Wandering Andy

Über die Nase, über den Kaien, obe nach Eggersriet, rüber nach Goldach, hin nach Mörschwil, das war es, was ich heute zu Fuß ergangen habe. 4 Stunden. Nonstop. Mit 1 Liter Magnesiumwasser und einem Rohschinkenbrot. In St. Gallen dann einen «Schiller» für 6,80 im «Hörnli».
Ich hab eine Menge geweint, aber warum, sage ich nicht.

Nur eins: Auffallend die Veränderungen in den Gepflogenheiten des Grüßens, je näher man dem Bodensee kommt. Hier, in Wald und Umgebung, grüßen alle alle. Ab Eggersriet nur noch gelegentlich. In Mörschwil grüßen die Schulkinder nicht, ihre Eltern verziehen irgendwie atavistisch das Maul, und die Großeltern nicken zumindest noch.
Auch sieht man dort des öfteren dicke Kinder.
Ich mag Appenzell.

Fahne im Wind

Der österreichische Bundeskanzler, dessen SPÖ gerade wieder eines übergezogen bekommen hat, meint im Standard-Interview: Ich bin keine Fahne im Wind.
Spricht er in Rätseln? Handelt es sich um eine gefinkelte Allegorie? Und wenn ja, was könnte er damit meinen?
Dann plötzlich hab ich es. Er meint, dass es jetzt, wo die Sozialdemokratie möglicherweise einen Change so nötig hätte, wie eine Leiche eine Beerdigung, nicht der Zeitpunkt sei, den eingeschlagenen Weg zu verlassen.
Das ist das österreichische Verständnis von Rückgrat: So lange es noch geht, sich jedem (Kronenzeitung usw.) in übelster, opportunistischer Weise andienen, und dann, wenn wirkliche Änderungen gefragt sind, auf stur schalten.

Vielleicht hat er sich aber nur versprochen und meinte eigentlich: Ich brauch ein bisschen Wind unter der Fahne. Wer weiß das denn schon? Und wen interessiert’s? Bei dieser ÖVP-Alleinregierung mit SPÖ-Grinsekanzler?

Seminettes Sonnett am Sonntag (Wieder Lesung im Hirschen)

Die Rollos blieben unten, die Luft war bräsig
Tausend Fliegen tobten durch den Saal
ich gab ihnen einen aus, ein «Sauser»-Mahl
aber sie mochten’s, glaub ich, lieber käsig.

Die alten Dichter lasen, und auch die jungen Frauen
Die Alten hielten’s, wie ich beim Wohnung fegen,
leidlich schlampig, solala, und, meinetwegen
fragt sich, was ist Poesie? Und was ist Worte kauen?

Die Thurgaulady ließ die Frage offen
sind wir denn Kinder
oder sturzbesoffen?

Und das blieb letztlich auch die Frage
Dichter oder Zeilenschinder?
Die Antwort gibt’s noch dieser Tage.

Dieses Sonett ist nicht so nett (Lesung im Hirschen)

Die Luft im Saal ist schlecht, das muss wohl sein.
Warum? ich weiß es nicht, es scheint der Lesung Wesen
wenn in großen Sälen Literaten ihre Texte lesen
und mir schmeckt heut nicht mal der Wein.

Der Saal ist, das muss ich auch noch sagen,
rundum verglast, mit schöner freier Sicht
ich seh den goldnen Nebel zauseln, nur die Krähen hör ich nicht
und träum bereits von grünen Hügelkuppen, wo die dunklen Wipfel ragen

Die Worte trotten zu mir her, wie müde alte Tiere
ich heb die Hand, will sie streicheln…oder töten
die andern hören zu, und nesteln im Papiere.

Sah ich da den Funken springen, den gewissen Blitz in der Pupille?
Ach, nur Saalichtreflexionen, denn alle tragen Gläser wie zum Löten
Aber nun seht her, wie ich ich das müde Wort mit Brille, kille.

Raptio praecox

«Gaddafi versteckt festgehaltene Schweizer», so titel der österreichische «Standard», um dann fortzufahren: Der libysche Revolutionsführer will sich persönlich um die Rückkehr der beiden Geiseln kümmern, fürchtet aber vorzeitige Entführung durch Schweiz.

Das lob ich mir doch, diese persönliche Kümmern des durchgeknallt gebirnten Campingfans. Auch so ne feine Jounalistenarbeit, find ich sehr lobenswert. Der Meister der Revolutionen fürchtet eine «frühzeitige Entführung». Diese Formulierung hat doch das Zeug, zum Satz des Jahres. Finde ich ebenfalls. Keine «Ejaculatio praecox» sondern eine «Raptio praecox», die direkte Folge einer «Dementia praecox», die Frage ist nur von wem? Vom irren Camper oder dem Mann der schreibenden Zunft?

