Das Sprüchmuseum (138)

„Die Welt ist verrückt geworden!“

Direktor der Eremitage in St. Petersburg

Wir sagen: Nein, du Arschloch, nicht die Welt, sondern dein steroidgemästeter Chef.

Tiere

Meine Mitmenschen, zur Zeit, sind Tiere. Ich bin allein in dem Haus in den Bergen. (Hatte aber gerade Kurzbesuch, um ehrlich zu sein.)
Wenn ich nach Osten den Steilhang hochblicke, weiß ich da oben von der Schihölle, die sich da abspielt. In bonbonfarbenes Plastik gewandete Menschen schlurfen zu hunderten in Schischuhen zur nächsten Bahn, die sie zu den Pisten bringt.
Sie sind mir fremder als fremd. Gut so.

Ich habe hier die Tiere. Sie sind so real. Ich sehe die Spuren des Luchs im Schnee, sehe den Fuchs am Abend aus dem Wald treten und wittern. Zuvor haben sieben Gemsen nahe dem Wald geäst, und gestern sah ich ein paar Meter von mir weg fünf wunderbar schöne Rehe durch den Schnee ziehen. Sie blieben stehen, und alle wandten sich mir zu und sahen mich an. Wir sahen uns an.

Ja, das ist es. Die Tiere sehen mich an, und ich sehe sie an. Sie sind scheu, aber nicht übermäßig. Der alte Steinbock ist überhaupt nicht scheu. Er ist der Chef in der Gegend. Er scheißt auf meine Wiese, zerlegt den Johannisbeerstrauch ud faucht mich an, wenn ich ihm zu nahe komme.

Heute flog ein farbiger, sehr kleiner Vogel auf die Linde. Ein Ereignis. Herzlich willkommen!

Etwas geschieht mit einem, durch die Gegenwart der Tiere. Ich freue mich immer, sie zu sehen. Ich mag sie. Ich beobachte sie. Sie beobachten mich.

Wir sind aus dem gleichen Holz geschnitzt. Sie sind meine lieben Mitmenschen.

Morgen muss ich sie verlassen, und mit anderen Tieren im Zug sitzen.
Ich werde aus dem Fenster sehen …

Mehr als dreißig Jahre …

hatte ich dieses Gefühl. Das Gas, mit dem ich/wir heizen und kochen kommt aus Russland. Dieses Gefühl, auf den Goodwill von jemandem Unberechbaren angwiesen zu sein. Ich traf aber nie jemanden, der in Wien dieses Gefühl it mir teilte. Vielleicht gibts jetzt den einen oder die andere.
Die Russen haben ja so eine großartige Literatur. Dostojewski, Tolstoi, Turgenjew und und und. Das waren auch noch vor einem Monat die Labels in Blogs und Diskussionen. Und natürlich der widerliche Antiamerikanismus von vielen, der oft nur Krypto-Antisemtismus ist.

Das Putin ein Faschist ist, wollte eigentlich niemand hören. Und ich bin sicher, man will es auch jetzt nicht hören, und ich bin mir auch sicher, dass die EAs und die Nidis (Ekelhafte Arschlöcher und Nützliche Idioten), sich es nicht nehmen lassen, auf ihren Demos der Welt zu verkünden, dass der Russe ja gar nicht anders kann, als sich gegen diese Natoaggression zu verteidigen.
Die Verschwörungstheorien die nun grassieren, möcht ich mir nicht ansehen und anhören wollen.

Ich höre gerade im Radio, dass „der Ursprungspunkt des Konflikts der Donbass ist“. Nun ja, wenn man solche Märchen glaubt, dann glaubt man auch an der Weihnachtsmann.

Es gibt in der Sache“Ursprung“ keine Geheimnisse. Man brauchte nur Putin zuhören. Der hat uns schon vor langer Zeit erklärt, wie er die Welt sieht, was er von Demokratien hält usw.
In dieser Hinsicht, hat er nie gelogen. Nur alles andere ist Lüge.

