Das Sprüchemuseum (Nr. 48)

«Griechenland gebärdet sich wie eine erpresserische Schlampe, die um jeden Preis ausgehalten werden will. Weigert sich der Deutsche, wirft sie sich dem Russen an den Hals.»

Dr. med. Anna Rainesen

Wir sagen: Liebe Frau Doktor, das sind harte Worte zu einer harten Sache, die noch bedeutend härter werden wird.

Irgendwie süß und widerlich (wie das Dschungelcamp)

In den siebziger Jahren verkehrte ich eine Weile mit Kommunisten. Das war – in mancher Hinsicht – faszinierend. Einige meiner Freunde aus dem Lehrlingsheim waren der Partei beigetreten und was sie zu berichten wussten, war einfach süß.
Nehmen wir zum Beispiel die Frage der Atomkraftwerke: War die Partei dagegen oder dafür? Sie war natürlich dagegen. Aber nur im kapitalistischen System, beim Klassenfeind. Nach der Revolution war man für AKW’s, denn die Diktatur des Proletariats brauchte die Unterstützung des Atoms, um den Hegemon und Imperialisten zu besiegen.
MIt der Aufrüstung verhielt es sich genauso. Dagegen bei den Kapitalisten, dafür bei den Kommis. So wurde mit allen damaligen, drängenden Fragen und Problemen der Zeit verfahren.

Seit zwei Tagen fühle ich mich wieder in die siebziger Jahre versetzt. Jubel von Links (und ganz, ganz rechts!) über den Sieg von Tsipras. Dass dieser Tsipras mit einem antisemitischen, paranoiden Nationalisten und Anhänger faschistoider Regime wie Russland, koaliert, stört nicht weiter. Verwerflich, inakzeptabel und Grund für lautes Geschrei wäre eine Kolaition mit Panos Kammenos nur, wenn sie von der demokratischen Rechten eingegangen würde.

Irgendwie süß und widerlich. Wie das Dschungelcamp.
Aber bestimmt nichts Neues.

Wiener Kunstsponsoring

Wer sich schon mal gefragt hat, wer eigentlich vom österreichischen Bundesministerium für Kultur so gesponsert wird, dem wurde die Frage gestern Nacht beantwortet. Denn gestern Nacht konnte man in Jauchs Millionenshow eine Wiener Künstlerin (provozierende Medienkunst) sehen, die Jauch frisch von der Leber erzählte, dass sie für ihre Teilnahme an der Millionenshow von eben diesem Ministerium finanziell unterstützt wurde.

Fanden wir alle gut. Einhellig. Dass Jauch darob staunte, zeigt doch nur, dass die Piefkes wieder mal keine Ahnung haben, wie man ordentlich mit der Steuerknete umgeht. Denn anstatt teures Armeematerial anzuschaffen, sponsort Österreich lieber die Künstler, die dann bei Jauch 125 Tausender abcashen.

Wir sagen dies im Wissen, dass es möglicherweise nicht gar alle so sehen mögen, wie wir in unseren, großzügig vom Ministerium für Kultur gesponsorten, palaisgleichen Redaktionssälen.
Vielleicht wird’s ja noch lustig. Wir sind auf jeden Fall dafür. In jedem Fall. Entweder und oder. Wie es sich für diese Stadt gehört …

Heute, in der Redaktion

Als heute morgen die Lady die unser Crystal Schälchen befüllt, die Redaktionsräumlichkeiten betrat, zog sie sofort alle Blicke auf sich. Was war mit ihr los? Was war mit ihr geschehen?
Sie schwebte und flatterte gleichsam wie Alis Butterfly von Schälchen zu Schälchen und ihr sting war die großzügig bemessene Portion Meth. Aber das war es nicht. Es war die neue Leichtigkeit, die uns allen auffiel. Jawoll! Neue Leichtigkeit. Sie hatte abgespeckt. Aber richtig. (Man erinnere sich an den Redaktionsbeschluss vom 29. Dezember 2014.)