Das dicke Kind

Lieber Henk,
ich rede nicht lange rum: Deine Aussage, dass es hier keine dicken Kinder gibt, stimmt nicht. Es gibt welche!
Gestern hab ich eins gesehen. In Heiden. Es versperrte mir mit dem Fahrrad den Weg auf dem Trottoir. Es warf sich gerade ein paar Chips ein, und sah mir entgegen, mit diesem eigenartigen, irgendwie tot aussehenden Gesichtsausdruck, den man oft bei Teenagern ausmachen kann; dieser innerliche Geburtsvorgang in einem verklumpten und verklebten Gehirn.

Das Kerlchen war echt fett, und es bewegte sich naturgemäß nicht einen Millimeter, drehte das Vorderrad nicht ein, damit ich durch konnte, ohne auf die Straße zu treten. Ich weiß nicht, wie es dir ergeht, aber dicke, mampfende Kinder mit stupidem Gesichtsausdruck machen mich latent aggressiv. Ich muss immer an mich halten. Cool, cool bleiben, Alter.

Aber beinahe auch schon naturgemäß, latschte ich einfach in dieses Vorderrad rein, und ein paar Chips flogen durch die Luft. Ich blieb stehen. Ich hegte die nicht unbegründete Hoffnung, dass Kerlchen mich vielleicht beschimpfen möchte. Weil, und jetzt kommt es, ich wollte ihm Schmerzen bereiten! Das war mein Begehr. Feine, kleine Schmerzen, aber so, dass mir niemand was anhängen konnte. Keine Schläge oder ähnliches. Nur ein schneller Griff in die Haare, zupacken und drehen. Feines Peinchen, mein Lieber.

Erinnerst du dich noch, ans «Grännihaar»? Der Haarbesatz vor den Ohren, an der Schläfe, an dem uns die Erzieher so gerne aufzogen. Möcht ich auch tun, mein lieber Henk, ich gestehe es freimütig, ich wollt’s auch tun.

Aber Kerlchen schimpfte nicht. Es war halb versunken in seinem hochkalorischen Urschlamm, das es sich als Chips in’s fette Mäulchen schob. Schätze mal, es machte sich dann auf den Weg in sein Supi-dupi-Einzelzimmer, schiss auf dem Weg durch die Wohnung noch schnell Mutti zusammen, die was von «Vati» murmelte, und griff nach dem Joy-Stick.

Dieses Kerlchen wird seinen Eltern noch richtig Freude bereiten, soviel ist gewiss, und sie werden es bedienen wie Sklaven. Irgendwann, auf dem bitteren und langen Weg ins Altenheim, werden sie vielleicht noch die Gelegeheit haben, in einer Fernsehsendung ihr Leid der versammelten Nation klagen zu können, ganz kurz bevor Kerlchen Mutti und Vati mit einem stumpfen Küchenmesser abschlachtet.

Das, lieber Henk, ging mir törichterweise so durch den Kopf, während ich weiterging. Ich lächelte in mich hinein, und wusste auch nicht genau, warum eigentlich…

2. Sommerende im Birli

Der Sommer ist zum 2. Mal vorbei
die Bäuerin trägt nun lange Hosen
die Straßen Kuh-verschissen
welk des Busches Rosen.

Die Wäscheleine ledig
wo sonst der Kinder Sachen hingen
eine einsame Klammerfeder rostet
und träumt doch nur von nassen Dingen

Die Sonne wird schon tief geboren
die Schatten wachsen lang und länger
ich blinzle in ihre Abendshow
blick betrübt auf meine Nagelränder

Bei Lunzers reift der junge Wein heran
rot und perlend golden
wir werden ihn bestimmt auch nötig han
dann und wann
unser› Trübsal zu besolden.

Jeder wählt doch sich selber

Man mag Wahlen in Österreich schon gar nicht mehr kommentieren. Höchstens noch die Kommentatoren, die sich nun alle in die Bresche für den FPÖ-Wähler werfen der mit seiner Stimme die Partei in Vorarlberg praktisch verdoppelt hat (25%).
«Sind diese Wähler nun Nazis oder Antisemiten? Nein!» fragt ein Kommentator und gibt die Antwort gleich selbst.
Stimmt, sage ich. Wozu noch Nazi sein, und öffentlich ein unangenehmes Bekenntnis abgeben. Es reicht doch in der Wahlzelle anonym seiner Niedertracht ein Kreuzchen zu malen. Wir wählen ja doch immer nur uns selber. Und darum ist auch jedes Politikerbashing obsolet und «a bisserl» verlogen.

