IchundIch

Es gibt etwas das immer und immer und immer wieder verlässlich wunderbar ist: Wenn wir das Glück haben, jemandem zuschauen zu dürfen der seine Arbeit wirklich versteht. Das wusste bereits Goethe: «Arbeit ist schön, stundenlang könnte ich zusehn».

Entgegen der Meinung von Zynikern und Faulenzern meinte Goethe – ein wahrer Connaisseur- es nicht halb hämisch, halb gönnerisch, sondern eben genau so, wie er es sagte. Und wenn einer seine Arbeit versteht, ist es vollkommen blunzen, ob er in einer Schubkarre Zement mischt, als Barkeeper Biergläser füllt, köstliche Leberhaken setzt oder, und jetzt kommt’s: Als Schauspieler auf der Bühne steht.

Und diese wunderbare Arbeit kann man jetzt sehen. Im Nestroyhof, im Hamakom-Theater, wo der gewaltige Michael Gruner mit Präzision und einem atemraubend hinreißenden, und hingebungsvoll arbeitenden Ensemble, Else Lasker-Schülers «IchundIch» inszeniert hat.

Außerdem ist das Stück auch noch komisch. Obschon man den Eindruck nicht los wird, dass es in Wien noch nicht gestattet ist, über dümmlich ergebene Nazis zu lachen

Und als absolute Dreingabe ist der Autor dieses Blogs auch noch in einer wahrhaft tragenden Rolle zu sehen, bzw. zu bewundern.

«IchundIch» Hamakom Theater, Nestroyplatz, 2. Wien.

Vom 24. Januar bis 18. Februar (fast täglich)

http://www.hamakom.at/index.php?id=599

«Überleben ist alles. Man weiß nie, wozu es noch mal gut ist.»

Das erste und auch – wie wir jetzt wissen – das letzte Mal, dass ich Carl Weissner begegnete, war anlässlich seiner Lesung aus dem Roman «Manhattan Muffdiver» im Wiener Funkhaus. Wir hatten uns verabredet, denn ich hatte ihn, und den Berliner Dichter Florian Günther – über den Weissner völlig zu Recht schrieb: «Ich sag’s ja schon immer, von den Ex-DDRlern kann sich mancher vormachen lassen, wie es geht.» – zu einer Lesung an den Bodensee eingeladen.

Ich sprach ihn an, als er sich durch das brechend volle Funkhaus-Café zwängte. Ich war nervös. Er war ja nicht nur Carl Weissner. Er gehörte zu meinem eigenen Leben, wie die Autoren die er übersetzt hat. Dylan, Bukowski, Algren, Ginsberg, Bourroughs. Er war Dylan, Bukowski, Algren, Ginsberg und Bourroughs. Als er dann vor mir stand, war ich beeindruckt. Er wirkte austrainiert, breitschultrig, ein «Bulle», mit dem man sich besser keinen Ärger einhandelte. Auch in seinen Siebzigern nicht. Er sah aus, als würde er das Hanteltraining ebenso schätzen wie ich selbst.

Da standen wir, und wechselten ein paar Worte über gemeinsame Bekannte und die Lesung. Er war sehr freundlich, wie schon am Telefon, hilfsbereit, interessiert.

Ich dachte daran, welche Erschütterung und Freude sein Vorwort zu Bukowskis «Gedichte die einer schrieb bevor er im 8. Stockwerk aus dem Fenster sprang» in mir auslöste. Damals. In den siebziger Jahren. Als hätte einer die deutsche Sprache neu erfunden: Klar und stark, mit Zug auf’s Tor, frei von Ballast und Gefühlserei, dem Abenteur zugeneigt. Und Weissner war es auch, der mein Lieblingsmotto für harte Zeiten geschmiedet hatte: «Überleben ist alles. Man weiß nie, wozu es noch mal gut ist.»

Als er sich dann wieder zu den Leuten vom Milena Verlag gesetzt hatte, und Wolf Wondratschek herbeigetänzelt kam um sich den Roman signieren zu lassen, fiel mir ein Satz aus seinem Interview in der «ZEIT» ein. «Ich schreibe an drei Romanen. Gleichzeitig. Ich habe nicht mehr ewig Zeit.» Das ist ein Schmäh, Carl Weissner, sagte ich zu mir, du hast noch alle Zeit der Welt.

Überleben ist alles. Man weiß nie, wozu es noch mal gut ist.

Jetzt wissen wir es. Und es gefällt mir nicht.

P.S. Hier noch der Link zum Nachruf von Kollege und Freund Franz Dobler:

http://www.jungewelt.de/2012/01-27/012.php

Carl Weissner tot

Eben hat mir der Songdog- Autor Florian Vetsch gemailt, dass Carl Weissner (Romancier, Übersetzer, Sprücheschmied, genialer Raconteur, literarischer Entdecker und ein Neuerer der deutschen Sprache), tot in seiner Wohnung aufgefunden wurde. Das ist ein Schlag ins Genick.

