Block Nr. 495

Dem Regisseur, Autor, Boxer, Schauspieler John Huston wurde nachgesagt, dass er in seinen Filmen keinen unverwechselbaren, eindeutigen Stil zeigte. Huston passte den narrativen Stil dem Stoff an. Das gefällt mir. Wozu sollte man einen einzigen Stil pflegen?

Die Verlegermeister könnten es wollen. Es wird gesagt, dass die Provenienz eines Textes nach einem Absatz klar und deutlich auszumachen sein muss. Aber. Nicht. Jeder. Hat eine unverwechselbare. Stilmarotte.

Gut. Das war jetzt etwas plakativ. Einmal las ich 700 Seiten Stakkato. Sätze ohne Nebensatz. Das hält man nicht aus. Denkt man. Aber wenn es ein inspirierter Maniak wie James Ellroy runterschraubt, funktionierts. Manchmal. Aber hin und wieder sollte auch ein fließender, auf dem Wellenkamm surfernder Satz das Stroboskop ablösen, denn wir wollen nicht immer das Hackebeilchen, auch wenn es sich hübsch anhört wie es die Knochen knackt, nein, wir wollen auch hin und wieder sehen, wie der Wurstdarm sich mit Fleisch füllt, wie er schlangengleich durch Frauenhände gleitet, bis ihm die Abbindemaschine einen Metallring verpasst. Klack. Und nun wieder von vorn. Hackebeil. Fleischwolf. Wurstdarmflutschen.

Ich bin Vegetarier. Zumindest zu 95%.

Sigmund hilf!

(Dieser Block wurde von Ingo Schulze verfasst)

Block Nr. 494

Einen guten Steinwurf (vermutlich schreibe ich heute wie Schiller oder Fontane) vom Geisteszentrum entfernt, hockte eine russische Saatkrähe auf einem Mistkübel (gab’s vermutlich zu Schillers Zeiten noch nicht) und zupfte und zog an einer prallen Tüte von «Burger King», die sie durch die schmale Öffnung zu kriegen versuchte. Schlaues Kerlchen, dachte ich, und ging im Abstand von 2 Metern an ihr vorbei, und da äugte sie mich aggressiv an, wie so’n Homie der gerade ne Schlampe in der Mache hatte (das wird kein Schiller nicht), und sah so aus, als würde sie mich lieber angreifen als die Tüte zurückzulassen. Scheißausländer, dachte ich, aber dann fiel mir ein, dass ich ja auch ein Scheißausländer bin, und darum fand ich sie wieder gut, die russische Saatkrähe, vor allem, dass sie sich ihr Futter aus dem Mist besorgte und nicht die kleinen Eier der kleinen Spatzen aufhackte und fraß, die Eier einer Vogelart, die bereits am Aussterben ist, und ich fragte mich, wann ich zum letzten Mal so eines Spatzes leibhaftig ansichtig geworden war (vielleicht wird’s doch Schiller?), und da fiel mir echt nichts ein, und da wurde ich traurig, und ging traurig nach Hause und erzählte den Kindern die Geschichte von der Krähe, die sie erst lustig fanden, bis ich ihnen auch die Kiste mit den Spatzen öffnete, und da hassten sie die Krähen inbrünstig, und sie beschlossen, für den Winter ein Vogelhäuschen zu bauen, eins, wo auch die Dreckstauben nicht reinkämen, weil so Dreckstauben eben auch Spatzenkiller sind, und wir sassen da, und hassten alle zusammen diese Scheißkrähen und Dreckstauben, weil sie die Spatzen aussterben machten.

Mal sehen, was aus dem Vogelhaus wird…

(Es wurde in der Tat kein Schiller, aber trotzdem nichts Geringeres als Friederike Mayröcker. Sapperlot, Alter!)

Block Nr. 493

Gut, ich seh’s ein. Kein Preis für mich. Vermutlich nicht mal Hass. Warum auch? Hassen ist anstrengend. Und warum sollte man mich hassen? Für die beinahe 800 Narrenblocks? Ach nee, die Zeiten sind vorbei.

Als Friedrich Dürrenmatt in den siebziger Jahren einen großen Preis erhielt, sagte er in seiner Rede (sinngemäß): «Mit Preisen verhält es sich wie mit den anderen Dingen im Leben auch: Man bekommt sie erst, wenn man sie nicht mehr braucht.» Und er vermachte die Penunze einigen seiner Kollegen, die gerade harte Zeiten durchmachten. Sergius Golowin, Niklaus Meienberg, Matthias Diggelmann und anderen quertreibenden Journalisten und Schriftstellern.

