Vollstes Verständnis

Wir haben Verständnis für all die Promis, die sich nun in den Socialmedias an den Fall des erschossenen 12-Jährigen dranhängen und ihren Seim dazu absondern, oh ja, wir verstehen das. Wer möchte – und wer vielleicht noch nach einer Idee für einen ergreifend wahren Spruch für ein besticktes Kissen sucht – wird unter diesem Link sicher fündig:

http://www.spiegel.de/panorama/leute/ferguson-boris-becker-lena-dunham-und-co-zu-michael-brown-a-1004893.html

Wir haben auch Verständnis dafür, dass man von den Promis (wir wollen die jetzt nicht bashen, Grundgütiger! Sind ja auch nur Opfer, oder? …) sonst nie was vernimmt, wenn, wie  alle Jahre, in den US-Städten, mehrere hundert Kinder von Gangs erschossen werden, claro, denn dann gibt es ja auch keine Demos, keine Aufstände, keine Brandschatzungen und Plünderungen der Bevölkerung. ( Wo liegt eigentlich der Protestfaktor bei Plünderungen im eigenen Kiez?)

Wir haben auch vollstes Verständnis für die vielen hundert hiesigen Poster, die ihrem Abscheu über die US-Polizei Ausdruck verleihen.
Als vor ein paar Jahren in Niederösterreich, ein unbewaffneter 14-jähriger Ladendieb von einem Polizisten aus nächster Nähe in den Rücken geschossen (tödlich) wurde, war die Gemütslage etwas anders. Auch bei den beiden Rumänen (unbewaffnet) und dem Motorradfahrer, die von der Polizei abgeknallt wurden, sah man die Verfehlungen eher bei den Getöteten, und es bedurfte mächtigen Drucks, dass es überhaupt zu Verhandlungen gegen die Beamten kam, die dann läppische Strafen ausfassten.

Aber natürlich. Das ist was vollkommen anderes.
Als dann noch ein … äh … prominenter Zeitungsbeschrifter von der «Krone» philosophierte: «Wer alt genug zum Stehlen ist, ist auch alte genug zum Sterben», war die Zustimmung nicht gering. Ob er sich das auch im Ferguson-Fall zu schreiben traut?
Eher nicht. Denn in diesem Fall ist die heimische Stimmungslage ziemlich homogen. Denn die Afroamerikaner und die Latinos der USA, genießen wärmste Sympathie. Der US-Ghettobewohner ist dem Hiesigen -quasi – heilig, er gibt ein ziemlich brauchbares Idenfikationsmodel, denn er ist, wie der Hiesige auch, doch nur ein Opfer dieses amerikanischen Satans, dieses Monsterkapitalimus, und all sowas (Liste bitte selber verlängern …)

Dafür haben wir natürlich Verständnis. Wir sind ja selber Opfer. Und auch der Heuchler ist ein Opfer. Wir heißen ihn an den Sitzungen der AH, der anonymen Heuchler, herzlich willkommen.

Eins ist auf jeden Fall sicher: Unter Putin hätt’s das nicht gegeben.
Da hamse doch recht, die Poster, oder?

Was für ein Glück

Wenn man als Opfer-Täter unterwegs ist, geht’s einem wie Schwangeren: Man sieht überall andere Schwangere.

Diesmal erblickte ich den Unterweger Jack, der Lieblings Opfer-Täter der österreichischen Intellektuellen, sozusagen der Udo Proksch für Linke. Ein Film soll es diesmal werden, ein Thriller gar, denn es sind bereits wieder 5 Jahre her, seit Sturminger mit dem Musiktheaterprojekt für Barockorchester «The Infernal Comedy» – mit John Malkovichin in der Rolle des 12-fachen Frauenmörders – im Ronacher gastierte.
Und die gefühlten 22 Bios sind inzwischen auch ausgelesen, und jetzt muss halt ein Film her, einer, der sich wieder mal der Frage widmet, ob dieser kaputte Killer – dessen widerwärtiges, weinerliches Selbstmitleid gepaart mit blutgefrierender Brutalität wirklich nur Schreibtischler täuschen konnte  –  nun echt ein kaputter Killer war oder ob es doch wir waren, die Gesellschaft, die ihn dazu gemacht hat.

