Tagebuch eines kunstsinnigen Grobians (3)

Liebe ich die Kunst? Liebt die Kunst mich? Merkt die Kunst – wie das Geld – wenn man sie nicht liebt, und bleibt fern?

Auch gestern, auf der Vernissage einer Kunstaustellung in der Kathedrale eines Berges, blieb die Frage unbeantwort. Nicht ganz. Denn es war gut. Und wann ist etwas gut? Man solle, wie Hemingway sagte, genau beobachten, was es ist, was die Empfindung auslöst. Das ist schwer. Ich sag’s euch. Das braucht Training. Aber es war gut, und es war kühl, und es war nichts, was den Anspruch hatte, „die Menschen aufzurütteln“, eine „politische Botschaft transportierte“. Es war schön gut.
Geht nach Gonzen, bei Sargans, geht rein in den Berg, seht es euch an.

Dann auf dem besten Balkon der Stadt: Wein und Teq und Gespräche über den Rausch.
Ist das heute noch eine Kategorie, der Rausch? Das Angsoffen sein, das Spitzerl, der Fetzen, das Tragerl  war nicht gemeint, sondern Ekstase. Wir kamen überein, dass dies bei uns durchaus noch eine Kategorie war.
Das war auch gut.

Aufrichtiges Tagebuch eines Amateur-Hochstaplers (2.)

In Bregenz war die Luft heiß und schwer und dick, als habe sich der ganze verdammte See darin aufgelöst, und hätte ich meine Machete dabei gehabt, ich hätte gut und gerne ein schönes Stück herausschneiden können, um es zuhause als Sockel für die Hamsterurne zu verwenden.

Dann durfte ich durch die Fenster des Zuges dem ich entstiegen war, zusehen, wie mein Anschlusszug sich von hinnen machte. Natürlich hatte man mir nicht gesagt, dass der wegen der Verspätung auf einem anderen Gleis abfährt. Man ist hier ja nahe an Deutschland, sagte ich mir, und pflügte einen Weg durch die Luft, wackelte schweißtriefend zum See, wo ziemlich was los war. Der Beleuchtung nach zu urteilen, erwartete man hier demnächst einen Fliegerangriff, und ich fragte mich, wie das Jungvolk in dem Dunkel einander erkannte oder ob es einfach wurscht war, wen man dann des Nachts in das verschwitzte Bett zerrte. (Ging eingentlich Sex noch, unter diesen Bedingungen?)

Aber wenigstens ging am See eine Art Wind, und ich schlug die Zeit tot in dem ich auf eine Mole hinausspazierte und in den Bodensee brunzte, während ich in der Ferne die Lichter von Friedrichshafen bewunderte, wo einst meine Großmutter rüberkam und meinen Opa zwang zum Katholizismus zu konvertieren. So ist die Liebe. Oder sowas.

Was ich nachher erleben durfte, war eine Art Hindernisparcours mit verschiedenen Transportmitteln. Das ganze kann man sich als Training für angehende Navyseals vorstellen.
However, ich schaffte es, und saß dann mit meiner Gastgeberin auf dem besten Balkon von St. Gallen, und wusste, jetzt ist nur noch wollen, nicht mehr sollen. Wenn er’s nur aushalt, der Autor!

Das verlogene Tagebuch eines Wahrhaftigen (1.)

In einem meiner Texte fand ich folgenden Satz: «Nichts gegen eine gepflegte Prügelei. Aber ich war bereits in einem Alter, in dem man doch gerne den Grund kennt, weswegen man sich gegenseitig die Zahnprothesen demoliert. Da könnt ihr mich spießig nennen.»

Das klang doch vernünftig. Aber die Verhältnisse, die sind nicht so, wie schon Brecht oder sonst ein Menschenfreund wusste.

Im Bahnhof, auf dem Weg zu einem Zug der mich aus dieser Hitzehölle in Wien in eine andere Hitzehölle in den Bergen bringen sollte, latschte ein Typ in mich hinein. Vielleicht latschte auch ich in ihn hinein, wer weiß das schon so genau. Da geht’s um Nuancen. Nun ja. Seine Schulter fühlte sich weich an, schwammig, wie Pizzateigig auf einem Gummischlauch. Mein Schultergürtel hingegen, ist ziemlich austrainiert, massiv, unter Spannung, hart. Es musste sich für den Typen angefühlt haben als streife er einen übergroßen Hydranten.