Ich war beeindruckt. Zum einen von der Tatsache, dass Dürrenmatt, ein weltberühmter Autor in seinen Fünfzigern, offensichtlich nicht mit Preisen zugeschissen wurde, zum anderen von seiner Solidarität und Großzügigkeit, seinem Gefühl für gut platzierte Seitenhiebe in die osteoporösen Rippen des etablierten Literatur-und Journalbetriebs. Das hatte Klasse. Gibt’s sowas heute noch? Wann das letzte Mal gesehen?

Neulich erhielt ein alter Bekannter von mir einen Anerkennungspreis (oder so). Dem Vernehmen nach soll er auf die Bühne geschlurft, Danke ins Mikro gemurrt haben, und wieder abgegangen sein. Das ist nicht schön. Das ist auch nicht provokant, wie es ebenfalls nicht provokant ist, jemandes Gedichtvortrag lautstark zu unterbrechen um des Langen und Breiten kundzutun, dass man mal muss. Es ist nur distanzlos, ziemlich nervtötend, illoyal und kindisch. Wenn ich einen Preis erhielte, würde ich eine schöne Oscar-Dankesrede halten.

«Als erstes möchte ich mal meinen Eltern danken, die so gut GV gemacht haben, dass ein solch leuchtendes Genie dabei entstanden ist. Dann danke ich auch meinen Feinden, jenen, die mir dringend geraten haben, die Schreibmaschine zu verschrotten, und die mich nun um Texte anbetteln um damit ihre Bücher zu füllen. Ich danke allen, die niemals an mich geglaubt haben, und all denen die mich verachtet, geschlagen, verstoßen, schikaniert, entlassen, verjagt, besoffen gemacht und abgelehnt haben. Ich danke den Dealern. Meinem Weinhändler und natürlich meinem behandelnden Nervenarzt. Und vor allem danke ich euch, liebe Jury, dass ihr es endlich geschafft habt, einmal etwas Richtiges zu tun. Betrachtet euch als gefickt!»

(Diesen Block verfasste der Autor wieder einmal wie Thomas Bernhard)

Block Nr. 492

Beim Songdog Verlag, im gediegenen 2. Salon des Hauses, votierten letztes Frühjahr 5 der 7 wichtigsten Verlagsmitarbeiter für die Herausgabe eines kleinen Büchleins, und zwar auf den 17. Januar 2012. Es sollte eine Hommage an einen der größten, wichtigsten und vorbildlichsten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts entstehen; ein kleiner, aber feiner Geburtstagsgruß, nämlich zum Siebziger von Muhammad Ali.

Es kommt nicht zustande. Die Hommage. Das liegt zum einen darin, dass der Songdog Verlag an Dilettantismus kränkelt, und sämtliche Fehler der Unprofessionellen macht (das muss mal gesagt sein, tammi nomal!). Nämlich? Arbeitsplätze schaffen. Für Bürolisten. Für vollkommen überflüssige, sogenannte Entscheidungsträger, Nullen im Nadelstreif, die im Salon wichtig die Beine übereinanderschlagen, Zigarillos paffen und darauf warten dass ein Kokurrenzunternehmen hopps geht, und deren verlagslosen Zugpferde in den Salon schneien; verzweifelt, pleite und notgeil, und die Songdogs sie mit Hoferfusel -den sie zuvor in Armagnac Flaschen abgefüllt haben- besoffen machen und sie dann Knebelverträge unterschreiben lassen.

Aber sie kommen nicht. Die Superautoren. Nicht mal Martin Walser. Oder Günther Grass. Vermutlich hätten die Stiesel im Songdog Salon sogar die unter Vertrag genommen. Vielleicht sogar… Aber lassen wir das.

Zum anderen geht es Muhammad Ali sehr schlecht. Es gibt nicht wenige die glauben, dass er seinen 70-ger gar nicht mehr erleben wird. Das ist traurig. Traurig für mich. Und ein paar Millionen andere. Und es bringt einem wieder mal nahe, dass wir – wie unlängst Neil Young an einem Konzert bemerkte – in ein Alter kommen, wo wir unsere Eltern verlieren.

Und Muhammad Ali ist einer davon.