«Und ich weiß auch wie», sagte Pepita, unsere 17-jährige Türsteherpraktikantin, die ebenfalls ein wenig spitz um die Nase geworden war.
«Ach ja», meinte unser Oldie, der erstaunlich behände aus seinem tiefen Redaktionssessel aufstand und heran glitt wie Roger Federer auf einen Netzball zu. Sein hährener, schwarzer Pullover, der sonst seinen Korpus verhüllte, wie das enganliegende T-Shirt mit dem Peacezeichen eines seiner «Jesus Superstar-Freunde» von damals, schien wahrhaftig zu flattern. Was war hier denn los, fragten wir uns alle und sahen uns mit brüllender Ratlosigkeit im Blick an.
«Ich weiß es auch», sagte er ungewohnt sanft und gut gelaunt. «Hab das Buch in ihrer Tasche auch erblickt.»
«Was für’n Buch?», fragte jemand.
«Endlich Kokain», antwortete Pepita vorlaut.
«Endlich Kokain?»
«Na klar. Von diesem Typen, der diese verschwatzten Ego-Romane schreibt …»
«Die kann sich doch kein Kokain leisten.»
«Unser Crystal tut’s auch. Als Appetitzügler.»
«Und was ist mit dir, werte Pepita? Was ist es, was dein süßes Näschen so angespitzt hat?»
«Dinnercanceling», sagte Pepita und verzog angewidert das Gesicht.
«Harte Sache», sagte unser Oldie mitfühlend.
«Geht so», sagte Pepita verächtlich. «Ich zögere das Dinner bis zum «Dschungelcamp» hinaus, schaufle mir dann den Teller voll und sehe die Wappler all diese Kameleier und Krokodilpenisse schlucken. Das war’s dann mit Dinner. Und was ist mit dir ?»
Aber unser Oldie grinste nur, tänzelte zurück zu seinem Redaktionssessel. Und dann geschah es: Er ließ sich wie weiland Jack Palance bei der Verleihung eines Ehrenoscars zu Boden sinken und machte 5 einarmige Liegestütze. Na gut. Jack Palance war damals 72.
Wie alt ist eigentlich unser Oldie?
Egal. Palance hatte weit mehr als 5 geschafft. Da würden noch ein paar Kilos runter müssen.

Bei uns allen, verdammich, bei uns allen …

Je ne suis plus Charlie

Ich schrieb «Je suis Charlie» um 15 Uhr in den Blog, knapp drei Stunden nach dem Massaker. Erschien mir notwendig. Und auch die Karikaturen mussten drauf.
Inzwischen sind alle Charlie, man weiß gar nicht mehr so genau, wer eigentlich nicht Charlie ist, und wenn alle Charlie sind, mag ich nicht mehr Charlie sein. Denn ich bin ja nicht Charlie. Diejenigen die wirklich Charlie sind, sind tot.
«Je ne suis plus Charlie». Bin auch nicht «Ahmed» oder «juif».
Schätze, ich bin wieder ich. Was hart genug ist. Wer möchte denn ich sein? Ich jedenfalls nicht. Aber Charlie zu sein, ist auch keine Lösung – jetzt wo alle Charlie sind.
Irgendwann müssen auch all die Charlies wieder nur «ich» sein.
Denn: Nur Charlie ist Charlie.
Vielleicht wäre es besser Sepp Blatter zu sein. Oder Arnold Schwarzenegger. Oder ein Typ, der eine Knarre hat …

Der Tag nach Charlie

Bedrückend. Ein Gefühl wie nach naineleven. Als wär in der Nachbarschaft was heftiges und grausames vorgefallen, und man fühlt es: Es wird nicht wieder sein wie zuvor.

Die Amerikaner waren in gewisser Weise besser dran, der Terror kam von außen und sie konnten etwas dagegen tun. Wir können nichts tun. «Die Zeit der Mörder bricht an», schrieb Rimbaud und als ich es las, war das Attentat von Rechtsradikalen in Bologna (1980?) mit etwa 80 Toten, und in den Bahnhöfen detonierten manchmal Bomben und man dachte jedes Mal daran, wenn man in den Unterführungen an den Schließfächern vorbeiging. Das war so ein Gefühl. Zwischen all den Schließfächern. Später hat man sie verlegt und man geht nicht mehr automatisch an ihnen vorbei. Terror. Ja, Mann, wir sind verletzlich, immer und überall und das Schrecklichste steht plötzlich vor einem, nicht als Chimäre, sondern als plausible Möglichkeit.
Und in dieser Bedrückung ging ich heute los und fand mich auf dem Westbahnhof. Eine Stunde zu früh. Ich war eine Stunde zu früh losgegangen.
Ich holte mir einen Espresso von Subway, setzte mich in der schönen Bahnhofshalle an einen Tisch und las in der «Zeit», wie man mich beim Olivenölkauf, brüsselkonform, betrügt.

Als ich dann in der geöffneten Schiebetür zum Bahnsteig stand, sprach mich eine junge Frau mit ländlichem Dialekt an und bat beinahe flehentlich um 3 Euro 10, die ihr fürs Ticket nach Hause fehlen würden. Ich gab sie ihr. Danach fühlte ich mich etwas besser. Denn hier ging es westliche, christliche Werte: Wer bittet, dem wird gegeben werden.
Daran halte ich mich.