Happy birthday, Mister Willie Nelson

Natürlich kommt er nicht nach Wien. Er war einmal da, in den neunzigern, aber das war zu einer Zeit, als es sich in der Szene noch nicht rumgesprochen hatte: «Vienna? Don’t try.»
Wer Country macht, kommt nicht an die braune Donau? Stimmt. Außer jener Country, in dem in jedem Vers truck, home und beer vorkommt, dann schon, denn dann ölt der Hausmeister aus Favoriten seinen original nachgebauten Peacemaker, setzt den Stetson auf, und «Dieseinige» stopft die Fetten in die Jeans und zwängt die Flossen in die Boots von Deichmann, nur so, für den Squaredance nach den Spareribs. That’s country, listend in Vienna.

Nicht mal Lucinda Williams, die bald eine Euro-Tour absolviert macht in Ösi-County Station, dafür im Kaufleutensaal in Zürich. Anyway.
Aber der Mann hat heute Geburtstag. Er ist 80 geworden und ein hervorragender Golfer. Er ist einer der besten songwriter ever, und das Spiel auf seiner ramponierten Martin ist einfach hammermäßig. Von seiner Crooner-stimme nicht zu sprechen. Kollege und Freund Kris Kristofferson sagte einmal: «His heroic face will be on stamps and money, and it will always represent freedom, heart, and laughter.»
So ist es. Besser könnte es in unserer Redaktion auch niemand formulieren. Wir lieben ihn einfach alle, alle, alle. Und heute, an seinem Geburtstag läuft das 3-er Album «Revolutions of time … the journey  1975*1993.

Willi we love you! Cien anos!
Happy birthday, Mister Willie Nelson!

Kehrt um

Vor noch nicht allzulanger Zeit, war Deutschland anders. Der Ton. Die Debatten. Wohltuend anders. Sachlich. Eher kühl. Manchmal so lösungsorientiert wie die Schweiz. Aber das ist vorbei. Jetzt hat Deutschland die Uli Hoeneß-Steuergerechtigkeits-Debatte. Und nun geht’s flott nach oben, jetzt wird die Chose auf österreichischen Emotionalstandard gepumpt. Deutschland verösterreichert. Verze-es-ut.

Man bedient sich in der Debatte aus dem Wortschatz der Heuchler, und des Beziehungskistenknatschs bei Kalwass: Sünder, verzeihen, enttäuscht, menschlich.
62 % der Deutschen finden Hoeneß «menschlich». No na. Was denn sonst? Tulpisch? Oder steinisch? Gar zebraisch?
Die Birnen werden weicher. Merkbar.
Hoeneß ist menschlich, weil er seinen alten Kumpel Müller nicht versumpfen ließ und ihm einen Job verschaffte? Sapperlot. Wir sind beeindruckt. Friedensnobelpreis verdächtig, sagen wir.
Für jeden anderen allerdings, eine Selbstverständlichkeit, einen Freund nicht hängen zu lassen. Zumal es den «Menschlichen» nullkommagarnichts kostet.
Ich kann mich da nur wundern. Ist es bei euch jetzt auch schon so weit? Seppldummes Emogestammel statt Fakten? Wie hier?
Ich sag’s euch: Das ist nicht schön, liebe Deutsche.
Kehrt um, solange es noch Zeit ist …

Das Sprüchemuseum (21)

«Ich folge der Bibel, wonach jeder den anderen so behandeln sollte, wie er selbst behandelt werden möchte.»
Horst Seehofer (CSU-Chef zur Causa Hoeneß)

Wir sagen: Das ist zwar von Herr Kant und nicht von Frau Bibel, aber andererseits, wie sollte ein bayrischer Katholen-Polito von der CSU, auch nur eines von beiden kennen?

Das Sprüchemuseum (20)

«Die Katholiken, die über Jahrhunderte aus religiösen Gründen Kredite bekämpft haben, haben in den letzten Jahren besonders stark zugeschlagen. Irland, Spanien, Portugal, Italien sind von Schulden «besoffen». Es ist, als hätte man Abstinenzler in eine All-inclusive- Bar gesteckt.»
Nassim Taleb (Zufallsforscher und Ökonom)

Wir sagen: In unserer Jugend waren es Rocker, Poeten und Schriftsteller die die echten und wahren Dinge gesagt haben. Tja.

Das Sprüchemuseum (19)

Hoeneß hat einigen Medien mit Klagen gedroht: «Gegen die Exzesse in einigen Berichterstattungen werde ich mich anwaltschaftlich zur Wehr setzen», sagte er dem «Münchner Merkur»; für eine Zeitung, behauptete er, «wird das richtig teuer».

Wir fragen: «Sollen wir das Geld gleich auf eine Schweizer Bank legen oder wollen’s Sie’s doch lieber in Rubel?»

