Songdog Verlag stirbt (nicht)

Die Neuigkeit ereilt mich per T-Text: Die österreichische Post hat auch dieses Jahr wieder einen Weg gefunden, eine massive, völlig abstrus begründete und ungerechtfertigte Tariferhöhung durchzusetzten. Das ist sozusagen die letzte Nachricht des Jahres 2016!

Der Songdog Verlag wird unter diesen Umständen nicht mehr weitermachen können. Denn: Nun soll ein Buch nach Deutschland (dort sind die Leser von Büchern aus dem Verlag), statt € 4,50 ( was ja an und für sich schon ein Wahnsinn war) € 6,90 kosten. In Worten: sechsneunzig!
Wem ist die Preiserhöhung zuzumuten? Dem Kunden? Den Buchhandlungen? Dem Verlag?

Ich weiß es nicht.

Die Knallbar Diaries (43, X-Mas)

Zurück aus dem süßen Amnesien und einem recht erfreulichen Trip durch Stressanien mit zartbitterem Aufenthalt in Wann-gehts-endlich-weiter-Land, finde ich mich – geng no der Lev-André Knallbar – wieder zur Schreibfron ein, und wünsche hiermit allen und allinnen, Freund, Feind und Gleichgültigen ein verdammt frohes Fest, mit wem und was auch immer.

Die Familie Knallbar findet sich in genau 8,43 Meter Abstand zum Christbaum ein, um nach der Bescherung mit unseren Luftdruckpistolen ein paar Kartons Hutschenreuther Weihnachtskugeln von den Ästen zu ballern.
Man gönnt sich ja sonst nichts.

Reaktion

Ich lasse mich nicht einschüchtern. Ich werde auch weiterhin keine Weihnachtsmärkte besuchen. Auch keine Punschstände, keine Weihnachtsfeiern, keine Mitternachtsmette, kein Krippen -und Singspiele, keine Silvester und Neujahrsläufe, kein Schispringen und auch keine Schirennen in Kitzbühl oder Wengen, keine Helene Fischer Konzerte, keine Sportler des Jahres Gala, auch keine Nestroy-,Bambi-, Hotzenplotzmedaillen-Verleihungen, keine Kainzmedaillen-Ehrungen, keine Politiker Beerdigungen, keine Kaberettisten-Aufläufe, keine Gerade-In-Theaterpremieren, keine Heimat-Krimiautoren-Lesungen, keine Veranstaltungen zu Ehren des Guten Buchs, kein Konzert von José Feliciano, weder den Wien-Marathon, noch eine all-you-can-eat-running-sushi-bar; wie auch immer: Ich lasse mich nicht einschüchtern.
Ich verteidige meine Freiheit…

Endlich die Wahrheit

Gestern sah ich Josh Brolin in einem Film. Ein starker, gutaussehender Kerl, muskulös, durchsetzungsstark, feinfühlig: ein Krimineller. Er versteckte sich vor dem Gesetz im Haus von Kate Winslet und ihrem Sohn. Sie hatten nicht wirklich etwas dagegen.
Dann tat Josh Dinge, die man im Film niemals zu sehen bekommt: Er kochte ganz selbstverständlich ein Chili, er wusch Geschirr, die Wäsche, er machte einen Ölwechsel, klaubte das Laub aus der Regenrinne, flickte den Zaun und dann, dann kam es: Josh Brolin bügelte.
Endlich die Wahrheit über uns.
Wenn hierzulande etwas über die „Hausmännchen» gebracht wird, dann sehen wir einen ratlosen Typen  mit einem quengelnden Kleinkind im Arm vor einer Waschmaschine stehen, wie ein junger Ziegenbock vor einem Abacus.

