Langnasen-Hikikomori

Der Grant hat mich in seinen Fängen. Seine schwärigen Pranken auf meinem alten Fleisch, die Krallen in der Leber, so versucht er mich herumzudrehen, damit er seinen finalen Biss anbringen kann. Ich wehre mich so gut es geht und schiebe ihm – als amuse geule gedacht -, die gesamte spanische Tiki-takanaccio-Mannschaft in den Rachen, schütte eine Flasche Carbernet-Merlot hinterher. Der Jim Beam ist auch schon gemixt. Aber der Drecksack kriegt einfach nicht genug. Nicht mal das viele Eisen half, nicht die vorteilhaften Spiegelbilder im Geisteszentrum, die mich zeigen wie ich mich fühle und nicht wie ich wirklich aussehe. Nichts, nichts, nichts.

Ich habe die Krise. Die Euro-Krise sowieso, muss man nicht speziell erwähnen. Vielleicht ist es die postromanische Depression? Soll es geben. Wie auch immer. Ich rege mich schon auf, wenn irgendein Arsch das kommende «Sommer-Wetter» preist. 37 Grad! Sind die noch bei Trost? Oder sind es nur die normalen Wiener Frühpensionisten, die mit 37 Jahren für immer von Arbeit frei, in den Freibädern ihre Schnitzel mampfen? Fuck’em all!

Der Grant macht aus mir einen Hikikomori.
Ich liebe die Japaner. Die wissen über die wichtigen Dingen des Lebens Bescheid. Essen, Kampfgeist, menschliche Distanz und Disziplin. Wäre ich nicht so ne verdammte Langnase, würde ich mich einem Aufräumtrupp in Fukushima anschließen.
Und sie haben schöne Worte für schlimme Zustände.

Hikikomori, ist so eins.

Die halten sich wohl für was besseres

Eine Wiener Grünen-Politikerin fährt im Knüll (kolportierte 1,9 Promille?) auf ein anderes Auto auf, und schon hat der Boulevard seine Sensation, und der Wiener Spießer seine Hetz: Eine Grüne, eine Frau, in einem Auto. Das darf schon mal gar nicht sein. Grün & Auto, das ist in den Augen des Spießis, wie FPÖ und Islam.

Nun ja, wir habens schon immer gewusst: Die Grünen sind eh wie alle anderen.

Was die Grünen aber letztendlich total diskrediert: Die Politikerin ist sofort nach dem Unfall von allen Ämtern zurückgetreten.
Da sieht man’s wieder: Die halten sich für was besseres!

«… sein kostbares Pulver zu injizieren.»

Einmal schickte ich ein unfertiges, schlampig überarbeitetes Typosskript an den Verlag und erhielt vom Lektor den Bescheid, dass das Ding «eine Menge schiefer Bilder und falscher Metaphern» enthalten würde. So kann’s gehen. Das Typos kam zurück. Richtigerweise. Es hätte aber auch in Druck gehen können, und ich hätte  den Büchnerpreis gekriegt.

Lief aber nicht so. Es lag vielleicht daran, dass ich keine dreiteiligen Anzüge trage, kein katholischer Ayatollah, kein Kämpfer gegen Blasphemie, und kein Bildungsscheinriese, mit einem Wort: dass ich nicht Martin Mosebach bin, jener Büchnerpreisträger, der nicht schreiben kann, und neuerdings Blasphemie hart bestraft sehen möchte. Vermutlich muss der Blasphemiker alle Mosebach Bücher lesen.

Das Schöne an jeder Giftpflanze: das Antidot wächst gleich daneben. Und wer sich auf Niveau köstlich amüsieren möchte, sollte folgenden Link anklicken (oder was auch immer):

http://jungle-world.com/artikel/2008/05/21117.html

Der Mann, der Autor, Peter Dierlich mit Namen, der sich Mosebachs Roman «Ruppertshain» annahm, dieser fast 500 Seiten Schmonzette, in der sich Leute «kostbares Pulver injizieren», dieser Mann ist so wunderbar klug,  gebildet und sprachgewandt, wie er von Mosebachs Geschwurbel angewidert ist.