(Diesen Blockeintrag verfasste der Autor im Stil Ingo Schulzes)

Block Nr. 491

Erst jetzt erkenne ich, was mein etwas alberner Genius mit dem Block geschaffen hat: Eine Art Wikipedia des Zürnens, Haderns, Fluchens und Lästerns; eine Trouvaille für Wissenshungrige, ein Goldwaschsieb für Meinungsschwache, einen Themenfundus für Seminaristen und Gymnasiasten (es existieren bereits 5 Arbeiten von Gymnasiastinnen zu Büchern und Themen von mir), einen Steinbruch der Meinungsverbildung, eine Frittatensuppe der Wortneuschöpfungen, und ein Lexikon der Nichtigkeiten, der Polemik und der kompletten Idiotie. Zudem gibt er Geheimnisse preis. Man muss nur das Suchfeld nutzen und z.B. «Leone» eingeben. Da kriegt man frank und frei ein schönes Geheimnis verraten, etwas von filmhistorischer, aber unbekannter, Bedeutung.

Gibt man Papst ein, so wird der geneigte Leser den Wandel des Blockers erkennen können. Vom Papstschmäher zum Papstlober. Die einen werden sagen, sieh an, er ist weich geworden, die anderen werden anerkennend anmerken, dass der Autor sich entwickelt und sich nicht scheut, Überkommenes und Widerlegtes abzulegen, und sie rufen aus: Welch lebendiger Geist!!

Gibt man hingegen «Arsch» in das Kästchen, hat man eine Flut von Texten vor sich. Romanlänge. Wer etwas über Franz Dobler wissen will, hämmert «Dobler» in die Tasten. Oder Cash oder Hendrix oder Josef Winkler oder Denis Johnson oder gar Henk.

Oder Boxen. Was habe ich nicht über Boxen geblockt? Oder Politik? Und das nur so nebenbei. In zwei Jahren. Aber der Block wäre noch mächtiger. Die ersten 300 Texte gibt es allerdings nur noch in Buchform «LOG», aber es ist inzwischen nicht mehr lieferbar.

Bin ich denn nicht großartig? So viele Worte? Und so manches zuviel? Da und dort eins zu wenig. Aber doch. Ich werde jetzt hier sitzenbleiben und warten bis jemand kommt, und mir einen Preis verleiht. Den Dan Blocker-Preis für den größten Stetson und den längsten Revolvergürtel…

(Aber natürlich weiß kein Schwein mehr, wer Dan Blocker ist. Ohne zu googeln.)

(Diesen Text schrieb der Autor wie Franz Kafka)

Block Nr. 490

Seit Juli 2009 habe ich 490 Block-Einträge verfasst. Längere, kürze, mittlere. Gute, mittelgute, durchschnittliche, schlechte, ganz schlechte, überflüssige, unnötige, schnell hingewürfelte, unausgegorene, undurchdachte, gscheite, kluge und manchmal auch, wenn auch selten, einfach gute. Das sind mir die Liebsten. Zusammen mit den Sonntagsschüssen, und den spektakulären Lattenpendlern. Geht der rein oder doch nicht?

490 Einträge. Gratisware. Allet umsunst. Nun denn. Wer rausfindet wie man mit Musik, Literatur usw. im Netz Geld machen kann, der hat ES gefunden. Aber es geht ja nicht immer um Geld. Manchmal geht’s auch um was anderes. Aber um was? Ich weiß es nicht. Manchmal schon, aber meistens nicht. Ich habe gerade die Arbeit an meinem Roman unterbrochen und blicke in den Hinterhof. Sieht aus wie September. Man hat der Linde zwei große Äste gekappt, aber die Blätter sind noch alle dran. Der Wind tut ein bisschen rum, zwei Möwen steigen auf und sinken wieder hinter die Häuser. Hammer und Meissel Geklöppel. Ryan Adams macht gerade Pause. Bald werde ich mein Johnny Cash T-Shirt anziehen und rübergehen, um für die Meute zu kochen. Die Jungs mögen das Johnny Cash-T-Shirt. Weil da «Cowboy-Pistolen» drauf sind.

Nun, nach BLock Nr. 500 werde ich mal eine Blockpause einlegen. Sagen wir, es wird ein Experiment. Was für eins? Keine Ahnung. Vielleicht der Versuch, einfach mal nicht zu blocken. Könnte schwierig werden. Ziemlich schwierig. Aber, on verra, wie wir Blocker zu sagen pflegen. Ist ja noch ein bisschen hin zum halben Tausend. Aber ich wollt’s halt gesagt haben.