Aber die Wahrheit lässt sich nicht unterdrücken…

Die Knallbar Diaries (42)

Knallbar hat Schwierigkeit. Er lesen Buch von Autor, die nicht rechtens Deutsche schreibt. Schöne Buch, das schon. Ja, vielleicht schön, vielleicht auch anders. Einfach anders, sagt Sohn. Ist doch gut: anders. Deutsch muss nicht gratamakalisch richtig sein. Ist doch Burenhäutel wie die Wiener spreggt. Unbedingt nicht. Aber eins ist sicherlich: Schreiben geht schlecht jetzt. Ist wie das Virus, das Influenza impft. Kommt geheim, macht Kommando und will nicht wieder spazieren.
Knallbar schreibt jetzt wie Hauser: Du sollst nicht begehren deines Nächsten Hausfrau. Super. Weiß nicht. Isses?

Ich geh Supermarkt und sage Gemüsedame: Hätt sie krasse Melone. Wie Holz vor Hütte. Sie ist Migrant wie ich. Sie versteht nicht: Holz vor Hütte. Aber schönes Lächel. Immer schön lächeln. Ich lechle hinterrücks. Auch. Dann pack ich Melone bei Melonentrense oder was, und geh zu den Fischen. Fische alle dod und hinter Glas, in Kühlen. Was machen Fischen in Cool? Ich will frischen Fischer. Weichen Fischele, nicht hart. Weich wie Melone, nicht hert wie Holz vor Alphütten.

Spaziere nach hause. Leer der Beutel. Bin trurrig. Ja, so ein bissele. Mogt nix. Traurig ist gut, sagt Kollege. Traurig ist gut für Geschreiben. Vielleicht er muss recht haben. Weil er ist ein guter Kolägen. Also gut, danke ich. Schreib ma halt. Was anderes kannste ja sowieso nichrt, Knoibi…

Aber das brochene Buch tu ich nicht wieder läsen. Ganz bestimm nicht.

Slimetime?

Eine Edelfeder, las ich, leistete bei der Arbeiterklasse schriftlich Abbitte: er habe sie verkannt. Die Arbeiterklasse. Soll so sein. Denn die Edelfeder hat keine Ahnung von der Adresse seiner Slimerei, nee, hat er nicht, denn sonst wär es keine Edelfeder, vermutlich nicht mal eine Feder, sondern nur läppischer Lappi.

Das möchte auf uns zukommen, nachdem man die Geflohenen auf jede zweite Stadttheaterbühne gestellt hat: Die Abbitte bei den Verkannten. Kommt her, stellt euch hin, erleuchtet uns mit eurem berechtigten Hass, euren Auslöschungsfantasien, euren Lügen, wir haben es verdient, wir, die von Gnade Gefilterten, die ehrfürchtig nun die Kassiererinnen im Supermarkt grüßen, diese mürrischen Madonnen des Alltags.
War das nicht schon immer das Hobby der Kopfarbeiter? Dieses süße Klampfen fürs Proletariat?

Werden die Verlage jetzt umschwenken? Wenn Hofer gewinnt, schwappt dann eine Flut von Heimatromanen in die Buchhandlungen, Heimatkrimis mit Rehkitzen in Lederhöschen, oder schreibt Gabalier einen Millionenseller mit seiner Autobiografie?
«Wie ich Volksrock’n Roller wurde und trotzdem noch immer nicht weiß, was eine Tautologie ist?»

Erinnern sich die schüchternen Autoren nun an ihre Semesterferien, wo sie mal zwei harte Wochen Ziegelsteine geschleppt haben? Wird dies der neue Stoff, der in den privaten Schreibschulen zu beackern ist?

Vielleicht wirds wieder so wie in den Siebzigern, als man uns mit Gewalt die schönen langen Haare schneiden wollte, uns die Kastration mit rostigen Dosendeckeln antrug. Und danach ab nach Moskau. Onewayticket. In jenen Siebzigern, wo man uns in den Arbeistpausen anpöbelte, weil wir uns geweigert hatten zur Armee zu gehen, geweigert hatten, genauso dämlich, rachsüchtig, konsumgeil, dumm,  alles Schöne, Feine und Kluge verachtend, zu werden wie sie, die Arbeiterklasse.

