Unterschreiben

Wir schließen uns natürlich unseren Freunden und Kollegen an. Sie auch?

UNTERSCHREIBEN SIE

bitte diese Petition:

https://www.openpetition.de/petition/online/die-literatursendungen-des-br-fernsehens-duerfen-nicht-abgesetzt-werden

Wie mein Freund und Kollege Thomas Palzer kommentiert: „An die Zahlengläubigen: Nicht immer nur die Interessen der Gattung bedienen – an das Individuum denken! Europa ist weniger ein geographischer Raum oder eine Zahlenmenge (Anzahl gekaufter Autos) – Europa ist ein Denk-und Lebensstil!“

Elegie

Die Nacht kam wie ein trunkener Bestatter, der leise und langsam den Sargdeckel  über der schrumpligen Leiche des Tages sinken lässt, während Ryan Adams Stimme aus dem Fenster schlug, wie Flammen aus den strohigen Eingeweiden von brennenden Kuscheltieren. Der Rye-Bourbon  tränkt mein glimmendes Herz mit Jubel, und ich träumte, ich wäre ein Mann, der eine Winchester über der Tür hängen hat, träumte, ich wäre ein Mann, der auf der anderen Talseite ein Stück Wald gerodet und aus den Stämmen ein Blockhaus baute, und dass aus der Lichtung eine Viehweide wurde, wo böse, gefährliche Rinder grasten, die genau wussten, was ihnen blühte.
So träumend fand mich die Nacht, so glückselig, wie Jack Kerouac, der betrunken in seinem Plymouth aus dem nächtlichen Denver rauscht. Westwärts, westwärts, durch dieses Amerika, das zusammen mit Jack starb, vor dem Fernseher, in einer Hand das Bier, in der anderen der Bourbon, traurig und beat wie nie, geschlagen mit dem zerstörerischen Ruhm, nach dem noch immer alle Dummköpfe gieren.
Noch singt mein Herz…

Die ziemlich lustige Story für alle „Gränni»

Falsche  Fehler

Für Torben lief es richtig gut. Nicht nur mit Henriette, nein, er wurde auch unter hundert Bewerbern ausgewählt, den Job des Artdirectors einer renommierten Werbeagentur anzutreten.
Raus aus der piefigen Kleinstadt, rein ins brodelnde Leben der City. Das kam auch bei Henriette gut an, der Geschmack von großstädtischem Highlife, Hipness, von Gefahr und milder Verderbtheit.
„Zieh dich warm an, City! Wir kommen!“, pflegte Torben zu sagen und Henriette war diesmal ganz seiner Meinung.

In einem angesagten Viertel der Stadt fanden sie eine Wohnung. Überall Kulturcafés, Bioläden und vegane Restaurants. Einziger Wermutstropfen war, dass ihre Wohnung im noch nicht gentrifizierten Teil des Viertels lag und es ihnen nicht entging, dass die Alteingesessenen auf die Neuzugezogenen nicht gut zu sprechen waren.  Auf dem nächtlichen Nachauseweg kam es gelegentlich zu ungemütlichen Begegnungen.

Torben begann sich zu sorgen. Uneingestanden empfand er zunehmend Furcht vor dem nächtlichen Nachhauseweg.

Sie gingen nicht mehr so oft aus, was Henriette nicht so gut fand.

Als es dann eines Nachts zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen Torben und einem Betrunkenen kam, und Torben eine Ohrfeige kassierte die ihn zu Boden streckte, war klar, das etwas geschehen musste.

„Warum lernst du nicht Selbstverteidigung, anstatt dich schlagen zu lassen“, sagte Henriette. Torben sah es ein. Auch wegen Henriettes etwas verächtlichem Zug um den Mund.

Er meldete sich gleich am nächsten Tag in einem Dojo an, wo verschiedene Kampfsportarten angeboten wurden. Torben entschied sich für Karate. Ihm imponierten die weißen Kimonos mit den verschieden farbigen Gürteln, die für Aufstieg und Karriere standen. Er sah da Parallelen zu seinem Job.

Auch war er von Technik und Schnelligkeit der Karate-Kas beeindruckt. So einer wollte er auch werden. Dann sollten sie mal kommen, diese grantigen City-Aborigines!

