, in unserem Boykott.
Warst nicht auch du unter denen, die meine Stücke abgelehnt haben. Damals. Zugunsten all derer, die jetzt boykottieren.
Was hat denn das damit zu tun?
Einiges. Warst es oder warst es nicht?
Deine Stücke waren Mist.
Wohl wahr. Aber deine sind auch Mist und die der anderen auch.
Na ja, sagt T. Na ja.
Nix naja, immer nur diese linke Scheiße, diese Jammergebolze und dieses durchschaubare Absichtstheater, und wenns um Gefühle geht, dann muss gutdeutsch gebrüllt werden. Brüllen und scheißen ist das shoppen und Ficken der Deutschen. Also, fuck you, T. Fuck them all!

Häng also ein. Ich mein, man hängt ja nicht mehr ein, man drückt die Wichser einfach weg. Toll.

D. ruft noch mal an, und erkundigt sich freundlich, ob ich schon eine Idee hätte.
Klar, sag ich, ich bin voller Ideen.
Und?
Ein Stück nach einem Motto von meinem Lieblingsphilosophen Carlo Pedersoli.
Pedersoli?
Kennste nicht, sag ich. Ist aber ’n Klasse Mann.
Lass hören.
Hier mein Pitch: “Scheiß drauf! Wie immer es auch kommen mag: Scheiß drauf!”
Na dann, frohes Schreiben, sagt D.
Danke, sag ich. Meine Kontonummer haste ja, oder?

Die Knallbar Diaries (20)

On the road. Nicht aus lebensanschaulichen Gründen, Romantik, Abenteuerlust oder weil ich der Arbeit entfliehen will, nichts von alledem, nein, es ist nur aus Gründen der Zahlenästethik – tja, so trivial ist das. Damals – ich erinnere mich dunkel – als ich noch arm war, dachte ich wie jeder andere Dummkopf auch, dass es einem Milliardär nicht auf eine oder zwei Millionen ankommen kann, aber das ist – werte Freunde, Feinde und Gleichgültige – einfach nur falsch. Es ist in unsere DNA geätzt: Zuviel ist nicht genug! That’s Rock’n Roll, amigos.

Habe also das Angebot von Moss angenommen und mir eine Lesetour zusammenstellen lassen. 5 Sterne Hotels, Limousine, Chauffeur in Anzug, Krawatte, und Dienstmütze, die er in meiner Gegenwart niemals ablegen darf. Soviel Respekt muss sein. Und, versteht sich von selbst: keine Vertraulichkeiten.

Ich habe Moss gegenüber darauf bestanden, dass der Chauffeur einen Universitätsabschluss haben muss. Warum, hat Moss gefragt. Darum, hab ich gesagt. Ne, im Ernst, Knallbar, sacht er dann, warum braucht ein Chauffeur einen Uni-Abschluss? Weil er, sach ich, leiden soll. Warum soll er leiden?, fragt Moss. Damit er lernt, dass seine ganze Bildung, seine Zeugnisse, seine Ansichten, sein ganzer Humanismus, dass das alles fürn Hugo ist, wenn es gilt, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Und dass er sich, während er darauf wartet mich ins Hotel zu fahren, darüber Gedanken macht. Was soll das denn bringen, sacht Moss. Hass, sach ich, Hass, Moss. Und was soll Hass bringen? Kohle, sach ich mit meinem gemeinsten Grinsen, nichts als Kohle. Hass ist gut fürs Geschäft. Hass ist der Grund, warum all die Weißbrote die Ali-Kämpfe sehen wollten; sie wollten sehen, wie dem Nigger die große Nigger-Fresse eingeschlagen wird. Zumindest zu Beginn.
Das ist doch nur deprimierend, sacht Moss und setzt sein traurig sanftes Lächeln auf. Find ich nicht, sach ich. Und überhaupt: Was bist denn du für ein Verleger? Du bist dafür verantwortlich, dass deine Autoren reich werden.
Überspann den Bogen nicht, Knallbar, überspann ihn nicht.
Ach, Moss, sach ich, ich mach doch nur Witze.
Nee, Lev, machst du nicht.
Nein, mach ich nicht.
Du bist ein richtiges Arschloch.
Ich korrigiere: Ich bin ein reiches Arschloch. Soviel Zeit muss sein, Moss, soviel Zeit muss sein.

Rüber zu Dobler, subito!

Heute geht es nicht anders und es ist zwingend, auf die Site unserer befreundeten Blog-Redaktion aus Augsburg, Franz Dobler, verweisen.
Bestes Über Merle Haggard und Links zu wunderbaren Beiträgen von Bernd Seliger über „The Hag“.

Und auch über den Tod von Wolfgang Welt, dessen Roman „Peggy Sue“ mir einst ein Leser nach der Lektüre von „Sauser“ in die Hand gedrückt hat. Er hielt beide Romane  für „L’ art brut“.
Tja.

Das Sprüchemuseum (74)

„Schon als Kind wurde mir bewusst, dass man die Dinge, für die man brennt, nicht bekommt oder so spät, dass sie einem nichts mehr bedeuten. Darum wird man Philosoph.»

Dani Ed Sandermann

Wir sagen: Geht uns auch so. Aber einige von uns wurden Diebe.

Der Koch, der Kranke, und die FPÖ

„Ein Schweizer Gast“, sagte der österreichische Koch im Nebenbett, „ist ein fairer Gast. Wenn etwas mit dem Teller nicht in Ordnung ist, sagt er es gleich, und wartet bis die Küche es gerichtet hat. Denn er weiß, dass immer etwas schief gehen kann. Der österreichische Gast sagt nichts, isst alles auf, und erzählt dann überall herum, dass man bei mir beschissen isst.»