Morgen mehr….

«Wortgewaltige Schakalstimme»

Darf ich bekanntgeben was die «Neue Zürcher Zeitung» am 19. Jänner über den Neuzugang des Songdog Verlags, Christoph Bauer, und im speziellen über dessen romanhaftes Werk «Der Bericht» publizierte? Ich darf. Hier ist es:

19. Januar 2012, Neue Zürcher Zeitung

Wortgewaltige Schakalstimme

als. ⋅ «Der Bericht», hat der Schweizer Schriftsteller Christoph Bauer sein 13. Buch kurz und knapp genannt, und diese aufreizende Nüchternheit des Titels, gibt bereits das Programm für dieses schonungslose Protokoll eines aus der normal-materialistischen Welt Gefallenen vor. «Der Bericht» ist das Bekenntnis eines Mannes Anfang fünfzig, der sich fragt, so hat der Autor und Verlagskollege Andreas Niedermann in einem knackigen Teaser festgehalten, «wo eigentlich alles geblieben ist? Die wilden, trunkenen Jahre? Der Aufstand? Die Rebellion? Die Träume? Ja, auch die Träume. Und [Christoph Bauer] hält diese Träume wie einen fadenscheinig gewordenen Teppich gegen das Sonnenlicht und sieht sich die durchgetretenen Stellen an.» Er schont nichts und niemand in seinem wortgewaltigen Verzweiflungsschrei voll dunkler Poesie, der raunend in sich selbst kreist und dabei so gerne abgeklärt wäre, aber nicht zynisch und auch nicht so peinlich wie die lüsternen Ersatzhandlungen der «Altmännerfiguren in den Spätwerken von Philip Roth, bei deren Lektüre ich stets gedacht habe: <So wie die möchte ich nicht werden.>» Bei so viel derber und fast schon halluzinativ-klarsichtiger Selbstdekonstruktion mag es nicht verwundern, dass die Schrift des gebürtigen Luzerner Autors mit Songdog zu einem kleinen österreichischen Verlag gefunden hat, der Schakalstimmen ein Forum bietet.

Christoph Bauer: Der Bericht. Songdog, Wien 2011. 150 S., Fr. 25.–.

Dem Henk sein Blog 6

Auf ausdrücklichen Wunsch Niedermanns soll ich heute, am 17. Januar 2012, dem 70-sten Geburtstag Muhammda Alis, ein paar Zeilen tippen. Gut, mach ich, ist ja nicht meine Beerdigung.

Also: Happy birthday, Muhammad «The Greatest» Ali. Mögest du noch viele Jahre haben!

Aber eins muss ich dir noch sagen: Deinen dämlichen Anker-Punch-Bullshit hab ich dir übel genommen. Nehm ich dir immer noch übel. Gut, den dummen George «BigMac» Foreman, den haste mir schön zerlegt, damals 74 in Kinshasa, das hatte echt was. Aber Sonny Liston hast du nicht geschlagen. Den nicht. Nicht das erste Mal 1963, und auch nicht im Rückkampf. Vor allem nicht im Rückkampf. Von wegen Anchor-Punch! Diese Nuss hätte selbst ich wegsteckt, kein Schwergewichtsboxer (außer Wladimir Klitschko) fällt wegen so ner kurzen Rechten um, aber schon mal gar keiner. Das war Schiebung, mein lieber Jubilar. Kannst nix dafür, aber wahr ist’s trotzdem. Damit hat man halt den Mob aus dem Business gedrängt.

Mein Lieber, Anchor-Punch! Was’n Witz. Damit musste leben. Ich hoffe, noch ne ganze Weile. Und eins will dir auch noch sagen, Muhammad Ali: Ich hab nur zugekuckt, weil ich sehen wollte, wie de was auf die Laube kriegst. Gut, am Anfang. Dann nicht mehr. Du warst große Klasse. Aber trotzdem, Sonny haste nicht gekriegt. Nie im Leben.

Wünsch dir ein langes Leben

dein Fan, Henk

Niedermanns Block V

Axiome treten nicht so häufig auf, wie man vielleicht annehmen mag. Umso glücklicher schätze ich mich, in einem Land zu leben, das zumindest eines dieser hübschen Dinger wie ein Diadem am Opernball trägt: Nämlich jenes Axiom, dass Österreich und dessen Proponenten, Politiker, Würdenträger und die gelernten Eingeborenen, niemals und nie und unter keinen auch nur irgendwie gearteten Umständen für irgendetwas verantwortlich zu machen sind oder gar Schuld an auftretenden Zuständen tragen. Das ist ein Axiom.

