hypokrit.cologne 4711

Die phil.cologne lädt den Philosophen Peter Singer wieder aus. Wegen eines Interviews, in dem Singer sich  u. a. zum Thema behinderte Babys und Embryonen äußerte.

Tja, man weiß halt nie, wen man sich da eingeladen hat, denn der Singer sagt und schreibt ja sonst nix.
Und wer mag schon Diskussionen mit Leuten, die nicht dieselben Ansichten haben wie man selber?
Vielleicht sollte sich die phil.cologne einen anderen Namen zulegen.
Wie wär’s mit hypokrit.cologne 4711?

Visagen

Ich erinnere mich an eine Zeit. Es hieß:
Man muss nur in ihre Visagen sehen!

Diese Zeit ist immer noch.
Seht sie euch an, die FIFA-Visagen. Zum Beispiel…

Noch Fragen?

Wenn auch Teilen nichts mehr hilft

Wie naiv Max Moor’s Lösungsvorschlag (siehe „Max Moor teilt“) des Flüchtlingsproblems, und sein Aufruf zum „Teilen“ war, kann man derzeit in einem Ösi-County, im Salzburgischen sehen.
Ein Neos-Poliktiker und Gastwirt wollte seine zur Zeit leerstehende Pension mit den Flüchtlingen, die bei 3 Grad Kälte in sumpfigem Gelände in Zelten campieren müssen, teilen. Wollte er. Der Bürgermeister aber, ein Mitglied der christlichsten aller Parteien, der ÖVP, wusste es zu verhindern. „Mit allen Mitteln» will er gegen dieses Teilen kämpfen.
Was sagt man in solchem Fall: Sieg heil! oder doch eher Fick dich, Heuchler?

Sagt der Klempner (2):

„Zugegeben, ich rieche ein bisschen, vor allem gegen Abend hin, denn oft schwitze ich wie Sau, wenn ich unter den Spülen herumkrieche und die verstopften Syphons der Waschbecken aufschraube und den verfilzten Pelz eines Bibers rausforchle … is natürlich kein Biberpelz, sondern der Pelz der Frau des Hauses, der Frauen des Hauses. Und in der Zeitung lese ich dann von einer Kolumnistin, dass wir Männer stinken, in der U-Bahn, der Tram und so, Achselschweiß und ungewaschene Füße, und alles was Mann ist, ist irgendwie scheiße und stinkt, aber wenn die Damen an einem vorbeiziehen, dann klatscht mir das billige Deo ins Gesicht wie eine flatternde Lastwagenplane, ich meine, ist das dann gut? Oder eben nur die Kosequenz der mangelnden Quote, weil sich die Frauen kein teureres Deo leisten können? Und das ist dann bereits wieder mein Fehler?

Und wieso gendert eigentlich niemand: Mörderinnen und Mörder, Einbrecherinnen und Einbrecher, Spekulantinnen und Spekulanten, Vergewaltigerinnen und Vergewaltiger, Steuerhinterziehrinnen und Steuerhinterzieher?»

Sagt der Klempner:

«Manchmal seh ich mir im TV die Sendungen „Nano“-„ttt“-„Kulturzeit“-„Aspekte“ an.
Ich frag mich warum? Apokalyptisches-Aufrüttler-TV. Flüchtlinge, Klimaapokalypse, Krieg.

Und in all diesen Sendungen soll ich aufgerüttelt werden. Ich und die anderen Siechen, die sich das noch ansehen. Man darf nicht wegsehen, wird mir gesagt. Nun, ich würde liebend gerne wissen, wie man denn wegsehen könnte.
Überall sind Aufrüttler an der Arbeit. Sie verdienen im Monat soviel wie ich im Jahr, wenns denn Scheiße kommt, und meine Kunden nicht zahlen. Und sie haben dazu noch diesen „Aufrüttler-und-du-musst-hinsehen-Job», der ihnen auch noch ein gutes  Gefühl beschert, das unbezahlbare Gefühl, etwas zu tun, ein Teil der Lösung zu sein, nicht wie ich – ein Teil des Problems. So unaufgerüttelt, wie ich bin.

Neulich habe ich in der U-Bahn ZIvilcourage bewiesen und habe nicht weggesehen, als drei Typen einen Schwarzen aufgemischt haben. Hab einfach hingeguckt, kaum geblinzelt. War nicht schön, wie der geblutet hat. Aber ich habe hingesehen. Schätze, es hat dem Typen nicht viel genützt, ich meine, es hätte ihm vielleicht mehr genützt, wenn ich den Arschgeigen eins mit der Rohrzange übergebraten hätte, aber wenigstens hab ich nicht weggesehen. Das ist doch schon mal was, oder? Hat mich ganz schön aufgerüttelt und ich musste dann zwei Bier trinken, bis ich wieder entrüttelt war.