Lest es. Es ist heilsamer Litera-Rock’n Roll.

Videobeweis für mein Leben

Gut, der Sack war über der Linie. Na und? Hat der Torrichter halt nicht gesehen. Oder wollt’s nicht sehen. Aber warum soll’s dem Fußball besser gehen als uns, die wir nicht spielen sondern leben müssen, mit all den Ungerechtigkeiten, der Unfairness, der Übervorteilung, der Demütigung, der Schmach, dem Tod und verlogenen österreichischen Politikern. Wenn die im Fußball den Videobeweis einführen, dann kuck ich erstens nicht mehr, und zweitens fordere ich den Videobeweis für’s Leben. Für mein Leben.

Dann könnt ihr sehen wie ich schufte und tue, wie ich trainiere und schreibe und einkaufe und für einen verdammten Haufen Kinder koche, wie ich freundlich E-Mails beantworte, Aussendungen gestalte, Bücher setze und Manuskripte lese, wie ich Türen repariere, Waschmaschinen, Schuhe, Brillen und Kinderspielzeug, wie ich Glühbirnen wechsle, abgeschmetterte Gesuche in den Mülleimer stopfe und Löcher in meinen Hosen, wie ich den Müll runtertrage und die tausend Flaschen, die ich jeden Abend leer mache, in den Glascontainer knalle, und wie ich vor dem Einkauf meine Groschen umdrehe.

Das könnt ihr mit dem Videobeweis sehen. Und dann halte ich meinen Steuerbescheid in die Kamera. Da könnt ihr erkennen, was mir das alles einbringt. Das habt ihr davon, ihr Videobeweisforderer! Das wird euch eine Lehre sein. Und ihr werdet demütig zu den Ungerechtigkeiten des Fußballs zurückkehren, und euch nie mehr darüber beklagen.

Und noch immer stimme ich dem schottischen Trainer William «Bill» Shankly vollauf zu, der da sagte: «Es gibt Leute, die denken, Fussball ist eine Frage von Leben und Tod. Ich mag diese Einstellung nicht. Ich kann ihnen versichern, dass es noch sehr viel ernster ist.»
Für sowas gibt es keinen Videobeweis.

Preise und Hämorrhoiden

Otto Sander, der Schauspieler (gibt’s einen anderen?) hat mir heute seine Preise gezeigt. Mannomann, ganz schön viele. Auch eine große Pfeife ist darunter, und so Ernst Lubitsch Zeuch und so, steht alles in seiner Wohnung. Tolle Staubfänger, wie’s bei Ray Chandler heißt, und Ray Chandler habe ich geliebt und liebe ihn immer noch, mein Gott, was habe ich gelacht beim Lesen seiner Bücher, und, verdammt noch mal, es gibt keinen der besser schreiben konnt als er.

Jetzt hat Otto Sander auch einen Film gemacht. Und auch Jane Fonda und Pierre Richard und Geraldine Chaplin. Überall vögeln nun die Alten rum, entführen Flugzeuge, reden übers Ficken. Sie leben in WG’s und wollen uns klarmachen, dass sie auch noch da sind, und dass Bumsen im Alter supernormal ist, und wir, die noch nicht so Alten, das gefälligst zu schlucken haben, und Geld zahlen, um uns das im Kino anzusehen, wie sie, die Alten übers Bumsen reden, Flugzeuge entführen und sich in der Badewanne gegenseitig berubbeln.
Und die jüngsten der Filmemacher machen Filme in denen sie uns zeigen, wie gestörte Arschlöcher sich kleine Jungs halten und missbrauchen. Und auch sie wollen, dass ich Geld zahle, um mir das anzusehen.

