Extremes Mittelmaß

In der Schweiz wurde die „Durchsetzungsinitiative» des weiße Schäfchenvereins SVP abgelehnt, und zwar deutlich.
Das ist für unseren Redaktionsoldie keine Überraschung. „Zu extrem“, hatte er schon vor Wochen gesagt. „Die Schweizer sind verlässlich gegen alles Extreme. Außer“, und da machte er einen lange, lange Pause, „außer… gegen extremes Mittelmaß. Und das, Freunde, ist auch gut so.»

Hass

Allerorten fragt man sich: woher nur dieser Hass?
Weiß ich auch nicht. Aber was meinen Hass entfacht, das weiß ich: Menschen in meiner umittelbaren Umgebung an Presslufthämmern. Da siedet er hoch, der Hass. Mit frenetischer Blutdrucksteigerung, äußerster Reizbarkeit, Unduldsamkeit, Grantigkeit und anderen -keiten.

Wenn ich mich beschwere, heißt es: Der Mann macht doch nur seinen Job. Er darf das.
Ja. Ich will auch nur meinen Job machen, kann es aber nicht, da das Geballer des Hammers meine Nerven zerfetzt und ich genau diese Nerven brauche, um meine Arbeit zu machen.
Also steht Job gegen Job.
Aber ich verliere.
Mein Job ist weniger wichtig, als der Job des Ballermanns. Das ist die Realität, vielmehr die nichtzuhinterfragende Wirklichkeit. Das ist die Quelle meines Hasses. Diese miese Missachtung.
In meinem Utopia schweigen die Hämmer, wenn der Dichter schreibt.

Ich schreibe am Roman und warte auf den Krieg.
Vermutlich werde ich Kanonier.

Mut

Der Dok.Film „Fuocoammare“ hat den goldenen Bären gewonnen. Gratulation. In 3Sat wurde der Juryentscheid als „mutige Entscheidung“ gefeiert. Nun ja. Die Entscheidung für die Flüchtlingsdoku von und vor Lampedusa mag vieles sein – erwartbar, überraschungslos, richtig oder falsch -, aber „mutig» war sie nicht.

Dass dieser Film gewinnen würde, war mehr als erwartbar. Es stand schon am ersten Tag fest. Das was danach folgte, war das typische Ballyhoo eines Klitschko-fights, wo der Gegner (im Berlinalefall, die Mitbewerber), als echte, gefährliche und schlagkräftige Konkurrenz angepriesen wird, wo aber jeder, der etwas von der Sache versteht, weiß, dass Klitschko gewinnen wird.
Die Berlinale kann nicht anders. Die Reputation, you know. Sie muss.
Soll sie müssen.

Aber man soll mir das bitte nicht als mutige Entscheidung verkaufen.
Mut haben heißt Risiko nehmen. Mut braucht man, um sich zwischen ein Flüchtlingsheim und den ostdeutschen Mob zu stellen. Mut haben heißt seine Frau, Freundin, Tochter, Schwester vor einem Frauen-Progrom zu schützen und sie mit den Fäusten zu verteidigen.

Mutig wäre es gewesen, einen anderen Film zu prämieren. Vielleicht einen einfachen Film, der eine sehr persönliche Geschichte erzählt, abseits von den Schützengräben der Flüchtlings-freunde und -feinde.

Jetzt wars einfach nur etwas langweilig.

Country zum 2.

Nach „der Freitag“, „Saiten“ und «A. Volksfreund“ nun auch eine Rezension in „Jungle World“, Berlin.

http://jungle-world.com/artikel/2016/06/53492.html

Und nicht verschweigen möchten wir auch, dass „Ni(e)derman(n) nicht nur der Oberrabiner von New York geheißen wird, sondern wir begrüßen auch einen „Country“-Kollegen aus den USA: Lewis Niderman.
Kuck hier:

http://www.meinbezirk.at/salzkammergut/lokales/kulturehrenzeichen-fuer-niderman-bei-country-music-festival-d1360091.html

Die alte „Neue Achtsamkeit»

Wer in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrtausends versuchte ein ordentlicher Hippie zu sein, der las Hermann Hesse. Nebst dem Glasperlenspiel und dem Steppenwolf, zog er zumindest noch „Siddharta“ rein, eine  Bio Buddhas in Romanform.
Ich las Siddharta 1973. Als Laborantenlehrling und angehender Hippie – oder umgekehrt.
„Siddharta» ist wohl das Buch, das die umittelbarste Wirkung auf mein Leben hatte, denn ich versuchte Siddahrta zu sein. Ich übte mich in Meditation, und in dem, was heute als „Neue Achtsamkeit“ den Psychomarkt überschwemmt.
Die Sache war einfach und zugleich richtig schwer: Man versuchte nur das zu tun, was man gerade tat.
Das ist in etwa die „Neue Achtsamkeit“, mit der heutige Konzerne ihren gestressten und überforderten Angestellten klarmachen, dass der Stress und die Überforderung ihr Problem sei.
Gut, ist es vielleicht auch.