Schätze, das Hinsehen würde mir mehr Spass machen, wenn es mir Spass machen würde, jemanden leiden zu sehen. Finde ich aber nicht so gut. Vielleicht sollte man was tun. Andererseits, will auch noch nicht sterben.
Wie ich das so sehe, ham die Deutschen und die Ösis auch hingesehen, als die Nazis die Juden zum Straßenputzen aus den Häusern gejagt haben. Da hat doch kaum einer weggesehen. Sicher nicht in Wien. Des woa a Hetz, wie der Herr Karl gesagt hat.

Also, mal ehrlich, ich weiß nicht so recht. Die professionellen, gut bezahlten Aufrüttler, meinen es sicher gut. Das ist vielleicht auch ein Problem…»

Der Erzähler und der Esel

„Alles Geschriebene ist Sauerei“, schrieb Antonin Artaud. Kein komplizierter Satz, aber auch nicht eingängig, und ich habe ihn bis heute nicht verstanden, was nicht viel zu bedeuten hat, denn ich habe noch eine ganze Menge nicht verstanden.

Es gibt allerdings eine Art von Autoren, die sich, so macht es den Anschein, Artauds Spruch zu Herzen genommen haben: Die Erzähler.

Sie schreiben nicht, sie lesen nicht; sie sprechen, sie erzählen Geschichten, Sagen und Märchen, sie begleiten sich mit Instrumenten oder auch nicht, sie stellen sich vor ein Publikum und lassen los. Es sind dies die Urväter und Urmütter der Slammer, die Nachkommen von Fahrenden, Jenischen, Vaganten und Streunern, Nachrichtenübermittler und Quatschgauner, Schlitzohren und Lügenbarone, und alles in allem, die entfernten Cousins der Schriftsteller – nur meistens für ihre Vorträge besser bezahlt.
Da dürfen wir ruhig ein bisschen neidisch sein.

Einer dieser Erzähler ist Martin Niedermann, und der hat sich nun auf einen 10-wöchigen Erzähltrip durchs schweizerische Gebirge begeben. Zusammen mit seinem Eselwallach Noldi. Könnte anstrengend werden, abenteurlich, verregnet, verhagelt und eine Pleite. Oder auch das Gegenteil davon. Wir hoffen es. Wir hoffen auch auf einen mitreißenden Blog (eine Sauerei!), denn Martin Niedermann schreibt eine Art Reisetagebuch. Sein Blog ist links in der Blogroll zu finden:

Blog:Der Esel und ich.

Wir wünschen ihm immer eine handbreit trockene Luft über dem Kopf.

Herzlich Willkommen

Stimmt’s?

Es gibt keine richtigen Schriftsteller mehr, sagte er, und sein Freund daneben stimmte ihm zu, aber ich sagte, stimmt nicht, und da sagte er, keine guten Schriftsteller, Blödsinn, sagte ich, und er sagte, dann nenn mir doch welche – aber deutschsprachige, und dann nannte ich ihm welche und sagte, ich könne noch mehr nennen.

Dann wechselten wir das Thema.
Später dachte ich, dass es eine Zeit gegeben hat, in der ich seiner Diagnose zugestimmt hätte. Aber diese Diagnose war irgendwie postpubertär willfährig und hat vielleicht damit zu tun, dass wir nicht mehr jung sind, aber es gerne noch wären, wie damals, als es noch Bücher gab, die einem Angst einjagen konnten und aufwühlten, jenseits von Horror und Brutalität, sondern einfach, weil wir noch nicht genug wussten über das Leben, und manche Schriftsteller über die Dinge, von denen wir noch nichts wussten, berichteten.

Ich finde, wenn man das akzeptiert hat, gibt es immer noch eine Menge guter Schriftsteller mit guten Büchern, obschon die meisten zu lang sind.

Vor zwei Tagen las ich den Anfang von Daniil Granins Roman „Mein Leutnant“, eine vollkommen reine Prosa, so knapp und getränkt von Kenntnis des beschriebenen Gegenstands (ein Luftangriff der Wehrmacht) und so tief und wahr und aufrichtig, dass ich dieses innere Zittern verspürte, diese Gier nach Prosa und Magie.

Es gibt ne Menge guter Autoren, aber es gibt kaum noch gute Leser …

Ortsliebe

Nein, sagte ich, ich lebe nicht gerne hier, aber schon ziemlich lange. Das gefiel ihr gar nicht. Sie war beleidigt. Wo ich denn gerne leben würde, fragte sie, und ich antwortete, vermutlich nirgendwo – auf Dauer.
Aber das reichte ihr nicht. Sie hielt mich für einen Deutschen und von so einem war man es gewohnt, ja, man erwartete einfach, dass er sehr, sehr gern in Wien lebte. Ein Deutscher hatte gleichsam die Pflicht, liebend gerne hier zu leben.
Wieso ich denn an einem Ort lebe, wo ich nicht gerne lebe, fragte sie, und ich antwortete, dass ich keinen Grund sähe, gerne an dem Ort zu leben, an dem ich lebe.
Das war zuviel, das schockierte sie. Sie wurde sauer. Sie stand auf.
Ich finde, sagte sie, man sollte nur an einem Ort leben, den man liebt.
Ganz im Gegenteil, sagte ich.
Aber da war sie schon weg.
Glück gehabt. Denn wer’s nicht auf Anhieb versteht, versteht es nie.