Das vergesse ich der Arbeiterklasse nie!

No slimetime.

Die Knallbar Diaries (41)

Es liegt viel Wut in der Luft, sacht der Wiener Autor Peter Henisch dem Spiegel. Wut in der Luft? In Wien?
Und Knallbar merkt wieder mal nix davon. Meine Indolenz scheint so katholisch wie mein Kontostand. Höchst erfreulich. Natürlich gings Henisch um das, um was es seit gefühlt 5 Jahren geht: Das Unsagbare. Der Rollback. Und natürlich auch, dass Österreich bald einen kornblumblauen Bundespräsi haben wird, der natürlich kein Nazi ist, denn die Nazis sind, wie unlängst ein Passant trocken bemerkte, alle längst tot. Und wo einer recht hat, haben auch andere recht.

Aber zurück zur  Wut in der Luft. Und liegen soll sie auch noch? Wäre denn Wien Wien, ohne Wut? Da ist man doch von Geburt an wütend. Warum? Einfach so. Aus Prinzip. Was eigentlich ganz vernünftig ist. Und auch irgendwie gerecht. Wozu einen Grund haben? Ich meine, der Gründe sind viele. Irgednwie Legion. Und die große Koalition ist daran nicht schuld. Ist es nicht längst bekannt, dass in diesem Land irgendwelche Veränderungen nur nach einem Krieg möglich sind? Und daran ist die große Koalition auch nicht schuld.

Aber dass unreflektierte  Journalisten der traditionellen Medien, den Begriff des „Establishments“ ganz selbstverständlich gebrauchen, wenn sie mit den Lügenpressenlügnern sprechen, findet Knallbar nicht so gut. Das sach ich mit aller Deutlichkeit.

Na gut, aber wo ist die Wut? In meiner Filterblase merk ich davon nichts. In meiner Facebooklosen-Blase. Meiner Fußgängerblase. Meiner Schriftstellerblase. Meiner Schwangerschaftsgymnastikblase. Meiner Wenn-ich-den-schönen-Park- des-Palais-erblicke-Blase. Meiner Country-Rock-Blues-Jazz-Blase. Es blubbert ganz schön in meiner Umgebung, wie ihr sehen könnt. Außerdem lese ich gerade ein Buch von Aleksandar Hemon. In meiner Literaturblase.

Neulich hörte ich in der Garderobe der Schwangerschaftsgymnastik, wie ein Muskelmann in einem „Ich bin ein 88 Prozentiger“-Shirt, einem anderen erklärte, dass alle Flüchtlinge monatlich 5000 Euro erhalten. Dabei sah er mich, Zustimmung heischend, an. Ich konnte nicht anders und prustete einfach los. Und, meine lieben Freunde, Feinde und Gleichgültige, so ist es mit den Meisten: Sie wissen insgeheim, dass sie Scheiße erzählen, aber man mag sich halt nicht immmer den Fakten beugen. Einer wie Knallbar, versteht das. Wir sind wie Islamisten: Wir glauben nicht was wir sehen, sondern sehen was wir glauben. Oder wie Franz Schuh neulich den Satz eines anderen Genies plagierte: Ich weiß, dass ich sterben muss, aber ich glaube nicht daran.
Yeah, Nowhereman, isn’t he a little bit like you and me?

Und wenn jetzt einige Kollegen und Kolleginnen drauf kommen, dass Rückschläge möglich sind, und der Mensch gar nicht so gut und so friedlich, wie sie immer gedacht haben, kann ich als gelernter Kathole nur kichern. Nicht, dass ich das nicht auch mal geglaubt hätte, ist aber schon eine Weile her.

Der jüdische Antifaschist, Autor und  Psychiater Paul Parin, der dieses Jahr hundert Jahre alt geworden wäre, trennte sich ein Leben lang nicht von seiner Pistole. Und er lebte in der sicheren Schweiz. Er hatte seine Gründe.
Das sollte uns doch zu denken geben, oder nicht?