Lektorat raten


Harry Rowohlt, der Über-Übersetzer meinte mal, dass er ein Buch zweimal übersetzt habe: Einmal aus dem Englischen und einmal aus dem Lektorat.

Es gibt ja immer wieder Lesende und KritikerInnen, die sich gerade bei Büchern von Kleinst-Verlagen über kleine Fehler beschweren oder „über mangelndes Lektorat“.

Fuck you!, rufe ich ihnen fröhlich zu.

Gestern las ich eine Rezension des neuen Buchs von Paul Auster „Baumgartner“.
Ein Gejuble sin final.
Paul Austers Werke gehören nicht gerade zu meiner favorisierten Lektüre (ohne jetzt im Detail darauf einzugehen), aber ich war doch neugierig genug, um bei Amazon die Leseprobe des von Rowohlt herausgegebenen Romans anzulesen.
Da las ich dann auf der ersten Seite:
„Plötzlich bleibt er abrupt stehen …“
Halleluja! Ist Auster jetzt gaga, oder was? Plötzlich abrupt?
Ich mache danach die englische Version auf:
„When he walks into the kitchen, however, he is stopped in his tracks …“

Seht ihr’s? Checkt ihr’s?

Zwei, drei Sätze danach:
„Den Bruchteil einer Sekunde später lässt er den Topf unter lautem Geschepper zu Boden fallen …“

Jetzt isses amtlich: Auster ist gaga.

Oder doch nicht?
Im Original heißt es:
„A fraction of a second later, he drops the pot, witch hits the floor with an abrupt, clattering ping …“

Nein, der Paul Auster ist unschuldig. Denn der Topf muss bei ihm erst auf dem Boden aufschlagen um zu scheppern.

Aber warum war in der Rezension (Spiegel?) nichts davon zu lesen, dass der Übersetzer kein Deutsch kann? Und der Rowohlt Verlag so klamm ist, dass er sich kein Lektorat leisten kann? Zumindest solches, das Deutsch kann.
Oder liegt es daran, dass die Rezensenten auch kein Deutsch können?

Fragen über Fragen.
Wer möchte da noch weiterlesen?
Ich nicht.

3 Antworten auf „Lektorat raten“

  1. Womöglich hat sich der Übersetzer, Herr Schmitz, trotzdem ein verdienter Mann, gedacht, beim Überfliegen des Auster’schen Textes: «Das ist so ein Scheiß, das mach ich jetzt einfach mal, dass sich das für mich rechnet, möglichst schnell», hat dabei auf die Schlampigkeit des Lektorats gesetzt — und ja bestimmt finanziell auch die Wette gewonnen. Ob wirklich der Auster’sche Baumgartner («Einer der Weltstars der Gegenwartsliteratur») noch gebraucht wird — sogar Paul Auster mag da seine Zweifel haben. Werner Schmitz offenbar nicht.

  2. Sorry, das sind keine «lässliche Sünden“, sondern der eine Satz ist sinnentstellend und im anderen Fall tautologisch. Es geht nicht um die Wortwahl. Vielleicht noch mal lesen …

    It’s Rowohlt, it’s Auster!

  3. Da es sich bei dem Übersetzer um Werner Schmitz handelt, nehme ich an, dass Zeitdruck eine Rolle gespielt hat bei diesen, seien wir ehrlich: lässlichen Sünden. Plus, das stimmt, ein Totalausfall in der Abwehr, sprich: beim Lektorat. (Ich finde übrigens fast Austers Ausdruck für den fallenden Topf etwas gesucht-literarisch, und Schmitz› heftig scheppernde Version natürlicher. «Klappern» ist ja das Gegenteil von»abrupt», das Gegenteil auch vom «ping», denn es ist «klapp, klapp, klapp».)

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