Der hat fertig

Auf dem Weg vom Geisteszentrum nach Hause, verspürte ich mit einem Mal den Wunsch etwas über Uli Hoeneß zu schreiben. Das war seltsam. Und dieses Seltsame machte mich unempfänglich für die Schönheit des aufblühenden Parks des Palais Schönburg, und auch für die Dumpfheit der Zeitungsdiebe, die mir sonntags immer den Weg versüßt hatten, mit ihrem dreisten Geklaue der üblen Makulatur in den Dispensern.

Wie gesagt: sehr strange.

Ich sagte dann zu mir selber: «Du kannst doch nicht ernsthaft erwägen, etwas über Uli Hoeneß zu schreiben. Bist du teppert oder was?!»
Aber ich konnte mir nicht richtig zuhören.
Denn jetzt soll der gute Uli, der Kämpe gegen die Korrumpiertheit der FIFA, der gütige Samichlaus für finanziell angeschlagene Clubs, der grobe Polterer mit dem weichen Herzen, jetzt also soll der auch noch eine weiche Birne haben?
Steuerhinterziehung? Ist denn gar nichts mehr heilig?
Ist denn letztlich alles nur infames Gequatsche, hinter dem nichts anderes steht, als kranke Gier ?

Sieht so aus. Ob ich was schreibe oder nicht: Der hat fertig.

Ich mache aus meinem Herzen keine Mördergrube: Ist echt schade.

Südufer-Alemannen im Zug (Ausland)

Ein Trüppchen Südufer-Alemannen im Zug. Von Salzburg nach Linz. Von der Mozartkugel zur neuen Oper. Kulturisten, also. Sie sind im Ausland. Man merkt es an der Lautstärke. In der Schweiz würden es die Oldies – mit junger Verstärkung – nicht wagen, so laut im Waggon herumzuproleten. Und wenn man schon im Ausland ist, dann genehmigt man sich gerne ein Gläschen.

Ein Viertelchen Weißwein wird geordert. Zum Fläschchen bringt die ungarische Kellnerin 3 Gläser. Das reicht den Südufer-Alemannen aber nicht. Sie schicken sie – ungeniert – um ein viertes Glas. 4 Gläser und 1/4 Wein! Sie prassen wieder mal! Sie erheben sich von den Sitzen und prosten sich durch den ganzen Waggon zu. «Söll gältä!»

Dann, als der Zug nach einer halben Stunde in Linz einfährt wo sie raus müssen, fragt eine: «Müssen wir jetzt auf Ex austrinken?»

Da bekam ich eine Gänsehaut …

Der Rep als Gentleman

Früher, als mein Haupthaar noch so voll wie heute war, konnte man im Zug noch auf den «Gentleman» treffen. Der Gentleman war der Mann, der den Ladies das Gepäck in die Ablage hievte. Früher waren das zumeist Koffer, ohne Rollen natürlich, denn die Rollen kamen erst dran, als «Hallo Dienstmann» Hans Moser in Pension ging.

Als ich neulich in den Zug stieg – wie immer viel zu früh – und Zeit hatte, die mitreisenden Mitmenschen zu beobachten, sah ich einen langgezogen Siechenzug durch den Waggon ziehen, Männlein und Weiblein, die ihr Gepäck, wie Django den Sarg mit dem MG, hinter sich herzogen. Der Autor im Rep und der Verleger im Rep, freuten sich, denn es machte den Anschein, als wären hier nur Menschen zu Gange, deren Rollkoffer mit Bücher angefüllt waren.

Als sie dann jeweils ihren Platz gefunden hatten, standen sie etwas ratlos vor ihrem Gepäck, wussten nicht, wohin damit. Es hätte natürlich locker in die Ablage über den Sitzen gepasst, aber wie, das war die Frage die alle zu martern schien, konnte es dorthin gelangen? Kein Hubstapler oder Kran in der Nähe.

Für diese Fälle gab es früher den Gentleman. Früher. Denn der heutige Gentleman hat «Rücken». Der ordentliche Gentleman hat mindestens einen Bandscheibenvorfall L7, wenns geht hat er noch einen H3 und den aufkeimenden Ansatz eines unverkennbaren Burnouts. Außerdem kriegt der Gentleman von heute, nicht mal seinen eigenen Koffer hinauf und würde selbst die Dienste eines Gentleman benötigen.

Ich gab dann den Gentleman.
Nicht für alle Bedürftigen – denn dies könnte heute ein zukunftsversprechender Berufszweig werden (und ich habe schon ein paar Berufe) -, aber doch für die Schwächste der Schwachen, und als ich die Koffer hochhievte, jene Koffer, mit denen die Ziehenden gewirkt hatten als wären sie beim Pyramidenbau beschäftigt, erwiesen die sich dann als mit Daunen angefüllt, so dass sich der Rep fragte, wohin denn diese Gesellschaft steuerte, mit ihren Bandscheibenvorfällen und dem daunenbefüllten Gepäck?
Aber bevor er die Frage vertiefen konnte, sagte die Lady zu ihm: «Danke vielmals. Die Tiroler sind halt die doch die Besten.»

Der Rep blieb ihr die Antwort schuldig.

