Die Knallbar Diaries (47)

Die Ahnung war vorhanden, jetzt ist es Gewissheit: wir, die Hippies, sind schuld an Trump, LePen, Putin, Pegida und AfD.

Macht nichts. Ich persönlich bin es gewohnt, schuldig zu sein. Wir sind schuld, weil wir gegen den Staat waren, die Familie, den Zwang, die bescheuerten Lebensperspektiven, die in einem Häusel in einem Vorort zu einem Ende finden sollten. Wir sind schuld, weil wir der Spießerhölle unserer Altvorderen entkommen wollten, weil wir Drogen einwarfen und Hermann Hesse lasen.
Gut, wir habens so halb verkackt, das Make Love not War, das Peace Brother, und den ganzen Rest der Revolution. Wir sind schuld. Geschieht uns recht.
Und irgendwie will man mich jetzt glauben machen, dass ich gewonnen hätte, und weil ich gewonnen hätte, würde ich jetzt Macht ausüben. Etwas dümmeres hab ich noch nie gehört.
Schuld bin trotzdem. Schuld, weil wir nicht den Endsieg davongetragen haben.

Aber wer ist eigentlich Schuld, dass wir Hippies wurden?
Eben.

Das Sprüchemuseum (76)

„Eine Ecke in Schöneberg erregt mich mehr, als der Schnee auf dem Mont Blanc.»

Jörg Fauser

Wir sagen: Das ist zwar nicht der Mont Blanc, nur die Jungfrau, aber Schöneberg ist auch nicht mehr was es einmal war.

Die fucking Story am Sonntag – mit viel fucking, aber eher wenig Cocksucker

  • – Täusche ich mich oder hast du fucking zugelegt?
  • – Das ist jetzt nicht dein fucking Ernst, oder?
  • – Ich wollte nur höflich sein.
  • – Brauchst du nicht. Ich weiß, wie ich aussehe. Zur Zeit.
  • – Dann ist ja gut. Fucking viel bist geworden.
  • – Wie meinst du das?
  • – Na ja, ohne Blumen: Fucking fett.
  • – Fucking Rauchstopp.
  • – Gratuliere.
  • – Was gibt’s da zu gratulieren? Siehst ja was daraus geworden ist. Fucking 15 Kilo mehr.
  • – Und was unternimmst du dagegen?
  • – Unternehmen? Was soll ich unternehmen? – Nichts.
  • – Weiß doch jeder, dass das Rauchen den fucking Darm daran hindert alle Nahrung aufzunehmen und man daher mehr essen kann. Musst halt ein bisschen Sport machen. Wie wär’s mit fucking Joggen?
  • – Geht nicht. Bin zu schwer. Fucking Gelenke.
  • – Radfahren?
  • – Kann ich nicht.
  • – Im Ernst?
  • – Im Ernst.
  • – Fucking Fitnessstudio?
  • – Das ist doch deprimierend. All die fucking Cocksucker, die sich vergebens mühen jung und aktiv zu bleiben und am Ende doch den fucking Löffel abgeben.
  • – Bist du ein fucking Kauz, oder was!
  • – Stimmt doch. Fucking no! Definitiv: Kein fucking Fitnessstudio.
  • – Ich hab’s: Du schaffst dir einen fucking Hund an. Die Spaziergänge mit ihm bringen dich wieder auf Trab…
  • – Ich kann Hunde nicht ausstehen.
  • – Du kannst Hunde nicht ausstehen? Was bist denn du für eine strange Art von Cocksucker?
  • – Einer der vielen, die fucking Hunde nicht mögen. Nichts weiter.
  • – Wie wärs mit Appetitzüglern?
  • – Verträgt mein Magen nicht.
  • – Mit Willenskraft weniger futtern?
  • – Vergiss es.
  • – Ich habs: Fucking Schwimmen.
  • – Ja, das könnte gehen. Schwimmen ist fucking cool.
  • – Na super. Dann haben wir das Problem ja gelöst…
  • – Nee, stopp, geht nicht. In Hallenbädern zieh ich mir immer einen fucking Pilz auf, und in Naturgewässern meldet sich meine Algenallergie. Da bin ich nur noch am Niesen und rotzen.
  • – Dio mio, du bist vielleicht kompliziert. Aber ich geb nich auf.
  • – Wie du willst.
  • – Fucking Rudern?
  • – Mein fucking Arsch passt in kein Boot.
  • – Bergwandern?
  • – Siehst du hier irgendwo einen fucking Berg?
  • – Skilanglauf? Eislaufen?
  • – Wir haben fucking 34 Grad.
  • – Pilates, Yoga, Aerobic, Bodybuilding, Boxen, Thai Chi oder japanischer Schwertkampf…
  • – Drehst du jetzt durch?
  • – Nein. Aber ich gebe nicht auf. Niemals.
  • – Du bist eben ein fucking echter Freund.
  • – Stimmt. Und jetzt hab ich die fucking Lösung…
  • – Und die wäre?
  • – Du kaufst dir eine Schachtel Zigaretten…