Um es kurz zu machen: Er folgte mir und beschimpfte mich übel. Auch irgendwie rassistisch. Er nannte mich Scheißpiefke und anderes aus dem Norden. Klar, denn da kommt das spezielle östereichische Gen zu ihrem Recht: Ich bin Opfer (schon immer) der andere (vor allem der Piefke) ist Täter.

Ich grinste ihn nur verächtlich und gemein an. Von oben herab. So voll teutonisch. Denn wer mich beleidigen kann, das bestimme immer noch ich. Und Wiener-Schwamm-Schultern gehören nicht dazu.
Aber das brachte ihn noch mehr auf. Ich überlegte eine Sekunde lang, ob ich ihm eine Watschen  servieren sollte. Tat es aber nicht. Ich hatte einen Zug zu kriegen.

Aber oben angekommen, verkündete er, dass er mich umlegen wolle, und da blieb ich dann doch stehen und sagte: „Na gut! Komm her!»

Wollte er dann doch nicht. Und nahm die Rolltreppe nach unten. Ich war froh. Nicht wegen der Zahnprothese, sondern wegen dem Zug. Ich musste ihn unbedingt kriegen, und so eine Prügelei hat meistens die Kosequenz, dass alles etwas länger dauert. MIt Cops und so. Der Meister kniff also, und so sitze ich nun  im Zug und sage zu mir: Sei friedlich, Alter. Einfach friedlich!»

Alles Einzeltäter

Ich erinnere mich gut an die 70-er. Ich erinnere mich auch gut, was los war, als die RAF ihren Terror gegen den Staat und seine Repräsentanten aufbaute und ausübte, und ich erinner mich gut, wie der Staat reagierte und mit kompromissloser Härte dagegen vorging. Gefühlt war es so, dass jede Aktion der RAF, überall, auch in der Schweiz, Hausdurchsuchungen von WG’s zeitigten.
Aber das war linker Terror.

Jetzt gibt es rechten Terror.
Und das ist natürlich etwas ganz anderes.
Alles Einzeltäter.
Möchte jemand etwas dagegen unternehmen?

Das Sprüchemuseum (120)

«Und ehe sie nix macht, macht sie lieber etwas, zum Beispiel Leute anzeigen, die sie beleidigen und bedrohen, obwohl dies genau das ist, wozu Twitter erfunden wurde. Weswegen kluge Menschen nicht bei Facebook sind.»

Henryk M. Broder

Wir sagen: Das wir das noch erleben und lesen dürfen! Halleluja!

Arm sein

heißt, den Geräuschen und den Gerüchen seiner Mitmenschen nicht entkommen zu können. Arm sein, macht mich zum Misanthropen. Vor allem im Sommer. Im Sommer denken alle, sie müssen laut sein. Von den Gerüchen will ich nicht einmal reden.
Älter werden heißt, den Winter mehr zu mögen als den Sommer.
Ich liebe schlechtes Wetter, weil geringere Arschlochdichte überall. Auf den Straßen, im Fitnesstudio, im Zoo, im Supermarkt. Schlechtwetterleute – das ist meine Erfahrung – sind die besseren Menschen, rücksichtsvoller, leiser, widerstandsfähiger, großzügiger.

Der Sommer macht mich zum Misanthropen. Dafür hasse ich ihn. Gibt’s eigentlich schon ein Wort dafür? Mistherosop? Ich bin ein Mistherosop. Endlich habe ich mich gefunden…

Solothurner Fahrrad-Tage

Ein interessanter Aspekt der Schweizer Literaturtage war, dass in Solothurn – und wie man hörte-, überhaupt in der Schweiz, nun Fahrräder gebaut werden, die man nicht mehr schieben kann. Es war quälend zu zusehen, wie die Radfahrer sich durch die Meschenmassen schlängeln mussten, und nicht, wie es ihr Anstand eigentlich gebot, abzusteigen und das Rad zu schieben. Hin und wieder gelang es einigen trotzdem. Vermutlich unter Aufbietung all ihrer Willenskräfte. Oder sie hatten noch Velos aus einer andern Zeit, als man noch ungeniert absteigen konnte, um das Rad auf den Gehsteigen zu schieben.

Irgendjemand sollte man mal mit den Herstellern reden. Der Anblick der leidenden Radler ist kaum zu ertragen.