Die Knallbar Diaries (17)

Heute hat B.D. Geburtstag und ich wünsche ihm -und mir auch- noch viele Geburtstage. Der Rest ist gesagt. Von so ziemlich allen. „Let each man sing his own song.“
Mein Fenster ist beschlagen. Draußen regnet es und ich traf meinen Lieblingsbettler  auf dem Postamt, wo er einen ganzen Obstsack voller Münzen auf sein Konto einzahlte. Tüchtiger Kerl. Hat ein Bankkonto. Das nächste Mal werde ich ihm was überweisen. Oder wenn’s dann einmal (eines fernen Tages) wieder abwärts geht, und ich auf der Straße lande, werde ich ihn anpumpen. Ich investiere in den Burschen, als Notnagel…

Gestern tauchte Kollege T. im TV auf und beschwerte sich darüber, dass sich Leute auf den „socialmedias“ darüber beschwert hatten, dass er sich über sie beschwert hatte. Ulkiges Kerlchen. Bestseller-Autor mit Matschbirne. Er ist wie ein Mann der freiwillig auf einer Müllkippe lebt und sich darüber beschwert, dass andere Leute ihren stinkenden Müll abladen.

Es tritt doch immer deutlicher zutage, dass der ganze Hass in der social-müllkippe entsteht. Gärgase.
Die Birnen werden weich. Die Arschlöcher auch.
Not my problem. Das ist das Gute am Reichtum:  Fuck you all. Man besieht sich das Ratrace und den ganzen Müll, wie durch ein Teleskop aus dem Weltall.
Das ist es, was wir Reichen wollen: Unsere Ruhe, vor dieser Müllkippe…
Darum schreibe ich den ganzen Mist, den ihr dann hoffentlich brav kaufen werdet.
Das macht ihr doch, oder?

Die Knallbar Diaries (16)

Des morgens im Knast, abends auf einem Ball, und dazwischen: schreiben. That’s Knallbar-Life. Wie Willi singt: «It’s no good life, but it’s my life.“
Auf dem Ball, natürlich in einem der gefühlten 272 Palais der Stadt, waren eine Menge Leute, die wirklich Spass hatten. Das fand ich erstaunlich. Dann freute es mich. Wohltuend war auch, dass es Frack-oder Anzug- Zwang gab. Entspannend für die Augen. Erinnerte mich an die guten alten Filme, wo alle Typen mit Hut und Anzug rumrennen. Hab das immer schon gemocht. Die Damen in Roben, die meisten eher schlicht, denn hier war nicht die gequirlte Gaggi-Créme am Werk, sondern solider Mittelstand: gebildete Bürger, wie du und … nein, nicht ich. Vergiss es.

Traf da auf den Kollegen G., der gerade aus den Bergen zurückkam, wo er, wie er behauptete, im steilsten Gelände einen Zaun repariert und neu gezogen, und dabei fast 150 Zaunpfähle versenkt hatte. Mit einem 8 Kilo Schlegel. Er sagte, das geilste sei, wenn der Hammer genau im richtigen Winkel an der richtigen Stelle mit der vollen Wucht auf dem Holz auftreffe. Es sei so gut und erregend, sagte er, wie das richtige  Wort zu finden und zu setzen. Ja. Da konnte ich ihm nur beipflichten. Außerdem erinnerte es mich an den Vormittag, an meine Hakenkombination, an das Kinn eines Redbull-Prolls.

Darauf kippten wir ein paar, derweil unsere Familien den Squaredance machten, der bei solchen Anlässen „Quadrille“ heißt.

Tja, und dann fand ich noch ein Portrait meiner Uroma. Vermutlich bin ich adelig. Ziemlich sicher sogar…

Die Knallbar Diaries (15)

Heute, werte Freunde, Feinde und Gleichgültige, schreibe ich aus dem Knast. Dem Gefängnis, pardon. Ich meine, aus einer Zelle des Polizeipostens meines Vertrauens.
Das Leben besteht aus einer Aneinanderreihung von Irrtümern. Soviel ist sicher. Und wer das einmal eingeschlürft hat, der schlägt sich nicht mehr so schnell auf eine Seite. Mein Vorbild ist Rick alias Bogart, aus Casablanca.