Und darum verwundert es niemanden, dass die Finanzministerin «Schottermizzi» Fekter, gleich Tacheles redete, als das Triple A Österreichs von «Standard & Poors» geknickt wurde: Schuld hat das Ausland. Vornehmlich Italien und Ungarn. Nona, sagen wir hier von der Block-Redaktion, wer sonst?

Schön, dass das Axiom wieder mal so herrlich gleißen und schillern durfte. Danke, es war sehr schön. Weiter so.

Niedermanns Block lV

Ein junger Afghane, auf der Straße nach seiner Meinung zu jenem Vorfall befragt, bei dem 4 Marines auf drei tote Taliban-Kämpfer uriniert hatten, sagte – laut Übersetzung -, dass es nicht angehe, dass Amerikaner auf tote Muslime urinieren.

Die Empörung über den Vorfall ist im Westen enorm (zumindest medial). Leichenschändung, und so weiter und so fort. Nona, Herrschaften, es ist Krieg! Und bei den Urinierenden handelt es sich nicht um deutsche und österreichische Lageraufseher, die arme, wehrlose, abgemagerte Frauen und Kinder ins Gas geprügelt haben, sondern um junge Männer, die in einem Kampf andere junge Männer getötet haben, und ihr Überleben feiern. It’s done.

Ich kann mir sehr wohl vorstellen, dass auch ich mich (als Kämpfer, nicht als Zivi!) hingestellt, und mein Wasser abgeschlagen hätte. Man muss doch nicht so tun. Es ist Krieg. Testosteron, Adrenalin, permanente Todesdrohung, Wahnsinn, Paranoia, Anspannung bis zum Äußersten.

Die Aufregung über den Vorfall hält sich, zumal in Afghanistan, ziemlich in Grenzen, und die Empörung, wenn sie denn – wie bei dem jungen Afghanen – enbrennt, gilt offenbar nicht dem Akt des «Totenbepissens», sondern der Religionszugehörigkeit der Bepissten. Wären die Toten nicht Muslime – so hatte ich zumindest den Eindruck -, würde dem Vorgang nicht grundsätzlich die Berechtigung abgesprochen.

Das Sprüchemuseum

«… persönlich bin ich dafür, dass wir uns auf dieser Ebene etwas vorstellen könnten.»

(Angela Merkel 10. Jan.2012)

Niedermanns Block lll.

Der IT-Mitarbeiter, der in der Bank Sarasin zu Basel, die Kontodaten von Nationalbank Chef Hildebrand gestohlen und sie letztendlich dem SVP-Vize C. Blocher zugespielt hat, glaubt, dass er in «Gewissensnot» gehandelt hat.

Mit einer solchen «Gewissensnot» zu Christoph Blocher zu gehen, ist so, als würde man sich mit einer Gonorrhoe, an den Papst wenden.

Henks Blog 5

Niedermann liegt nicht falsch. Aber auch nicht richtig. Damit wäre eigentlich alles wesentliche zu seiner Person und seiner «Arbeit» gesagt. Tja, so ist das. Zumindest richtig ist, dass ich noch ne Weile rumtun werde, ihr wisst schon.

Schön-schmalziges Schichtchen, da, mit dem Hirten, der einfach den Blinden nimmt, als er glaubte, dass seine Kräfte nicht mehr ausreichen ihn zu ernähren. Ist ausbaufähig. Zukunftsträchtig. Bei den vielen Morschis, die wir bald ham werden. Schicken wir sie in die Berge, bevor unser Gesundheitssystem kollabiert. Eine Prämie für jeden, der seinen 80-ger nicht mehr feiern will. Die Kainz-Medaille, für einen besonders gesellschaftsfreundlichen Abgang. Der Dr.Death-Orden an der Windel, für den Mortus präcox. «Siech, aber nicht schiach», heißt das Motto.

Aber in der Tat, Freunde, ich hatte einen schönen Jahreswechsel. In der Hütte eines Freundes. Kein Strom. Und im Schlafzimmer hatte es nie mehr als 4 Grad. Celsius. Das Kabäuschen warm zu bekommen, hieß: Heizen, heizen, heizen. Mit Holz. All day long. Las mich, im Schein von Petrol-und Gaslampen, durch die Bibliothek. Die alten Sachen von meinem alten, leider viel zu früh dahin geschiedenen Freund Chazz aus den Siebzigern. Die Siebziger, Freunde! Das beste Jahrzehnt ever. Da gerat ich ins Schwärmen. Die schönsten Girls, die geilste Mode, die beste Musik. Und alle waren wir so unschuldig. Gute Drugs. Und Love and Peace. Ist schon eine Weile her. Und kommt nie wieder. Da liegt Niedermann schon richtig: Das ist traurig. Wie alles, das ein Ende hat. Wie dieser 1. Blog im 2012…

Stets Euer Henk