Wer sich ein wenig mehr für die Verfasstheit und Geschichte von Russland interessiert, dem möchte ich „Limonow“ von Emmanuel Carrère ans Herz legen. Großartige, kenntnisgesättigte Literatur.

Und sonst? Sich vielleicht darauf einstellen, dass noch mehr Zeitgenossen am Rad drehen, dass Klopapier wieder Mangelware wird, dass die Preise steigen, Jobs futsch gehen. Anders gesagt: harte Zeiten.

Was tun? Nüchtern bleiben. Mit und ohne Bourbon. Tun was zu tun ist. Kopf hoch.

Schweizer Gegendere

Ich höre täglich Nachrichten im Schweizer Radio. Da wird durchgehend gegendert, gnadenlos.

Es gibt natürlich auch Ausnahmen. So wie heute, wo’s um die angeblichen Machenschaften der Crédit suisse geht, die, so der Vorwurf, jahrelang Gelder von „umstrittenen Machhabern und korrupten Beamten“ angenommen haben soll.

In diesem Fall gibt es mit einem Mal keine „Machthaberinnen“ und keine Beamtinnen“ mehr. Es gibt auch keine „Menschenhändlerinnen“ und keine «Dealerinnen»
Aber es gibt bestimmt Samenspender und Samenspenderinnen. So viel Gendergerechtigkeit muss sein.

Das Männliche ist halt auschließlich das Böse. Das weiß man doch …

Monsieur Capricorne, le vieux

Monsieur Capricorne mag es augenscheinlich, sich in meiner Nähe aufzuhalten. (Wie ihr sehen könnt).
Vom Ex-Briefträger des Ortes weiß ich, dass er schon seit 15 Jahren hier seine Runden dreht. Ich bin auch seit mehr als 10 Jahren hier Gast, ohne ihm begegnet zu sein. Und 15 Jahre, so meinte der kundige Ex-Postler, ist ein sehr hohes Alter, und oft würde man ihn hier nicht mehr sehen.

Als ich heute Abend vor die Tür trat, da war er wieder und mischte einen kleinen Johnaissbeerstrauch auf, indem in als Kopfkratzer benutzte. Als ich mich ihm näherte, stieß er einen seltsamen, pfeifenden Laut aus, mehr wie ein Murmeltier als ein Stier, eine Art Stöhnen, und ich nahm es als Warnung, nicht näher zu kommen. Er war noch drei oder vier Meter entfernt. Also ging ich hinein, um das Handy zu holen. Wieder zurück, kam ich gerade rechtzeitig um zu sehen, wie er in meine Wiese schiss. Dann hüpfte er über die Mauer, runter auf den Weg und ging langsamer als ich, auf dem Weg nach … irgendwo.

Es ist ein bisschen traurig. Als würde er so langsam einherschreitend einen Platz zum Sterben suchen. Es ist nicht ein bisschen traurig. Sondern ziemlich.

Hier könnt ihr sehen, wie fuckin langsam er dahinschleicht. Dagegen ist der alte Autor eine Gazelle …

Die Pandemie …

ist vorbei. Wieder einmal. Zumindest in der Schweiz. Im Supermarkt gabs außer einem gebrechlichen, gebeugten Mütterlein und mir niemand mehr, der eine Maske trug.
Ich machte meine FFP2 richtig zu, oben, auf der Nase. No distance. Es ist, als wär der ganze Masken-und Abstandsscheiß ein Scherz von übel gelaunten Fasnächtlern gewesen. Oder eben doch ein Fake von Microsoft.

Nun denn, ist sie halt wieder mal vorbei, die Pandemie.
Bin gespannt, wie lange es dauert, bis mich jemand dumm von der Seite anquatscht. Wegen der Maske, die ich nun weiter tragen werde, bis meine verdammte Wut auf die EA’s getilgt ist.
Ja, und auch, wenn sich alle wieder geirrt haben, und die apertio praecox behandelt werden muss.