„Wie der FPÖ-Wahlbeisitzer: Er unterschreibt, dass bei der Stimmenzählung alles mit rechten Dingen zugegangen ist, und behauptet dann – auf Geheiß seines Häuptlings-, dass gar nichts in Ordnung war. Irgendetwas habe ihn unter Druck gesetzt.»

„Ja. So tickt Österreich. Da hilft nix.»

„Oba die Schnitzeln san scho guat, oda?»

Die Knallbar Diaries (19)

Mein Liebelingsbettler ist offenbar weitergezogen, im Spital oder tot. Jedenfalls lässt er sich nicht mehr blicken. Also bin ich gezwungen, einen neuen Favoriten zu ernennen. Könnte man meinen. Aber warum eigentlich? Vom Gerechtigkeitsstatus her, ist das Almosengeben anyway einen heikle Angelegenheit. Wem gebe ich was, wem nicht. Und warum, und warum nicht? Muss mal Slavoj anrufen, der weiß da sicher was. Das Problem bei Slavoj ist nicht, dass er nichts dazu zu sagen hätte, die Scheiße ist, dass er einfach nicht mehr aufhört zu quatschen. „Halt mal die Fresse, Slawe!“, sage ich manchmal zu ihm, und dann fasst er sich 7 mal hintereinander an die Nase, schnieft, die Augenlider zucken und dann geht’s weiter im Text. Also vielleicht doch nicht Slavoj. Den tattrig brötigen Safranski mag ich nicht anrufen, und auch nicht seinen Kumpel Sloterdjik, und schon gar nicht den Philodarsteller Precht oder gar Edi Finger, ich meine, Juli Zeh.

Muss wohl selber damit klar kommen. Wie mit dem Rest auch.

Etwas ist mir aufgefallen: Es gibt Bettler und Bettlerinnen, die ihren Becher immer gleich leeren, was bedeutet, dass jeder Kunde in einen kleinen Abgrund starrt. Andere lassen immer was drin und zeigen uns damit, dass schon andere gespendet haben. Interessant. Mitleid oder Nachahmung?
Wäre ich noch ein pickliger, notgeiler Studi würde ich meine Doktorarbeit darüber schreiben, über die Bettelei.
Aber zum Glück bin ich Lev-André Knallbar, ein privilegierter, aber ziemlich schlechter Autor (nicht schlechter als die anderen,hey!) mit fett gefülltem Konto und einem wasserdichten iPad, mit dem ich meinen Kontostand auch unter der Dusche geniessen kann.
Aber Bettler ist auch ein schöner Beruf für jungen Leute…

Die Knallbar Diaries (18)

Mein Freund ist Fußballer und hat gerade an der EM in France zu tun. Ich habe ihn besucht, weil mir langweilig war, und ich keine Lust hatte, mir den ganzen Tag über schlechte Fußballspiele anzusehen. Meine Produktion von Wörtern, Sätzen, Abschnitten und Kapiteln ist, wie man so sagt, erlahmt. Ich habe einen Sack gestrickt, und strample unten auf dem Grund herum und versuche aufzusteigen. Geht nicht. Also ab nach France. Zu meinem Freund, dem Fußballer.
Sein Name tut nichts zur Sache. Er ist Weltklasse. Soviel sei verraten. Wir sind schon eine ganze Weile befreundet. Wir sehen uns zwei Mal im Jahr. Oder so. Manchmal schreiben wir uns E-Mails. Er auf italienisch. Ich auch.
Wir haben etwas gemeinsames, etwas, das sehr selten ist, etwas, das uns zusammenkettet, wie zwei entflohene Sträflinge in einem Spielfilm.
Er ist Fußballer und interessiert sich nicht für Fußball. Außer, er steht auf dem Platz. Aber sonst geht ihm alles an dem Business am Arsch vorbei. Er liest. Dante, Turgenjew, Dostojewski, Nabokov, und die Zeitgenossen seines Landes. Und manchmal Knallbar.
Fußball interessiert ihn so wenig, wie mich die Literatur. Sie taugt nichts. Eingedenk meiner eigenen. Vertmutlich. Mein Freund weiß da besser Bescheid.
Als wir uns getroffen haben, hab ich ihm was über meine Lieblingsverteidiger erzählt, was sie unterscheidet und warum sie große Klasse sind. Er hat ziemlich gestaunt. So wie ich danach darüber gestaunt habe, was er mir über Nabokov und Pittigrilli zu erzählen wusste.

Das tat richtig gut.

http://www.literiki.com

Literiki ist eine App, die für € 2.- /Pro Quartal, täglich Mini-Stories liefert. 2-3 Minuten, gelesen von professionellen Sprechern (Zuvor auch von den Schreibenden.) Gedacht als literarischen „Weckruf“, sind die Geschichten nur einen Tag lang abrufbar und verschwinden dann für immer im was-weiß-ich-wo.

Schwer zu empfehlen für Menschen, die sich gerne nette kleine pointierte Geschichten anhören. Oder sich gar davon wecken lassen möchten.

Wir möchten hier ein Wort von Friedrich Dürrenmatt paraphrasieren, mit dem er die Gedichte von René E. Mueller bedacht hatte: „Einige der Stories sind gut. Vielleicht sogar viele.»

http://www.literiki.com

„Me-we»

„ Frag nicht ob die Fliege den Pflug ziehen kann. Spann sie an.»

Muhammad Ali  (17. Jan. 1942 –  3. Juni 2016), Boxer, Poet, Prediger, guter Mensch.