Ist diese Frage denn nicht beantwortet?
Aber nicht doch. Denn durch den Suizid Unterwegers wurde das Urteil des Geschworenengerichts nicht rechtskräftig. Es gilt die Unschuldsvermutung. In alle Ewigkeit, Amen.
Was für ein Glück! Was für ein Glück!

Endlich Opfer

In der Redaktion gibt es seit einiger Zeit recht heftige Diskussionen. Sie drehen sich vor allem darum, ob es nicht langsam an der Zeit sei, uns auch als Opfer zu deklarieren. In einer sich selbst zersetzenden Gesellschaft, die sich mehr und mehr, in ein Konglomerat aus hunderten von «Opfer-Stämmen» verwandelt, kann auch die Positionierung dieser Blog-Redaktion nicht hintanstehen.  Auch wir brauchen unser Opfer-Tribe-Signet.

Nach nicht endenden, wochenlangen Diskussionen, sind wir zum Schluss gekommen, dass unser Opferstatus, der eines «Täters» sein soll. Ganz austriakische Tradition. Denn welches Opfer ist schon opfriger als der Täter?

Denn der Täter ist das Opfer des Opfers. Er wird geächtet, bestraft, gemieden, verlacht, verhöhnt, beschimpft, gebrandmarkt und mitunter verknackt.
Und Täter, passt halt am Besten zu uns. Denn:
wir halten die USA für eine immer noch vitale Demokratie, haben schon mal Neger und Zigeuner geschrieben, halten uns für keine Nahostspezialisten, finden, dass Frauen auch Nazis waren und sein können, ja, sogar, dass sie manchmal dummes Zeug reden, halten Putin für einen Faschisten (auch wenn hierzulande alle Krypta-Nazis ihn geil finden). Auch halten wir links für den betonierten status quo, und sind  der Meinung, dass Gewalt mitunter angewendet werden muss, und tun es auch hin und wieder (natürlich nur unsere 17-jährige Türsteherpraktikantin).

Ja. Nun ist es soweit. Wir sind endlich auch Opfer. Eine Minderheit. Und wir verlangen, wie alle anderen Opfer auch, Respekt, Parkplätze und komfortable Täter-Pissoirs.

Übrigens:
Wie kommt man gratis zu einem iphone?
Man sagt einem Russen, dass der Apple-Chef schwul ist.

Finally! Klitschko-Pulev

Am 27. April schrieb ich:

» … Klitschko-Leapai ist, übersetzt in die (Krimi)Literatur, Chandler gegen Lewitscharow , und Klitschko hatte bestimmt die Anweisung, den überforderten Leapai doch – bitte, bitte – ein paar Runden stehen zu lassen, damit die Werbekunden auf ihre Kosten kamen. Was er dann auch tat. Klitschko fuhr – um ein Bild aus dem Autosport heran zu ziehen –  das Rennen im Rückwärtsgang nach Hause. Nun denn: Wladimir kann man die Schuld nicht umhängen, er hat einen guten Job gemacht, keinen einzigen Schlag kassiert, und die Dusche danach fiel vermutlich kurz und unter fröhlichem Absingen der ukrainischen Hymne aus. Gut so.

Für den nächsten Fight allerdings, wird Klitschko noch mehr Ernst als gewohnt aufbieten müssen, denn dann bekommt er es mit Kubrat Pulev zu tun, einem äußerst gelassenen, intelligenten und kampfstarken Mann, der auch schon große Männer nach allen Regeln der Kunst auseinander genommen hat. Wie “Sascha” Dimitrenko und den weißrussischen Riesen Alexander Ustinov.
Natürlich: Klitschko ist Favorit, aber, und das prolete ich laut hinaus: Es wird ein richtiger Kampf! Versprochen.
Denis Johnson gegen Nick Tosches.
Oder so. «

Und, Freude, Freunde, Freude, heute ist es soweit, um 23 Uhr MEZ, in RTL, Wladimir Klitschko gegen Kubrat Pulev!
Wen Boxen noch juckt, der möge das Gerät andrehen und das Gedöns und die gefühlten zweitausend Nationalhymnen durchstehen oder gar erst einschalten, kurz bevor der Gong ertönt. Pulev-Klitschko. Und wenn Pulev kein Blackout hat und seine Linke nicht immer sinken lässt, ja dann, dann werden wir vielleicht wirklich wieder mal einen Fight sehen …