(Diesen Block schrieb der Autor wieder wie Melinda Nadj Abonji)

Nur ein Rat

Gottlieb Duttweiler, der Gründer der MIGROS, den ich – nebenbei – für einen der ganz Großen des 20. Jahrhunderts halte, ließ einmal verlauten: «Wenn’s den anderen gut geht, geht’s mir auch gut.» Das ist mehr als nur klug bemerkt, das ist weise und ein Gedanke von tiefer Humanität und Stringenz. Wir wissen oder ahnen zumindest, dass es heute gerade umgekehrt ist: «Wenn’s den anderen schlecht geht, geht’s mir gut.» Glaubt man. Ist natürlich gegeigter Mumpitz. Aber selbst in Österreich wird doch ab und zu die Mär von «der Wettbewerbs- und Leistungsgesellschaft» proklamiert, und dann tun viele so, als wär’s wahr und quälen ihre armen Kinder – angstvoll – mit Chinesisch für Eineinhalbjährige, pränatales Englisch, und Mathematik für fortgeschrittene 1-Jährige, verplanen die Freiminuten der Sprösslinge, auf dass sie ja keine Zeit verschwenden mit nutzlosem Herumtoben, Blödeln, Rumrennen und unnütz Frischluftschnappen im Park, und rufen dreimal die Woche die Lehrerschaft an, um sich zu beschweren. Über zu viel, zu wenig, zu bald, zu spät, zu laut und so weiter und so fort.

Dabei weiß jedes Kind auf der Welt, dass in Österreich nicht zählt, was du kannst, sondern wen du kennst, und Österreich ist nicht für Leistung und Wettbewerb berühmt, sondern für fein ziselierte Intrigen, geklotzten Nepotismus, hervorragenden Wein und äußerst kunstvoll gestalteten Rufmord. Leistung und Wettbewerb? Gibt es natürlich auch. Aber das ist ein wenig so, als wäre die Schweiz bekannt für ihren Tabakanbau. Den gibt es ja auch.

Da mich ambitionierte Leute langweilen wie die herausgebellten Worthülsen des Bundeskanzlers, und ich nicht mal über einen mickrigen Magistertitel (lic.) verfüge, sind meine Chancen gesellschaftlich zu reüssieren, respektive die meiner Kinder, gleich null. Darum dürfen meine Kinder machen was sie wollen. Ich bringe ihnen denken bei, und die Freude, sich draußen frei zu bewegen, und das Besitz nervt und belastet.

Sie lernen mit Freude und mühelos. Es wird ihnen nichts nützen. Nepotismus ist die Herrschaft der Dummen und Unfähigen. Und wenn sich die Klugen und Fleißigen davon nicht schrecken lassen, und trotzdem was auf die Beine stellen, bringt man sie am Besten um, wie man in Götz Alis neuem Buch «Warum die Juden, warum die Deutschen?» nachlesen kann.

Es kann sein, dass sich bald nicht mehr alle diese Chancenlosigkeit gefallen lassen. Ich empfehle den Nepotisten und Korruptolitikern genügend große Gefängnisse zu bauen.

(Diesen Block schrieb der Autor wie Peter Handke)

Nur ein Satz

Als man Saddam aus seinem Erdloch zog, und ein US-Arzt mit diesem Riesenohrenstäbchen in seinem Mund herumfuhrwerkte, als wär der Diktator ein Obdachloser der in Verdacht stand, sich an kleinen Mädchen vergangen zu haben; und als man neulich den irren Camper aus der Kanalisation gefischt hat, wie einen flüchtigen Handtaschendieb, blutend, voller Angst und vollen Hosen, um sein Leben flehend, «Allahu akbar» ausstoßend, und ihm dann einer oder zwei – oder noch mehr- in brodelnder Wut und Freude und Kriegswahnsinn ein paar Kugeln in seine Diktatorenleber und den Tyrannenkopf gejagt haben, ja, da regte sich Mitleid bei einigen von uns, und wir erkannten das Kreatürliche, das rein Menschliche, und dass auch ein mächtiger, folternder, tötender Scheißkerl nur ein Mensch ist und Angst vorm Sterben hat, und dann begriffen wir, dass aller Prunk und alle Macht «Haschen nach Wind» (Prediger Salomo) ist, und uns beschlich ein seltsames Gefühl während sie im Fernsehen von «Würde» sprachen, und als wir danach auf die Straße gingen und ein Stück Flüchtling an uns vorbeischlurfte und uns mit erloschenen Augen ansah, dachten wir: «Der kommt auch nur her, um sich in die soziale Hängematte zu legen.»