Heute gibt es „mindfulness“ Gurus.
Wir kleinen, pickligen Hippielehrlinge machten das noch selber, brachten uns das selber bei: kraft des geschriebenen Wortes. Warum? Weil wir kleinen verkifften Hippies wahre Autodidakten waren. Freigeister. Antiautoritär, neugierig und selbstbestimmt und davon überzeugt, dass wir das auch so gebacken kriegen.

Irgendwann einmal, wie Bukowski am Ende seines Lebens bemerkte, beginnen die Wiederholungen. Und es soll, wie er meinte, dann auch nicht besser werden. Siddharta hin, mindfulness her.

Jedenfalls hat „Achtsamkeit“ das Zeug zum hässlichsten Wort der 10er Jahre.
Oder auch nicht.
Alles Maya, wie Buddha sachte.
Oder: Wurscht, wie der Wiener sogt.

Das deutsche Schreien

Eigentlich wollte die Redaktion einen zweiten Ai Weiwei-Hilfstext bringen. Denn der Ai hat wieder zugeschlagen. Diesmal in Berlin am Konzerthaus. Verhüllte christomäßig die Säulen des Entrées mit orangen Schwimmwesten. Um auf ertrunkene Flüchtlinge aufmerksam zu machen.
Wir waren uns einig, dass dies bitter nötig ist. Denn diese Flüchtlingskrise ist medial praktisch unsichtbar. Wir sollten uns ein Beispiel nehmen, und an Bahnhöfen Transparente anbringen, auf denen darauf aufmerksam gemacht wird, dass da Züge fahren.
Oldie fragte sich laut, wo denn all die Schwimmwesten gefertigt werden. Und Lady brummelte, was die Aktion wohl gekostet hat, was von Marky Mark mit einem bösen, linken Blick bestraft wurde. Das sei eine unzulässige Frage, fand er.
Dann schnupften wir alle eine Portion Crystal Meth: Und gut wars.

Bald darauf fand Oldie einen Artikel in der „Zeit“, den wir alle lasen, und nachdem wir ihn alle gelesen hatten, nickten wir uns zu, wie eine Horde übertölpelter Strauchdiebe.
Da sprach uns jemand aus der Redaktionsseele. Und sowas gibt es eigentlich nie…

http://www.zeit.de/kultur/2016-02/schreien-protest-diskurs-krise-10nach8/komplettansicht

Ich steh drauf

Eine bemerkenswerte Eigenschaft der Schweizer – zumindest der älteren – ist: Zurückhaltung. Nicht auffallen, niemandem zur Last fallen, nicht im Weg stehen, Extrawürste ablehnen.

Das hat zweifellos auch Schattenseiten. Niemand darf sich erfrechen, sich über das demokratische Mittel zu erheben. Und auch Friedrich Dürrenmatt hätte keine Sonderbehandlung erwarten dürfen, und DJ Bobo wusste zu berichten, dass er, der internationaler Star, sich im Freundes-und Bekanntenkreis besonders bescheiden geben muss. So verlangt es das demokratische Protokoll.

Andererseits hat es tolle Vorteile.
Vor mir eine ältere Lady mit kompletter Schiausrüstung am Bahnschalter. Sie kauft ein kompliziertes Ticket. Es dauert etwas. Sie hat bereits alles zur Bezahlung bereit gestellt. Und als sie bezahlt hat, rückt sie vom Schalter weg, und packt ihre sieben Zwetschken daneben zusammen. In Wien würde man so etwas nur in Ausnahmefällen erleben. Da wird der Schalter blockiert, bis auch noch die Nase geschnäuzt und das Taschen tuch eingesteckt ist. In Wien wird der vermeintliche soziale Status in der Zeit manifest, in der ich den anderen warten lassen kann.

Als ich mein Ticket gekauft habe und einen Schritt zur Seite rücke, um den Schalter freizugeben, stürzt der hinter mir Wartende nicht an mir vorbei, sondern wartet mein freundliches Winken ab, um dann näher zu treten. Es ist eine Vergewisserung, dass meine Geschäfte auch wirklich abgeschlossen sind.

Man nennt es Höflichkeit. Auch wenn man sie in der Jugend verachtet und ganz bewusst gemördert hat, so ist doch unbestritten, dass sie das Leben einfacher macht. Man nennt es auch Anstand oder Rücksicht. Zivilisation.

Ich steh drauf.

Bye, bye, Weiwei

«Ich bin sicher, es war nicht sehr bequem, sich so auf die Kieselsteine zu legen. Das weiche Abendlicht fiel aber auf sein Gesicht, als er sich niederlegte.“, sprach der Fotograf, der Aiweiwei als Alan Kurdi am Strand von Lesbos knipste.
Ja, das ist es, was uns unausgesetzt beschäftigt: wie bequem es für einen Künstler sein kann, der einen toten Flüchtlingsbuben nachstellt. Wir in der Redaktion diskutieren nicht darüber, was der Sinn dieser Aktion sein sollte, wir diskutieren nicht mal über die offensichtliche ideelle Impotenz des Künstlers, das volle, fühlbare Durchnudeling, dieser an „Planking“ erinnernden Pose. Wir sagen nur im Chor: Bye bye, Weiwei!