Wieso ich im Knast bin? Ein Irrtum? Nein, diesmal nicht.
Die Kurzfassung: Steh an der Supermarktkasse. Von hinten legt ein Prolet in weißem Maleroverall seine zwei Scheiß Redbulldosen auf das Band, bevor ich was draufgelegt habe. Ich ignoriere das, und die zwei Dosen geraten in meine Waren. Der Weiße fischt sie nicht raus, der Kassier zieht sie drüber, ich zahl alles, und nun kommt er an, unser Handwerker, und reklamiert seine Dosen. Ich hab sie bezahlt, es sind meine. Punkt. Er schubst mich. Und da er gerade günstig steht, ziehe ich erst einen linken Haken und schick gleich den rechten hinterher. Beide im Ziel. Er geht zu Boden. Sein Kumpel will eingreifen, und ich jage ihm seitlich einen Ellbogen auf die Nase. Geschrei. Aufregung. Leute flüchten. Andere telefonieren. Der Ellbogen-Prolo blutet. Der andere rappelt sich hoch. Ich geh in Kampfstellung. Scheißhandwerker. Was die können, kann ich auch. Und die lesen nicht mal Bücher. Wozu sind die eigentlich nütze?

Ich bin Fucking-Lev-André Knallbar. Und wer sind die?
Die Freunde und Helfer kommen und nehmen mich mit. Die Prolls auch. Ich mach keinen Ärger. Bin ganz ruhig und höflich. Die andern zwei maulen herum. Mir ist es egal, was wird. Es ist ein verdammt gutes Gefühl, einen Wichser niederzuschlagen. Und zwei davon, ist noch besser. Ich sitz auf der Pritsche und fühle mich gut. Sie haben mir das iphone gelassen. Nette Kumpels, die Bullen.

Früher war ich auf der Seite des Proletariats, zur Zeit steh ich auf der Seite der Staatsmacht. Der einfache Mann von der Straße ist zu einem Arschloch verkommen, und dass er noch wählen darf, macht alles nur noch schlimmer. Wie sich vermutlich morgen zeigen wird.

Aber, wie gesagt, ich fühl mich richtig wohl in der Zelle. Mein Anwalt ist schon unterwegs…

Guy Clark ist tot

Was für ein verdammtes Jahr für Musiker.
Lemmy Kilmister, Merle Haggard, Mick Fitzgerald, und gestern verließ uns Guy Clark, einer meiner verehrten Singer-Song-Writer.
Was soll man da machen?
Dabei haben wir erst Mai…

«Hemingways Whiskey»

Die Knallbar Diaries (14)

Tage oder vielleicht gar Wochen intensivster Arbeit. Ich erkenne mich nicht wieder. Knallbar der Workaholic?
Die Familie ist wieder da. Daran mag es liegen. Sie geht mir auf die Nerven, deswegen verkrieche ich mich in eine meiner Zimmerfluchten, mit nichts als einem Sofa, einem Tisch, einem Stuhl und meinem Lap. Ja, und ein paar Bücher die mich inspirieren, und in denen ich zwischendurch lese, damit ich wieder weiß, was ein wahrer Aussagesatz ist.

Moss hat die Filmidee verworfen. Eigentlich habe ich sie verworfen. Langweilich. Hab einen Stapel kürzest Geschichten geschrieben. Ein Semi-Irrer zahlt mir einen Tausender pro Stück. Ein Sammler. Ein guter Kapitalist. Ein Mensch mit Bildung. Oder sowas. Er wird die Stories in einem einzigen Buch sammeln. Stories von Lev-André Knallbar. Ist natürlich reiner Kitsch, den ich da absondere, aber was solls. Schreiben heißt, in der Lage sein, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. „Ein armer Dichter is a Schaas“, wie der Alkoholiker und Dramatiker Werner Schwab heraussabberte. Ja, sagte ich damals, noch arm, das kann schon sein, aber ein toter Dichter ist noch der lautere Schaas. Das sagte ich, als er an irgendeinem Silvester mit 36 einen suffbedingten Atemstillstand erlitt. Gut, das war hart. Aber das ist kein business für Weichtiere. Schwab hatte seinen Spass. Und keine Sau spielt heute noch seine Dramen. Kein Wunder, wenn alle nur noch den Vollkitsch wollen. Oder den Bobomüll für die Damen.

Schreiben wir halt den Kitsch. Hauptsache, das Konto macht einen netten Eindruck.

Entsetzlich, wie ich stinke. Sollte vielleicht wieder mal duschen. Hab mir so’n Unterwasser-ipad besorgt. damit auch unter der Dusche an meinen Kontostand rankomme. Ist echt geil. I’m lovin it…

Mick Fitzgerald passed away

Der irische Gitarist, Sänger, Bandleader, Journalist,  und Sondog-Autor Mick Fitzgerald ist gestern gestorben, wie mir seine nahe Freundin, Übersetzerin und Herausgeberin Gabriele Haefs mitgeteilt hat.