Aber ich bin gerade ein bisschen störrisch. Weiß auch nicht woran das liegt. Vielleicht weil ich selber alt werde und demnächst Bücher schreibe, wie ich als Alter Arsch mich ans junge Fleisch schmeiße, oder zumindest so mittelalt rumtue, wie Meryl Streep und einer der Baldwin Brüder. Okay. Meryl ist ziemlich sexy, fast so sexy wie Rays Stil, aber ich finde trotzdem sie sollten alle mal halblang machen, mit ihrer «Welken-Fleisch-Beschau».

Alt ist nicht sexy. Alt ist scheiße. Eine Zumutung der Natur, und ich verstehe alle die des Jugendwahns fette Beute werden.  Weisheit ist ja auch nicht mehr, was sie mal war, und heute orientiert sich der Mittelalte nicht am Alten sondern fragt das Kind um Rat, dem er in allem nacheifert. (Sieht man prächtig in der Schweiz)

Und das ist, meine Lieben, echt keinen Film wert. Nicht mal einen Preis. Denn immer noch gilt das Wort von Billy Wilder: «Mit Preisen ist es wie mit Hämorrhoiden: Im Alter kriegt sie jedes Arschloch.»

Das Sprüchemuseum (10)

«Griechenland ist das Land, in dem die Verurteilung eines «Fakelaki-Empfängers» (Bestochener) nur durch ein Fakelaki erwirkt werden kann.»

(Der griechische Schriftsteller Andreas Nedomanlikakis in einem Interview mit dem Rolling Stone.)

«Goldene Tage»

«Ein junger Krimineller, ein Touristenabzieher im Süden, verbringt den Großteil seiner Tage auf einem Hügel sitzend und beobachtet die Fremdenlegionäre beim Schlauch. Das ist es, was er eigentlich auch will. Warum? Er weiß es nicht genau. Aber er findet nicht den Mut, durch das Tor des Camps zu gehen. Er redet sich ein, dass dazu ein «ordentliches» Verbrechen nötig wäre.
Und so landet er mitten in den Jugendunruhen der achziger Jahre, den Häuserbesetzungen und Straßenkämpfen. Er lernt den alten, publikumsmüden und nur noch für sich selber schreibenden Schriftsteller Andreas kennen. Dieser nennt ihn «Rambo Rimbaud», und erzählt ihm von den sagenumwobenen Goldtransporten der Bahnpost. «RR» weiß nun, was er will. Dieses Gold klauen.
Und während die Straßen brennen und die Luft nach Tränengas riecht, feilt «RR» an seinem Plan. Er hält sich über Wasser mit Diebstählen und Einbrüchen, nutzt die «Bewegung» als Tarnung, schläft mit der schönen, flatterhaften Denise, verliebt sich in Zora, die Frau eines Freundes und ist manchmal einsam. Dann hört er Nick Drake, die einzige Musik, die ihm nicht auf die Nerven fällt, und verwandelt seine Küche in eine Gipsskulptur.
Und während auf den Straßen die Gewalt hochkocht, wagt er den Coup. Mit der Hilfe von Andreas. Aber diese Hilfe ist teuer …»

Das ist, in etwa, die Synopsis von «GOLDENE TAGE», dem Roman, den ich vor zwei Tagen beendigt habe. Im Herbst wird er erscheinen. Es ist ein «Roman troubles», ein Unruheroman.
Der Bericht eines «Scheißkerls», dem jede moralische Konvention egal ist.

«Goldene Tage» ist ein Roman aus dem Auge des Hurrikans. Mittendrin, und doch mit kühler Distanz, schildert «Rambo Rimbaud» die Anliegen, Kämpfe und Schlachten der «Bewegung» der achziger Jahre. Und seine eigenen auch.