Krimi ohne Namen

Es ließ uns keine Ruhe. Nach einer miesen Nacht, beschloss die Redaktion, die angebotene Hilfe der Lady die unsere Crystal Meth-Schälchen befüllt, anzunehmen. Und so kam es, dass ein guter Freund der Lady, das trunksüchtige, zweifelhafte Privat-eye, Filip Marlowski, in der Redaktion vorsprach, wo er sich gleich mit Pepita, unserer 17-jährigen Türsteherpraktikantin, fetzte.
„Du kommst hier nich rein!»
Der Typ im fleckigen Trenchcoat, nach Inländerrum stinkend, gab ungerührt zu Protokoll, dass er der reinkarnierte Jörg Fauser sei, und dass „das Mäuschen“ hier keinen Zickinger aufziegeln soll, „bitterscheen“, weils sonst ganz mächtig was auf die „Prune“ geben werde und so weiter und so fort.
Das kam bei Pepita natürlich nicht so gut.
„Wer bist du denn?“, bellte Pepita, „Conchita, ohne Wurst und Bart aber mit extraenger Pussy?“
Jeder hier in der Redaktion, der bis jetzt noch den Anschein gewahrt hatte, zu arbeiten, verfiel in eine Art freudig erregte Starre und glotzte zur Tür.
Die Lady hatte ihr Meth-Beutel-Öffungs-Bajonett sinken lassen, stand einfach nur da und lächelte selig, denn das war ganz nach ihrem Geschmack. Unsere bequeme Weicheier-Existenz, und dieser ganze „Intellektuellenfirlefanz“ – wie sie es nannte – pochte schon tüchtig an ihrer Marille, und man konnte sehen, dass sie insgeheim darauf hoffte, dass die Sache nett eskalierte. Könnte sein, dass sie heute glücklich wird, denn es sah ganz nach Eskalation aus … (Fucking Cliffhanger…)

Falsch mureh kritisch

Ratlosigkeit in der Redaktion.
Beinahe minütlich schießen bei uns die Mails in die Box, in denen besorgte Menschen – die auch schon mal ein Buch des Verlages erstanden haben – sich erkundigen, warum wir denn nicht bei all diesen an jeder Ecke entstehenden Kleinverlagsschauen vertreten sind. Zum Beispiel bei dem Ding im Muqua oder bei den „Kritischen Literaturtagen am Yppenplatz“ oder warum wir nichts von den „Kritischen Literaturtagen in Salzburg“ gehört haben oder gar angefragt wurden?

Wir wissen es nicht.

Jemand meinte, dass wir vermutlich nicht kritisch genug sind, worauf der Oldie herumpflaumte, was das denn sei „ein kritischer Verlag“, und unsere 17-jährige Pepita, die gestern die Aufnahmeprüfung für das weiterbildende Türsteherseminar vergeigt hat, maulte, er soll sich doch brausen gehen, der Alte, sie, Pepita, stehe doch für Kritik und kritisches Mustern der Einlasswilligen, was die Lady, die unsere Meth-Schälchen befüllt, zu einem Kommentar provozierte, der unverstanden in ihrem Gehuste unterging und sie leider wieder mal ins Stolpern brachte, so dass wir unsere Jausenmethportion zum ungezählten Mal auf unseren Knien, durch extralange Trinkhalme vom Fußboden ansaugen mussten, Trinkhalme, die der Oldie von seinem letzten Ballermannbesuch von Malle mitgebracht hatte, ein Mitbringsel, das bei jedem Einsatz einen mächtigen Streit auslöst, weil Pepita behauptet es heiße Mallorka und nicht Maijorca, wie unser Oldie dauernd proletet. Na ja.

Dann, in die explosiv aufgeputschte Stille hinein, sagte jemand, dass wir schon kritisch seien, aber halt falsch.
Das brachte ganz hinten im Saal, dort, wo wir nur Spinnweben und den letzten Fingernagelschnitt von Jim Morrison vermuten, ein helles Lachen hervor und dann hörten wir den Spruch aus einem Woody Allen-Film: „Ich hatte einen Orgasmus. Aber es war der falsche.»

Kein Wunder, werden wir nie eingeladen. Oder um es mit einem paraphrasierten Wort (wir kennen schon geile Worte, was?) von Groucho Marx zu sagen: „Wir möchten nicht Aussteller an einer kritischen Verlagsschau sein, die uns als kritische Aussteller akzeptiert.»

Das wird uns bestimmt noch leid tun.