Mick Fitzgerald veröffentlichte im Songdog Verlag den shortstory Band „Session“.

…sacht ein Vogel zu irgendwem was (2)

Kiev Stingl hat sein Hemd ausgezogen und geht auf der Bühne auf und ab, wie ein hochmütiger Dompteur von Königspudeln und schlürft dabei die köchelnde Hasssuppe des Publikums in sich hinein.
Der große Saal in der Roten Fabrik in Zürich ist gut gefüllt.  Man will sich das deutsche AMOK-KOMA-Dichterding ansehen, oder eigentlich nicht ansehen, denn es riecht nach Krawall.
Kiev Stingl hat eine zerlesene Zeitung in der Hand und liest, auf – und abgehend, aus dieser Zeitung vor. Irgendwas, keine Ahnung.
An der Bühnekante lehnen Tafeln aus Pappe und Dachlatten. „Stingl verpiss dich!“ und solches mehr. Einer seltsamen Choreografie folgend, lösen sich von der linken Seite des Publikums, Figuren.
Sehr theatralisch. Sie nähern sich der Bühne, indem sie einen Halbkreis beschreiben, dann treten sie an die Bühnenkante und werfen mit irgendwas nach Stingl. Abgang im Halbkreis. Stingl macht keine Anstalten den Dingen, die auf ihn zugeflogen kommen, auszuweichen.

Ich kenne die Typen. Es sind „Bewegte“ aus den eingeborenen WG’s.
Aber was haben sie gegen Kiev Stingl? Haben sie nicht „Flacker in der Pfote“ gelesen? Kennen sie nicht „Hart wie Mozart»?
„Der Arsch hat verlangt, dass ihm auf der Bühne eine Frau den Hosenlatz aufmacht und sein Horn bläst!“, sagt Moritz, den ich frage.
Oh, ja. Mehr braucht man nicht zu wissen. Denn hier war Zürich. Und es ging zu wie in der Provinzdisco, wenn der vom Nachbardorf eine Einheimische anbaggerte. Dann gibts was auf die Fresse.
Stingl war den politisch Radikalen zu radikal. Es war die falsche Radikalität.
So geht’s eine Weile weiter. Ich weiß nicht, was ich tun soll.
Die Gegenstände, die Richtung Stingl fliegen, werden größer, massiver. Ein Fotograf, der es wagt, die Tafeln umzuplatzieren, wird aufgemischt. Im Rudel stürzen sich Moritz und seine Kumpels auf den Mann. Es dauert zwei Sekunden und der Typ hat ein paar Ohrfeigen, Tritte und Schläge abgekriegt. Benommen, seine Kamera untersuchend, tappt er zu seinem Stuhl.

Ein Gitarrenkoffer segelt zu Kiev hoch, und im selben Augenblick sehe ich am Ende des letzten Tisches eine Flasche Ballantines Whiskey. Dahinter sitzt der Basler Dichter und Verleger Mattyas Jenny. Er hat die Ray Ban Sonnenbrille aufgesetzt, was bedeutet, dass die Flasche Ballantines vermutlich leer ist. Er steht auf, geht leicht schwankend zur Bühne, steigt hinauf, schnappt sich eine der Tafeln und setzt sich auf einen Stuhl, das Holz wie einen Baseballschläger in den Händen, und die Gläser der Sonnenbrille auf das Publikum gerichtet, wie die Läufe einer Schrotflinte.

Von nun an, fliegt nichts mehr auf die Bühne. Stingl bringt sein Ding zu Ende.
AMOK-KOMA. Zürich 1980 oder 81. Eine Dichterlesung.

… sacht ein Vogel irgendwas zu wem…

Dobler hats getan, andere tun es, und wir tun es auch:
Wir unterstützen das Projekt von M.A. Littler und Dirk Otten alias Dad Horse, die für ihren DOK-Film über den Poeten, Musiker und Verweigerer Kiev Stingl :  „Kiev Stingl – NO ERKLAERUNGEN – Dokumentarfilm“, Geld auftreiben müssen, wollen, tun.

Tut es auch. Geht auf die Site:

https://www.indiegogo.com/projects/kiev-stingl-no-erklaerungen-dokumentarfilm#/

Hier der Trailer:

https://www.youtube.com/watch?v=-vGHQkIWEzg