Aber ein Wort zu Bundeskanzler Faymann sei doch verloren, dem großen vorsitzenden Lächler der Loser-SPÖ. Sein Kommentar zum Sausgruber-Sieg: «… dass die Attacke der Vorarlberger FPÖ gegen den Direktor des Jüdischen Museums in Hohenems, Hanno Loewy, sowohl ÖVP als auch FPÖ genützt habe: Sausgruber habe das Polarisierungspotenzial zudem sofort erkannt und mit seiner Reaktion gegen die FPÖ das Überraschungsmoment genutzt.»

Jawohl, Kanzler, honni soit qui mal y pense, Sausgrubers gutes Ergebnis ist nur dem Erkennen des «Polarisierungspotentials» geschuldet. Dass da vielleicht auch noch ein Rest Anstand des ÖVP-Mannes (und das sag ich jetzt nicht wahnsinnig gerne) eine Rolle gespielt hat, darauf kommt der Kanzler nicht, und dies sagt mehr über ihn aus, erzählt uns mehr, wie dieser Manno tickt, als all sein Dauergegrinse. (Erinnern wir uns an den Kotau vor dem Herausgeber der Kronenzeitung)
Vielleicht täte es not, dass auch Leute der SPÖ einfach noch so einen Rest an Berührungsängsten mit diesem hetzerischen Gesocks der FPÖ und der Kronenzeitung, an den Tag legen würden…

Aber ich gehe jede Wette ein, dass die SPÖ sich noch mehr an die FPÖ ranschmeißen wird. Sie weiß ja, wie’s geht…

Mehr Kunst und Kultur für Pünktlichkeit!

Der vermutlich größte Medienmanager aller Zeiten, Hans Mahr (vormals RTL), liebt, so las ich gerade im «Salon Raftl», Österreich. Nun, das ist nicht weiter verwunderlich, denn Mahr ist Österreicher. Aber wenn ein Österreicher Österreich liebt, dann tut er das eigentlich nur zu etwa 10%. 90% seiner Liebe ist Aversion und einem diffusen, aber umso so mächtigeren Überlegenheitsgefühl geschuldet. Und zwar dem «Piefke» gegenüber. Aber was war da los?

Nun, es begab sich, dass der Austrian-Airlines-Flug Moskau-Wien etwa 1 Stunde Verspätung hatte, just am Tage der Faust-Premiere im Burghteater. Der Mahr Hans sagte dem Piloten er solle «a bissl Gas» geben, denn er habe Karten für den «Faust» um 17 Uhr. Und was antwortete der AUA-Pilot? «Was glauben S›, was ich vorhab? Ich hab auch Karten für den Faust!»
Und dann gab er richtig Stoff, holte 25 Minuten auf und alle kamen pünktlich zur «Faust»-Premiere in die Burg. Das war sehr schön. Und Mahr sagte: «Den Lufthansa-Piloten, der mir sagt, ich geb Gas, weil ich Karten für eine Premiere der Berliner Schaubühne ha, den muss man mir erst zeigen.»
Nun, das kann durchaus sein, dass man den nicht so leicht findet. Aus verschiedenen Gründen.
Vielleicht einfach, weil der Flug pünktlich ist? Oder der Pilot einfach so, aus purem Jux und Tollerei, eine Verspätung aufholt? Pflichtgefühl? Verantwortung dem Kunden gegenüber, der möglichweise noch einen Anschlussflug erreichen muss? Oder einfach nur, weil es das Selbstverständlichste der Welt ist?

Aber es ließe sich darüber nachdenken, ob der Trick auch sonst, bei ÖBB und AUA, funktionieren könnte. Täglich eine Premiere im Burgtheater. Oder für die Volksverbundenen unter den kulturbefliessenen Zugführer und Piloten: Musikantenstadlkarten.
Bakkschisch, in Form von Kunst und Kultur, für alle Angestellten. Und ich würde vielleicht endlich ein Mal, nur ein einziges Mal, den Anschlusszug in Feldkirch nach Buchs erreichen, den ich seit einem Jahr wegen Verspätung verpasse.
Wie heißt einer der semiblöden Sprüche, die man jede Woche 10 Mal anhören muss? Ah, ja. Die Hoffnung stirbt zuletzt!
Erinnert mich daran, wieder mal frische Blumen auf ihr Grab zu legen.