Torben ging nun täglich zum Training. Er lernte, er übte. Er brannte für Karate. Bei Sparringkämpfen wurde ihm beigebracht, wie man mit jedem Angreifer fertig wurde. Mit Messerstechern und Knüppelbewerten, mit Pistolenhelden und Axtwahnsinnigen.
Henriette betrachtete Torbens Furor und Trainingseifer mit gemischten Gefühlen. Aber Torben strotzte nun vor Selbstbewusstsein und immer wieder sagte er: „Das Geniale ist, du brauchts keine Kraft anzuwenden, du nutzt nur die Fehler des anderen aus. Verstehst du? Die Fehler. Das ist alles.“

Henriette fands nun auch irgendwie genial.

Eines Nachts erhielt Henriette einen Anruf. Sie möge doch auf die Sanitätsstation kommen. Sie hatte gar kein gutes Gefühl. Auf der Station traf sie auf Torben. Er saß in einem Rollstuhl, die Nase blutete, Backenzähne wackelten, ein Auge war fast zugeschwollen und der rechte Knöchel war übel verstaucht.

„Dieser Mistkerl“, stöhnte Torben, „dieser linke Hund! Der hat einfach nicht die richtigen Fehler gemacht.“

Heute Abend, SRF1

Ich höre nie Radio. Nur hier in Wengen. Ganz besonders am Sonntag Abend. Zwei Stunden, von 20h-22h, srf1, „Countryspecial“.

Heute Abend gibt es „Dylan, Cash and «the Nashville Cats“.

http://www.srf.ch/sendungen/country-special/bob-dylan-johnny-cash-und-die-nashville-cats

Das klingt, finde ich, ziemlich gut. Und in der Schweiz gilt „ziemlich gut“ als Superlativ, wenn ihr wisst, was ich meine…

Das Sprüchemuseum (61)

„Hoffnung ist der große Bruder der Verblödung.»

Sibylle Berg, S.P.O.N.

Wir sagen: Nein, Frau Berg, und nochmals nein. Richtig gendern, bitte. Es ist DIE Hoffnung, also weiblich. „Hoffnung ist die große Schwester der Verblödung.“

Katzentisch 2

Wie Kollege Bauer richtig bemerkte: 27 Jahre ist es her. Was für ein Abend! Wahnsinn. Festivalambiente. Jede Menge zu trinken. Freund und Songdog Grafiker Yvo war dabei und „Tantiema“, der Engel der Verharzten, und im Morgengrauen gingen wir (zumindest ich) in der Sense schwimmen, ich meine, ich zog mich aus und tappte hinein, zum Schwimmen wars zu wenig tief.

Der Katzentisch ging in Ordnung. Was hätte ich schon zu Reden gehabt?
Aber die Erfahrung, dass ein paar Autoren auf einem Haufen eher eine unangenehme Erscheinung sind, habe ich damals das erste Mal gemacht, als Debütant sozusagen, und in der Zwischenzeit hab ich diese Erfahrung schon ein paar Mal wieder gemacht. Nicht gut. Meist sind schon zwei Autoren einer zuviel. Ich jedenfalls, gehe ihnen aus dem Weg, bis auf die Exemplare mit denen ich befreundet bin. Und um die zu zählen, reichen die Finger an Django Reinhards Griffhand.

Mit Artmann kann ich nichts anfangen, auch wenn jetzt alle entsetzt aufschreien und: „med ana schwoazzn dintn“ rufen. Ich kann auch mit Henning Mankell nichts anfangen und mit Tolstoi. Es ist mir wurscht, was immer auch alle rufen mögen. Es liegt an mir. Und darum sitze ich am Katzentisch. Finds ganz in Ordnung da. Meist hab ich ihn für mich allein, was noch besser ist…

Katzentisch

… und dann fand ich das:

http://belluard.ch/de/archives/1988/der-poetische-act-983/

Vor dem Act gab es ein Autoren-Veranstalteressen, claro, und ich musste am Katzentisch sitzen, mit Cuchulain (glaube ich), während die Großen, Artmann und Bachmann, attestiert von Loverin und Lover, das Wort führten.

Nun sind beide tot. Schon lange. Zu den Arbeiten von beiden habe ich nie einen Zugang gefunden. Was natürlich nur an mir liegt. Darum musste ich auch am Katzentisch sitzen. Damals wie heute. Geschieht mir nur recht…

Schweizer Irgendwas

Friedrich Dürrenmatt (weiß eigentlich noch jemand wer das war?) antwortete einmal auf die Frage, was für ihn Schweizer-Literatur sei: „Schweizer Literatur ist Literatur, die von Schweizern geschrieben wird.»

