«um zu gewährleisten, dass aus der Asyl-Grundversorgung nicht ein vorübergehendes Taschengeld für Roma aus südosteuropäischen Staaten wird»

Wer hat das gesagt? Nein. Es war nicht Thilo Sarrazin, der SPD-Mann, der Abkömmling ruhmrediger Sarazenen, deren geniale Schmiedekunst wir alle aus Karl Mays «Durchs wilde Kurdistan» kennen, nein, er war es nicht, und wir merken es schon aus dem einen Grund: Kein Sturm der Entrüstung der durch die klappernden Bambuswäldchen aller politischen Lager weht, nein, nichts dergleichen, denn es war nur die «Schottermizzi», die österreichische Innenministerin, und solche Dinge sagt die doch tagtäglich, und auch Reinhold Beckmann hat sie deswegen noch nicht in seinen Talk geladen, wo sie gestern rumsassen und den Sarazenen in die Mangel nahmen, vereint in ihrer Entrüstung, mit süffisanter Lächelei oder sauertöpfischem Lehrergrant und Räuberpistolen aus hehrem Streetworkerdasein; eine Veranstaltung deren Biedersinn nachgerade schwindeln machte. All die glatten Gesichter: Kein Tag Hunger geschoben, nie richtig auf die Fresse bekommen, nie was in eine reingedroschen, na klar nicht, denn da kommen die geschliffenen, schnellen Sätze her; und der geneigte Zuschauer konnte es förmlich spüren, diesen Abgrund, der sich da plötzlich auftat zwischen den Tiefstrahlern im Studio und der Wegstrecke zu uns ins Wohnzimmer. Da war: Da draußen!

Von einem geschätzten Kollegen hab ich folgende Anekdote: Nach einem Fußballspiel in Berlin wurde ein Schwarzer nicht in ein linkes Café reingelassen. Er trug eine Deutschlandfahne. Und die sind dort unerwünscht.

Tod einer Sau

Eine der leidvollen Erfahrung dieses überhitzten Sommers: In einem voll besetzten, mit Gepäck befrachteten Personenwagen an einem beliebigen Nachmittag, gen Osten zu fahren. Leidvoll für den Beifahrer (Ich). Denn die gelbe Sau verfolgt ihn. Sie hat ihr böses Auge auf ihn geworfen. Sie lässt nicht mehr aus. Sie hat sich verbissen. Er kann machen was er will: Immer wenn er sein Gesicht dem Fenster zuwendet, ist sie da, die Sau. Draußen weht vielleicht ein auffrischender Wind, es ist geradezu nett und freundlich, aber im Auto ist die Hölle. Es gibt keine Klimaanlage, dafür noch 400 km Strecke abzubrettern. Und die gelbe Sau. Unforgiven. Schlimmer waren nur noch die armen Schweine in den deutschen ICE’s dran als die Klimaanlage ausfiel. Ich denke noch immer mit Schaudern daran. Mich fröstelt.
Aber seit heute ist die Macht der gelben Sau gebrochen. Ich sehe aus dem Fenster. Es regnet. Gerade herunter. Manchmal klopft ein Tropfen ans Glas. Manchmal zwei hintereinander.
Es ist einfach nur wunderbar.
Die gelbe Sau ist tot. Es lebe der Herbst!

Filme ohne Frauen

Einer meiner Lieblingsfilme heißt:Das dreckige Dutzend. Produziert wurde er noch vor dem «Summer of Love» 1966, und erfreute uns mit einem beeindruckenden Staraufgebot, die bis auf Ernest Borgnine und Donald Sutherland bereits alle tot sind. Ich sah den Film zum ersten Mal als Teenager in den siebziger Jahren. Er fiel in meine «pazifistische Cineastenperiode». Er gefiel mir sehr, aber er durfte mir nicht gefallen. Er war nun mal nicht von Bergmann oder Fassbinder. Er machte sich sogar über den Psychoquatsch lustig , auf den ich (und eine Menge anderer) damals standen. Und auch sonst. Gewalt. Männlichkeit. Solidarität. Drill. Rebellion. Unglück. Mut. Schnaps. Kampf. Heldentum. Tod. War es das, was Leonard Cohen meinte, als er sang: «Men will suffer, men will fight.» Kurzum, ein äußerst subversives Teil.