Gesundheit!

Also, Arschlöcher …

jetzt dann, wenn alle Coronamaßnahmen gestampt werden, und jeder und jedin die hässlichen Visagen wieder allen präsentieren dürfen, möchte ich doch warnen, mich, den weiterhin maskentragenden Zeitgenossen ungut darauf anzusprechen. Es könnte in etwa so rauskommen, wie die ekelhaften Arschlöcher auf den Demos proletet haben (oder schlimmer.):

„Was geht dich meine Maske an, hässliches Arschloch!
„Mein Körper, meine Entscheidung!“
„Maskier dich selbst, Onanist!“
„Freiheit, Selbstbestimmung, Menschlichkeit, du dreckiger Faschist.“
„Lutsch den Schwanz von Küssel, Nazi!“

Und ich kann durchaus auch so aggressiv reagieren, wie viele der Schwurbler-Frauen.

P.S. Ich habe doch die Befürchtung, dass EAs (ekelhaften Arschlöcher) nach der Aufhebung der Maßnahmen nun Wien lahmlegen wollen, damit das Maskentragen total verboten wird.
Wegen der Spaltung, wast eh …

Besuch

Vorgestern bekam ich Besuch von einem alten Steinbock. Erst sah ich ihn auf dem Grundstück des Nachbarn ruhig das gelbbraune, übrig gebliebene Gras abäsen, dort, wo sonst die Gemsen sind.

Die Gemsengruppe kannte ich bereits, aber einen Steinbock hatte ich hier noch nie gesehen. In Wengen, wo oben beim Bahnhof die Schihölle los ist, ein verdammter Steinbock? Seine Hörner waren so groß, wie Hörner nur sein konnten, und ich fragte mich, warum die Natur die Nackenmuskeln der Tiere so unnötig strapazierte. Nur um einmal im Jahr ein bisschen gegen Rivalen zu kämpfen? Erwachsene Steinböcke haben keine Feinde. Meines Wissens.

Ein paar Minuten später ging ich vor die Tür. Und da stand er, drei Meter von mir entfernt, und äste auf der kleinen Wiese. Er hob den schweren alten Kopf und wir sahen uns an. Mir schien, dass ich hier der Gast war, und er der Herr der Gegend. So benahm er sich. Der ganze Scheiß hier, war seine Domäne.

Ich rächte mich, indem ich ein paar Fotos schoss. Dann ging ich wieder rein, und ein paar Minuten später wollte ich nach ihm sehen, und betrat den Balkon. Da stand er. Direkt unter mir, und sah zu mir hoch. Wir sahen uns lange an. Dann sagte ich nett: Was bissn du für einer? Und da wandte er sich ab und trottete davon.

Heute Nacht hat es geschneit. Ich hoffe, er kommt noch mal vorbei und ich geb ihm etwas Salat und Rosenkohl und wir unterhalten uns mal ausführlich darüber, wie es so ist, so gewaltige Hörner mit sich rumzuschleppen. Und über den ganzen Rest …

Das Arschloch und der Dichter

(Vor zwanzig Jahren starb der Dichter Peter Morger.)

„Es gibt keine Illusion, die ich nicht hatte.“
Peter Morger

«Von Peter Morger wusste ich nicht viel, nur dass er einen Roman geschrieben hatte, den ich nicht kannte, aber der gute Kritiken bekommen hatte. Zu jener Zeit oder vielleicht auch später arbeitete er in der Psychiatrischen Klinik Herisau, in der sein Vorbild Robert Walser seine letzten Jahre verbracht hatte.