Heute sah ich mir das Radioprogramm von sfr1 an. Da sieht man das mit der Schweizer-Literatur etwas anders, mehr so, wie das Foto oben. Schweizerfahne, nicht voll entfaltet: Achtung: Kritik…, ein ordentlicher Stoß Dialektholz, ein Zaun (Begrenzung zum Wilden, wilden Wald), ein bisschen Plastikkaschur überm Dialektholz, denn man lehnt das „Moderne“ ja nicht rundherum ab, und eine ordentliche Abflussrinne, vom Spengler deines Vertrauens, die wahlweise Tränen der Rührung oder einfach nur den Seich ableitet.
Also Schweizerliteratur.
Soll ich damit anfangen, dass Dada in Zürich geboren wurde?
Mein Lieblingskritiker behauptet, dass die Berner noch in zwanzig Jahren zu Pedro Lenz Lesungen strömen werden, auch wenn er nur eine weitere Auflage seines „Dr Goalie bin ig“, zu performen hätte.
Dann würden sie halt ihre Kinder mitnehmen, damit die auch schon versaut werden.

Aber vermutlich täuschen wir uns. Und es ist alles gar nicht so piefig gemeint, so holzstoßmässig dialektisch, nicht so  rührselig, nicht so brünzlig; vermutlich ist alles ganz anders: wild und dadamäßig und intensiv, nur ich kriegs wieder mal nicht mit…

Zum Glück ham wer noch Frau Berg…

Abgelenkt

Während gute Kollegen sich gerne aufs Land zurückziehen, um dort konzentriert an ihren Romanen usw. zu arbeiten, komm ich auf dem Land zu nichts.
Neulich saß ich in einem vollbesetzten Zug voller brüllender Touristen und schrieb dabei eine lustige Ministory. Jetzt bin ich abgeschieden in den Bergen und Schreiben ist so weit weg wie Wien.
Das scheint eine simplen Grund zu haben: In der Abgeschiedenheit ist die Ablenkung einfach zu groß. Vor allem in einem Haus, das man zum großen Teil selber gebaut oder eingerichtet hat. Es ist die Natur. Nicht die „Ich-bin-gerne-in-der-Natur-und-glotze“, sondern die richtige Natur, diejenige, die einen gnadenlos rausschmeißt – und alles-unbrauchbar-macht-wenn-man-sich-nicht-kümmert-Natur.

Außerdem ist man wahnsinnig abgelenkt durch das stundenlange Beobachten des Lichtwechsels in der Dämmerung. Die lärmende City ist dagegen ein Ort der Konzentration, man klappt den Laptop auf und los geht’s.

Aber der Fight gegen das Walten der Natur hat auch was für sich: Das Zäuneziehen, das Holzschneiden, das Abdecken, Zudecken, Wintersichermachen, das Mähen und nicht zuletzt das Hutschen von unsympathischen Tieren, die gleich unsympathischen Menschen, nicht einfach ihr Ding machen können, sondern immer irgendwie was von einem wollen.

„Heute hier, morgen dort»

Wir saßen auf dem Balkon, tranken Rittenhouse Rye und Budweiser und irgendwann redeten wir von Hannes Wader und waren uns einig, dass er damals, in den 70-ern, der einzige akzeptable „Liedermacher“ (klingt wie „Sexarbeiterin“) war. Wir taten uns schwer damit, seine späte Freundschaft mit dem bayrischen Sülzkönig Konstantin „Ich seh verdammt noch mal wie Hermmann Hesse aus“ Wecker zu schlucken, aber sei’s drum, wir alle haben unsere Macken. Und gestern morgen stand ich in der Jungfraubahn von Wengen nach Lauterbrunnen und mit einem Mal hoben zwei brüchig-dünne Mädchenstimmen an und sangen fehlerfrei jede Strophe von „Heute hier, morgen dort“. Sie waren etwa acht und zehn Jahre alt. War nicht besonders schön, aber diese Gammlerhymne (weiß noch wer, was ein Gammler war?), die ich vor 40 Jahren geliebt hatte, von kleinen Mädchen in der Jungfraubahn zu vernehmen, das war ein bisschen strange.
Aber vielleicht ist der Song inziwsichen in den Charts und ich habs wieder mal nicht mitgekriegt, wie so einiges aus dieser Sparte…