Penalty

Hab ich denn nicht immer was zu meckern?
Aber ja doch. Fußball. Die Spiele dieser EM sehen aus wie die europäischen Flughäfen. Irgendwo steht, wo man gerade ist. Aber sonst gleichen sich die Dinger wie eineiige Zwillinge.
Kurzpassspiel. Tiki-taka. Nicht nur von der iberischen Halbinsel. Auch die Azzuri, die Germanen, die Briten. Globalisiertes Gekicke.
Nach einem halben Dutzend Spiele fragt man sich müde, wo denn der gute alte, nervtötende Catenaccio geblieben ist? Oder das laufdepperte «kick and rush» der Briten? Sack nach vorne, Flanke, Kopfball, Tor. Wie gute Prosa.
Jetzt sieht man alleweil geschicktes Ballgeklöppel.
Oh yeah, ich bin alt. Und vor allem: Ich versteh vermutlich nichts von Fußball. Aber das Maul drüber zerreißen, das kann ich noch.

Eric Cantonas macht jetzt Filme. Und der Vorgänger von Wayne Rooney, Paul Gascoigne wird im Ruhestand das tun, was er schon im Vorruhestand getan hat: Gurgeln und stolpern bis die Flanke kommt.

Aber all das beklagte ich schon zur WM 2010 (Danke, Michael). Ich wiederhole mich. Aber dass ich mich noch an meine Wiederholungen erinnere, beruhigt mich doch ein wenig. 2010 wurds dann noch richtig gut … Oder doch nicht?

Sunday morning moaning-blues

Kürzlich hab ich am Fernsehen wieder mal einen Film von Fatih Akim gesehen. Er hieß «Auf der anderen Seite», und war Scheiße. Und wie fast immer bei «künstlerisch wertvollen» und mit Preisen zugekackten Filmen, musste er auch noch Überlänge haben. Schmerzhaft. Ich hasste alle Personen in dem Film und hoffte, sie würden eines grausamen Todes sterben. Das war aber leider nur bei 2 der Fall. Oder waren es 3? Jedenfalls zu wenig. Komisch – unfreiwillig allerdings – war er nur, als bei Hanna Schygulla in einem Hotelzimmer in Instanbul der Schmerz über den Tod ihrer Tochter herausbrach und sie sehr eigenartig schrie.
Aber das Hotelzimmer fand ich schön.

Die ganze Zeit dachte ich daran, was ein Künstler wie Aki Kaurismäki aus dem Stoff gemacht hätte. An dem Stoff gab es eigentlich nichts zu bemängeln. Aber Fatih Akim hat für jedes Problem das beim Schreiben des Drehbuchs auftauchte, die simpelste und dümmste Lösung gewählt, eine, die jeden halbwegs intelligenten Zuseher beleidigt. Ein ziemliches Gestümpere. Kein Tempo, kein Drive, kein Zug aufs Tor, keine Lakonie. Und das an die zwei Stunden. Wie ein Roman von Adler Olson: Auf 500 Seiten ausgewalzter Wortmüll, der von einem einzigen wahren Satz eines richtigen Schriftstellers hinweggefegt wird. Wie getrocknete Ziegenköttel bei Nordföhn.

Aber so ist das in dieser Gesellschaft. Man muss sich nur die Bestsellerliste ansehen. Das sagt mehr über uns aus, als alle soziologischen Studien.

Manchmal weiß ich nicht, was ich machen würde, wenn es nicht doch noch die richtigen Künstler geben würde, die richtigen Schriftsteller, die richtigen Filmer, Komiker und Artisten. Wenn ich an sie denke, verspüre ich ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit, weil ich weiß, dass sie mir das Leben retten…

Das Sprüchemuseum (9)

«Ich mag diesen Mann nicht. Er fragt zu viel. Er will alles wissen. Er ist wie ich. Aber ich will die einzige sein, die so ist.»

Ella, 8 Jahre. Ihr Kommentar zu einer Szene mit Kevin Kline im Film «Dave».