Er redete, so schien es mir zumindest, fast immer von Robert Walser, er nannte ihn «Vorbild und Mahner», wobei ich nie fragte, was denn die «Mahnung» sei, denn ich dachte einfach, dass er damit die Mahnung vor dem Gefängnis im eigenen Kopf meinte, diese Art von Einsamkeit, die ein vielleicht hypersensibler Mensch erfährt. Und Morger erschien mir sehr zart, nicht nur rein physisch. Er schien verletzlich und introvertiert, und mich störte sein «Walser-Fimmel». 

Robert Walser war ein Säulenheiliger, vor dem jeder und jede kniete, der etwas von «guter Literatur» verstand. Ich konnte das Talent und die Magie seiner Prosa erkennen, aber sie berührte mich nicht.

Dass man das Talent und die Könnerschaft eines Künstlers anerkennen, ihm aber trotzdem nicht folgen mag, ist für viele Apologeten schwer zu schlucken. Dabei ist es einfach: Wir sind verschieden. Oft auch, ohne Ignoranten zu sein.

Die Art von Morger und seine jüngerhafte Verehrung für Robert Walser provozierten mich. Morger gehörte zu jenen Menschen, die meine hässlichen Seiten stärker machen, so wie das Winseln und Flehen eines Opfers noch mehr Gewalt und Brutalität in einem Peiniger hervorrufen. So verhielt ich mich ihm gegenüber, bei unseren wenigen Begegnungen, ziemlich rüpelhaft und grob. Das hatte er nicht verdient, aber das kümmerte mich nicht.

Eines Nachts im Winter kam es zu einer bizarren Aktion.
Ich bewohnte vorübergehend mit meinem Kumpel Gurkentiger eine lange schlauchartige Wohnung, die mit einem Holzofen beheizt werden musste. Wir hatten getrunken, aber nicht genug (es ist doch nie genug, oder?), also besorgten wir noch mehr Bier und gingen nach Hause. Peter Morger, den wir unterwegs angetroffen hatten, kam mit uns. 

Wir heizten den Holzofen ein, tranken Bier, redeten über Literatur und Walser, und irgendwann holte ich den Stapel Gedichte heraus, der jeden Umzug überlebt hatte. Ich setzte mich gegenüber von Morger an den Tisch und begann mit der Aktion. Gurkentiger hockte neben dem Ofen, die Hand an der Klappe. Wir hatten die Sache nicht abgesprochen, sie lief wie von selber, als sei der Vorgang selbstverständlich und folgerichtig.

Dann las ich das erste Gedicht. Als ich fertig war, überreichte ich es Gurkentiger. Er öffnete feierlich die Ofenklappe, knüllte das Blatt etwas, damit es durch die Öffnung passte, und übergab es den Flammen. 

Die Gedichte waren Unikate. Keine Durchschläge.

Und so verfuhren wir bis zum letzten Blatt. 

Hatte ich ein Gedicht gelesen und es Gurkentiger überreicht, der es mit sardonischem Lächeln den Flammen überantwortete, sprang Morger auf und rief: «Nein! Nein!»

Ich sah ihm an, dass es ihm zusetzte, dass ich meine Gedichte vernichtete. Dass sie unwiederbringlich verloren waren. Und dass es ihm zusetzte, ließ mich irgendwie heroisch fühlen. Sein Protest, so denke ich, galt dem Autodafé und war nicht der Güte der Gedichte geschuldet. 

Ich tat etwas Unerhörtes, Schmerzliches, Verbrecherisches. Ich demütigte ihn damit. 

Ich war ein großspuriges Riesenarschloch.

Aber das war ja allgemein bekannt.“

(Aus „Schreiben – Selbstbild mit Tier“ Songdog Verlag, 2022)

50 Jahre „Harvest»

1972 kaufte ich das Album in Basel in der „Boite a music“.
Und heute höre ich es wieder einmal. Es ist wunderbar gealtert. Also gar nicht.
Was gibt es sonst noch, was ich nach so langer Zeit noch besitze. Außer meiner Lust an körperlicher Verausgabung, Alkohol, Büchern, Schreiben und gutes Essen?

Nicht viel.
Happy birthday.