(Diesen Block schrieb der Autor wie Melinda Nadj Abonji)

Jawoll. Wien ist schön.

Wieder mal in der Schweiz. Aus verschiedenen Gründen. (Als brauchte man Gründe, um in der Schweiz zu sein?) In den Festivitäten begründet: Eine Menge unbekannter Leute. Und wenn sie erfuhren, dass ich in Wien lebe, so kam es immer gleich (entzückt): «In Wien? Schön!»

Jawoll! Wien ist schön. Recht hamse. In ihren leuchtenden Augen drehten sich die Riesenräder vor denen Fiaker weinselige Touristen durch die Ringstraße zum nächsten Heurigen kutschierten.

Jawoll. Wien ist schön. Jetzt lebt auch noch der tolle, piefkinesische Schriftsteller Herr Lottmann in Wien und findet die Wiener so überhaupt nicht deutschenfeindlich. Tja, sag ich da nur.

Aber in Sachen Fremdenfeindlichkeit sind die Schweizer gerechter als die Wiener (was man so hört…). Der Deutsche genießt in Helvetien keinerlei Privilegien, und ihm werden die guten Wohnungen ebenso verwehrt wie dem Albaner und den anderen Tschuschen. Nicht so wie damals, als mein Freund, der tschechische Wirt des «Nachtasyls» Jiri Chmel, auf meine Bemerkung, dass wir beide doch Ausländer seien, antwortete: «Ja. Aber du bist der bessere.»

Jawoll. Wien ist schön. Ich schätze die Schönheit, die es mir ungestraft gestattet meine Soziophobie so exzessiv auszuleben und trotzdem eine Menge Leute zu kennen. Ich liebe Wien dafür, dass es allen wurscht ist wie man sich hier fühlt, ich liebe es, weil ich im Geisteszentrum freundliche Menschen kenne, mit denen ich nicht sprechen und Banalitäten tauschen muss, und denen es, gleich mir, genügt, zu grüßen. In Wien kann man sich «verstecken und entdecken», wie der Dichter Thomas Brasch über Berlin sagte.

Jawoll. Wien ist schön. Wenn der Flieger die Räder in Schwechat auf die Piste setzt, kriege ich eine Wut. Ohne jeden Anlass. Mein Hirn beginnt Schmähschriften zu verfassen. Wo, meine Lieben, kriegt man so was schon geboten? Und wo, außer in Wien, kann man jeden hingebungsvoll und ohne schlechtes Gewissen so hemmungslos hassen? Na ja. So ein bisserl hassen, halt. Und wo, außer im schönen Wien, weiß kein Arsch, warum das überhaupt so ist?

Jawoll, liebe Schweizer, Wien ist schön.

(Diesen Block schrieb der Autor wie Thomas Bernhard)

Geil!

Gestern fiel ich zufälligerweise in irgendeine TV-Sendung (ZDF ?) und durfte Zeuge werden, wie eine glücksstrahlende Maklerin dem geneigten Zuseher erzählte, wie seit neuestem griechisches Geld auf den Berliner Wohnungsmarkt drängt. In rauen Mengen. Dann sah man fette griechische Männer mit sündteuren Onassis-Brillen, die sich in Charlottenburg Wohnungen ansahen. Und dann kauften.

So läuft das, dachte ich, das ist jetzt eine Gratis-Lektion in Heuschreckenkapitalismus, schau’s dir an, du wirst es vielleicht noch oft sehen, aber vielleicht auch nicht. (Könnte ja einige von uns noch wütender machen, ja?)

Also wie war das jetzt? Die Griechen haben keine Wirtschaft. Sie sind pleite. Diejenigen, die noch nicht pleite sind, holen ihren steuerhinterzogenen Raps von der Bank, fahren nach Berlin und kaufen damit Wohnungen. Das wird – den Gesetzen des Marktes gehorchend – die Wohnungen verteuern, und zwar für diejenigen, die mit ihrem Raps die Griechen retten müssen, deren Pleite durch das Abziehen der Gelder aus griechischen Banken noch beschleunigt wird.

Also wenn das nicht geil ist, was dann? (Die Maklerin sah ganz nach Aqua planing aus.)

Oder ist alles ganz anders? Und ich seh das vielleicht etwas verzerrt? Oder was? Oder wie?

(Diesen Block schrieb der Autor wie Theodor Fontane)