Und noch was. Außer dem Auftritt von ein paar wunderbar gut gelaunten Huren, und ein paar dekorativen Nazibräuten: Keine Frauen. Filme ohne Frauen. Wie: «Der Schatz der Sierra Madre», mit dem berühmtesten Gelächter der Filmgeschichte.

Schätze, es wird wieder mal Zeit, für einen Film ohne Frauen…

Neues aus dem Wiener-Kabarett

Es gab einmal Zeiten in denen «Werbungskabarett» en vogue war. Die Methode des Kabarettiers bestand darin, dass er die Produktwerbung auf ihren Wahrheitsgehalt, die tatsächliche Funktion, abklopfte. Das war lustig. Da brüllte das Publikum vor Vergnügen, und wieherte wie die Lippizaner bei der Hafersackverteilung. Das war vor vielen Jahren. Gestern erblickte ich im TV den Bestseller-Autor M. Niavarani. Er führte dem Publikum vor, wie deppert iphone Besitzer sind. (Wobei vermutlich Blackberry-Nutzer zu den Genies gehören.) In dieser Tour gings weiter. Man hätte glauben können, dass man sich eine jahrzehntealte Aufzeichnung reinzog. Aber nichts da. Neues Programm. (Wie schon die iphone-Witzchen nahelegen.)

Ich sah es mir also an. So um die 5 Minuten. Es war in gewisser Weise schmerzlich. Aber so ist es eben: Wien bleibt Wien. Da hilft nichts. Da muss man durch.

Und wenn man’s peinlich (im eigentlichen Sinne) findet, liegt es an einem selber. Bei mir ist der Fall eh klar: Ich bin Schweizer. Und die ham, wie die Piefkes, einfach kan Hamur!

Bezeichnenderweise kenn ich keinen einzigen Menschen der ins Kabarett geht. Da stimmt was nicht, und in was hinein spricht Herr Niavarani, wenn er telefonisch seine Gage aushandelt?

Das krieg ich raus…

Das Herz eines Rockers

Es war einmal ein Junge und der wollte Rock’n Roller werden. Er gründete eine Band. Sie spielten so dahin, nicht wahnsinnig erfolgreich, aber was war das schon: Erfolg? Eines Tages hörte ein Manager die Band spielen, vor allem hörte er diesen Schmelz in der Stimme des Jungen. Der hatte was. Das war ein Geschenk, eine Mitgift, mehr als ein Talent, und der Manager wusste auch gleich, dass mit dieser Stimme Geld zu machen war, denn er war ein guter Manager. Er ließ dem Jungen Schlager schreiben. Der Junge sang sie, widerstrebend zwar (denn er hatte das Herz eines Rockers), aber er tat es, und er wurde sehr, sehr reich. Und unglücklich. Und noch reicher. Er hatte eine Rolle zu spielen. Er spielte einen unverheirateten Schlagerstar. Und er bekam es mit der allerschlimmsten Sorte Mensch zu tun: Mit Fans.

Er trank. Er soff. Er verholleite seine Ehe, die Liebe seines Sohnes. Die Fans wandten sich ab. Es ging in den Keller. Noch einmal kam er hoch, um für eine Fernsehserie einen Hotelier zu spielen.

Er starb mit 48 Jahren an einem Herzinfarkt in seinem Häuschen an einem See.

Er hieß Gerd Höllerich. Und er war mehr Rock’n Roll als Peter Kraus und BAP und Peter Maffay und Element of Crime zusammen.

Über den Witz in die Einöde

Manchmal erzählt meine kleine Tochter Witze. Sie wird sieben. Ihre Witze sind unddannunddannunddann-Geschichten. Lang. Sehr lang. Mit schaler, vorsehbarer Pointe. Wenn überhaupt Pointe. Hauptsache: lang. Ich glaube, dass sie glaubt, dass der Witz eines Witzes in der Länge der Story liegt. So wie es Kollegen gibt, die glauben, der Wert und die Güte ihrer Arbeit läge in ihrem zerdehnten Ego. Schale Bücher. Aber immer nur ich, ich, ich. Kollegen, die Zeitungen nur lesen, wenn ihr Name drin steht. Kollegen, deren Kommunikationstext nur aus- «Ich hab grad eine tolle Cd rausgebracht. Und ein Krimi ist auch erschienen. Wie war dein Name nochmal?»- besteht.