Der Rep bei den Alemannen

Gestern stand ich am Hafen in Lindau und blickte auf die Südseite des Bodensees hinüber, ich blickte auf die Alpen, deren Riegel vom Rhein unterbrochen wurde, in nicht vorstellbarer Kleinstarbeit über die Jahrmillionen, und während ich blickte, begann es zu regnen, so ein bisschen nur, aber die Leute spannten die Schirme auf, ohne richtig zu wissen warum, denn gleich drückte wieder die Sonne durch die Wolken, die aussahen wie das Spiegelbild des Sees: platt und grau wie eine verdreckte Zeitung. Nun wurde es gleich warm und feucht und der See roch wie ein See so riecht, ein bisschen fischig und nach Schlamm auf Steinen, die an der Sonne trocknen. Das war also Lindau. Nett.

Die klugen Alemannen, die sich an diesem See niedergelassen hatten! Nettes Klima, nicht zu kühl, nicht garstig im Winter und im Sommer nicht zu heiß, im Herbst vielleicht etwas neblig, aber eigentlich okay, nicht mal die Berge waren abweisend und hart und hoch, sondern sanft, beinahe lieblich, händchenhaltend, märchenhaft, und der Säntis, der Höchste von ihnen, war nicht annähernd die Eigernordwand und reichte der gerade mal bis zum Bauchnabel. Höchstens.

Da lebten sie also die Alemannen, diese Hilfsgermanen, denen der Sinn nicht nach Abenteuer, Eroberung und pulsierendem Stadtleben stand. Sie waren es zufrieden in diesem milden Klima zu leben, mit den Tulpen auf der Insel Mainau. Nur keine Aufregung. Das war schlecht für Arbeit und Geschäft.

Sie können was, die Alemannen. Beim Arbeiten macht ihnen keiner was vor, und beim Sparen sowieso nicht. Martin Walser lebt sein Lebtag da und schreibt sein Lebtag, diese dicken, verschwatzten Romane. Soll er doch.

Aber ich weiß auch nicht so recht. Bin hier immer etwas ratlos.
Ich komme gerne her, an diesen See, und ich fahre noch lieber wieder weg.
Ich kenne die Menschen die hier leben. Ich kenne sie ziemlich genau, ich verstehe alles was sie sagen, ich bin einer von ihnen. Und irgendwie auch nicht, weil ich es nicht packen würde, hier zu leben.
Ich finde, es gehört zu den schwierigsten Dingen überhaupt, etwas ganz genau zu kennen und es dann immer noch zu mögen. Lieben kann man es, zur Not. Aber mögen? Also ich weiß nicht …

Kardiologe, Feuilleton und lesende Nichtleser

Einmal ging ich zum Kardiologen. Zu Fuß. Die Morgensonne beschien die Rückseite der Ordination im 5. Bezirk. Seinen Namen habe ich vergessen. Er telefonierte und sprach herrisch und sehr unfreundlich mit einem Patienten, der sich nicht an seine Anordnungen gehalten hatte. Dann legte er auf und wandte sich mir zu. Er fragte seine Kardiologenfragen und ich antwortete mit meinen Herzpatientenantworten. Er fragte, wieviel ich denn so auf die Waage bringe und ich sagte: «114 Kilo.»
Ich merkte, dass er «140 Kilo» verstanden hatte, wollte aber erst nicht glauben, dass er wirklich glaubte, dass ich 140 Kilo wog. Ich war noch einiges von Matthias Steiner entfernt. In mancherlei Hinsicht.
Aber ab diesem Zeitpunkt hatte er schlechte Laune. Er schmierte meine Brust mit einem kühlen Gel ein und holte den Ultraschallschnorchel heraus. Und  als er auf meiner linken Brust herumforchelte, wurde er richtig grantig. Er sprach von meinem Herz, als würds in den nächsten Tagen unbedingt ausgetauscht werden müssen. Mein Herz sei am Arsch. Sozusagen.

Er fragte, ob ich noch Treppen steigen könne ohne halb zu krepieren, und ob meine Beine geschwollen seien.
Dann, ein oder zwei Tage später, machte ich ein Bealstungs EKG. Ich trat 300 Watt auf dem Ergometer und kriegte einen Wert von 130. Zur Orientierung: 100 ist schon ziemlich super.
Danach war der Kardiologe kleinlaut und sah mir nicht mehr in die Augen, während er mir eine ausgezeichnete Fitness bescheinigte.

Heute hörte ich die Geschichte eines jungen Autors, der absolut erfolglos schrieb, bis er sich als junge gutaussehende Frau ausgab. Das Buch wurde von einem großen Verlag angenommen und es wurde ihm im Feuilleton ein irres Talent bescheinigt.

Das Feuilleton, die lesenden Nichtleser und die Verleger sind wie mein Kardiologe: Voreingenommen, ziemlich dumm und richtige Versager. Man sollte sich vor ihnen in acht nehmen und vor allem: Glaubt ihnen kein Wort.