Die fuckingfreie fucking story am Sonntag (2)

«Ich liebe Mussorgsky»


Jung-Bauer Modest Moor, der sich nach dem Tod seiner musikverrückten Mutter in Max umbenannt hatte – man hatte ihn als Kind nur „Modi“ gerufen -, bewirtschaftete seinen kleinen Hof im schroffen Holltal allein, und es fehlte ihm an nichts.
Als sich aber irgendwann, ein leiser, dann stetig anschwellender Schmerz in seiner Brust einistete, dachte Max erst einmal an hartnäckiges Sodbrennen. Er sollte vielleicht seine Ernährung ändern, dachte er, und ging zu Bett und vergass das mit der Ernährung gleich wieder.

Eines Morgens wachte er auf, und hatte das Gefühl, dass aus dem Gelege des Schmerzes, kleine, hungrige Schmerzchen geschlüpft waren, die krähend und lebensgierig nach Nahrung verlangten.
Und dieses Gefühl blieb – und wuchs.
Einmal vetraute er sich dem Dorfwirt Wastl an, und der sagte nur: „Max, du brauchst eine Frau.“
Er riet Max, ein Inserat aufzugeben.
„Und stell dein Licht nicht unter den Scheffel“, sagte er. „Die Frauen mögen keine bescheidenen Männer. Trag ruhig mit dem Schaufelbagger auf.“

Max beherzigte Wastls Rat, allerdings mit schlechtem Gewissen.
Er war nun nicht mehr 1,72m groß, sondern 1,82, besaß nicht sieben Kühe, sondern zwölf, sein Haus war kein bescheidenes Anwesen mehr, sondern ein moderner Bungalow mit Hollywoodschaukel, auf der er, wie er schrieb, mit seiner Braut in den Sonnenuntergang schaukeln würde. Dass die Sonne im schroffen Holltal bereits gegen 15 Uhr hinter den gezackten Graten verschwand, erwähnte er nicht.
Er zeigte das Inserat Wastl, der nickte, klopfte ihm auf die Schulter, und das Warten begann.

Eines Tages lag ein parfümierter Brief im Briefkasten, und zwei Wochen später traf Max sich mit Olivia in einem Café der Kreisstadt.
Olivia war groß, dunkel und schlank, mit träumerischen Augen, die Max das Gefühl gaben, dass alle krähenden Schmerzchen in seiner Brust gerade wohlig satt waren.

Sie verabredeten, sich am nächsten Wochenende bei Max zu Hause zu treffen.
Die nächsten Tage blieben die Vögelchen in Max’ Brust ruhig. Dafür meldete sich das schlechte Gewissen. Er schämte sich jetzt und wünschte, er hätte nicht so übertrieben.
„Ach was,“ sagte Wastl. „Nur immer brav den Kurs halten. Dann wird das schon.“

Max bangte dem Wochenende mehr entgegen, als dass er es herbeisehnte.
Als Olivia dann kam und er ihr alles gezeigt hatte, sagte er: „Du hast wohl bemerkt, dass ich ein wenig übertrieben habe.“
„Ja“, sagte Olivia, „aber ich bin auch ein kleines bisschen von der Wahrheit abgewichen…“
„Aber nicht so extrem wie ich, oder?“
„Wie mans nimmt“, sagte Olivia und verschleierte ihren Blick verführerisch. „Ich bin – ein Mann.“
„Okay“, sagte Max. „Aber ich muss noch was gestehen: Ich heiße nicht Max, sondern Modest. – Schlimm?“
„Aber nicht doch. Ist perfekt“, sagte Olivia, „Ich liebe Mussorgsky.»
Wastl wurde Trauzeuge.