Sie sind im besten Fall bemitleidenswert. Und vor allem: Sehr, sehr, sehr langweilig. Wie die Witze meiner kleinen Tochter. Aber die übt noch.

Der Lieblingswitz eines Freundes, einer, der ganz oben auf meiner Liste steht:

«Bück dich Fee, Wunsch ist Wunsch!»

Das sind perfekte Proportionen, Kollegen!

Zurück bleiben

Als erstes, am vergangenen Sonntagmorgen, die Nachricht von Christof Schliengensiefs Tod. Der Zufall wollte es, dass ich gerade mit Freunden von ihm zusammen war, aber damit nicht genug: In letzter Zeit häufen sich schlechte Prognosen in meinem Bekannten-und Freundeskreis. Vor einem Monat starb ein Dichter, mit dem ich zwar nicht befreundet, aber doch bekannt war, er starb nicht unerwartet, wie es so schön heißt, sondern sein «Ablaufdatum» war durch seine langjährige Krankheit längst besiegelt und er sah seinem Ende auch ziemlich taff und offenen Auges entgegen. Dann las ich von einem anderen Dichter einen Nachruf, in welchem dieser beschreibt, wie der Sterbende ihn angerufen habe, um sich zu verabschieden. » «Ich möchte mich von dir verabschieden. Wir sehen uns nicht mehr. Als ich bei deiner Lesung war, hast du ja gesehen, dass es mir schlecht geht. Leberkrebs im Endstadium. Der Leichenschmaus wird im Wirtshaus Huber sein. Es wird Kalbsnierdln geben.»

Leider überlieferte der Nachrufschreiber nicht, was er darauf geantwortet hat. Was soll man da nur antworten? Was geht einem durch den Kopf?

Mach gut. Bis bald. Wir sehen uns in der Hölle. So schlimm wird’s doch nicht sein. Grüß mir Jimi Hendrix. Gib Gott eins die Fresse, wenn du ihn siehst. Ich freu mich schon auf die Kalbsnierndln. Ich esse keine Innereien…

LESUNG in WALD (AR)

Zum 5.Mal findet im Atelierhaus der Schlesingerstiftung (Birli) eine Dichterstubete statt.

Am 21. August 2010 um 20.15 Uhr.

THOMAS MEINECKE (München) liest aus seinem neuen Roman JUNGFRAU

und

ANDREAS NIEDERMANN (Wien) liest Krimi-Schund (Pulp Fiction)

zudem, wie immer, ein Gulasch. Diesmal: Erdäpfelgulasch mit Steinpilzen.

Neuerscheinung im Herbst 2010 bei Songdog

Im Herbst 2010 erscheint bei Songdog «Die Katzen von Kapsali» (Ein langer, autobiografischer Kurzroman) von Andreas Niedermann.

ISBN 978-39502890-2-2 / 110 Seiten /Softcover

Subskriptionspreis bis Ende August: € 12.- / CHF 20.- (Ladenpreis € 14.- / CHF 25.-) versandkostenfrei.

Zu beziehen bei: verlag@songdog.at

oder im Buchhandel.

Zu diesem Buch:
„…Ich wollte ein Buch über die Jobs schreiben, mit denen ich über all die Jahre mein Geld verdient habe. Es müssen an die 50 gewesen sein. Es sollte sehr schnell und assoziativ geschrieben werden. Ich fing damit an, und mit einem Mal, war da auch dieser spontane Trip nach Griechenland. Das war in Ordnung. Ich nahm ihn mit hinein. Und auch diese drei Katzenbabys, unten, im Süden von Kythira, die ich gesäugt und aufgepäppelt habe. Eigentlich gegen meinen Willen. Aber damals geschah beinahe alles gegen meinen Willen, und da konnte ich auch drei Katzenbabys das Leben retten. Danach taten sie etwas, das mich sehr berührt hat, und das mir seither wie eine Art Gleichnis für mein Leben, und das meiner Freunde, erscheint…“

LESEPROBE

Im Morgengrauen erreichten wir Belgrad. Ich war beeindruckt. Die Hochhäuserplatte der Vorstädte. Die Zigeuner am Straßenrand. Der Müll. Ich hatte nicht wirklich eine Vorstellung, wo genau ich mich befand. Auf einer Raststätte mit Lastwagen ließen sie mich raus. Sie wollten nach Norden. Über Ungarn nach Wien. Ich wollte einen Lastwagenfahrer fragen, ob er mich mitnahm. Richtung Westen. Österreich. Italien. Schweiz. Egal. Ich besaß noch drei Schachteln Zigaretten und eine Flasche Ouzo, die ich mir auf dem Fleischmarkt in Athen gekauft hatte. Mein Trost für hungrige, traurige Stunden. Für Trübsal und Pech. Gegen Regen und Unbill aller Art. Es war Ende Oktober. Das merkte man hier noch nicht so. Ich meine, ich wusste nicht, wie Oktober in Belgrad auszusehen hatten. Ich hatte meinen Schlafsack. Ich wusste nicht, wie lange ich noch unterwegs sein würde. Das konnte Tage dauern. Oder noch mehr Tage. Ich besaß nur noch Hemd und Hose und Stiefel. Unterhosen und Socken waren unterwegs verloren gegangen. Dylan war noch da. Auch mein Notizbuch. Von meinen spanischen Botines löste sich die Brandsohle. Ich glaube, Wien gab mir noch etwas Geld, als wir uns zum Abschied küssten. Sie sagte es sei für das Buch mit den Gedichten, dass sie hiermit gekauft habe. Sie war cool. Kein Rumgedruckse, keine Versprechungen von wegen, wir werden uns wieder sehen und Schmu. Ich war nicht so cool. Ich war Coolness nicht gewohnt. Mecki offenbar auch nicht. Er keifte wegen irgendeiner Sache rum. Ich konnte mir gut vorstellen, wie es jetzt im VW-Käfer weiterging, wenn sie allein waren. Dann sprach ich einen freundlich aussehenden Trucker an. Die Kiste hatte österreichische Kennzeichen. Er sagte, er könne mich bis Maribor mitnehmen. Gut, sagte ich. Keine Ahnung, wo Maribor lag.

Ich bin kein Kämpfer, ich bin ein Aufgeber.

Gestern meinte ein SVP-Politiker in der Television: «Aber der Nöldi Forrer ist eine Kämpfernatur!» Nun, der Nöldi Forrer ist ein «Schwinger», was eine schweizerische Abart des Ringens ist, und die «Kämpfernatur» Nöldi hat gerade Verletzungspech.

Finde ich gut und unterhaltsam, wenn mir gesagt wird, dass ein Kampfsportler eine Kämpfernatur hat, und nicht etwa nur Hausmänner, Kleinkinder, Talkgäste, Adabeis, Menschen die, falls sie gerade hingefallen sind, sich wieder erheben. Oder gar Musiker, denen eine Saite riss, Grippe-Rekonvaleszente und Schlagersternchen denen ein Fingernagel abgebrochen ist. Das musste wieder mal gesagt sein. Auch, dass der Papst in Wirklichkeit katholisch ist. Vergisst man allzu leicht.

Überhaupt: Die Welt ist voller Kämpfer. Kämpfernaturen wohin das Auge reicht. Sie tun mir irgendwie leid. Diese «Aufgeben-tut-man-nur-einen-Brief-Typen»: Ich kann mich nicht erinnern, dass es in meiner Jugend Kämpfernaturen gab. Außer Kämpfer, natürlich. Aber wenn alles Kämpfer sind, wer ist dann keiner? Nun gut, ich oute mich. Ich bin kein Kämpfer. Ich bin eher so ein Sliding-Typ. Kämpfen langweilt mich eher. Wozu sollte ich kämpfen? Ich gebe lieber auf. Aufgeben ist cool. Komplexer, gewissermaßen. Ich habe das Rauchen aufgegeben. Die Drogen (Meistens). Das Nie-Geld haben. Das Sandalentragen. Das jeden Tag einen Roman lesen. Das Kinderlos sein. Das Ohne-Führerschein-fahren. Das geriatrische Binge-drinking.

Ich versuche, es einfach laufen zu lassen.

«Du musst dich einfach weigern zu verlieren.» (Cus D’Amato)