Die Denke

Die unwillkürliche Denke bei unreflektiertem Konsum täglicher Nachrichten:

– Putsch in Burkina Faso? Kommt alle her.
– Überschwemmung in Indonesien? Macht euch auf den Weg.
– Taliban erobern Kundus? Na, kommt schon.
– Dürre in Somalia? Her mit euch.
– Waldbrände in California? Was hält euch zurück.
– Hochzeitsfeier im Jemen bombardiert? Ist ja nicht weit bis zu uns.
– Anschlag in Tunesien? Allez venez.
– Bombenserie in China? Auf was wartet ihr noch.
– Erdbeben in Chile? Vamonos, Compadres.

Pepita liest ein Buch

Als unser Redaktionskorrektor, Marky Mark, dessen Lieblingscomputermaus noch immer beim Virendoktor liegt, Pepita mit einem Buch in der Hand in der Tür lehnen sah, war ihm die Überraschung anzusehen. Pepita? Mit Buch? War denn der Papst zum Islam konvertiert? Lachten Islamisten über Charlie Hebdo Karikaturen?

Er lächelte auf seine stille Art in sich hinein, das erste Mal seit Tagen, denn die Sorgen um seine Maus drückten doch sehr. Aber gerade als er sich zu seinem Schreibtisch begeben wollte, wankte Oldie, von Wand zu Wand torkelnd,  durch den Flur. Wir alle wussten, was das zu bedeuten hatte. Es war wieder mal „Kotz auf die Kulisse“-Gedenktag. Jährlich gedachte Oldie dem vor 45 Jahren verlorenen Job beim Theater, weil er sich betrunken auf die Kulissen erbrochen hatte. Dies soll seinem Leben die entscheidende Wendung gegeben haben. Lady hält das für baren Unsinn, aber sie spielt immer mit, und lässt Oldie an diesem Feiertag eine Extraportion Meth aufziehen.

„Was lies’n da?“ lallte Oldie, und hob Pepitas Buch an.
„Alter! Weg mit die Wixxgriffel, aber subito!“
„Leitfaden für Misanthropen?“, las er laut.  «Spinnst du?“
„Warum?“, sagte Marky Mark und schüttelte traurig den Kopf. „Warum, warum?“
Lady, die gerade ihr Methsackaufstechbajonett ableckte, hielt inne und lauschte.
„Was is?“, sagte Pepita gereizt. „Geht’s weiter, hier gibts nichts zu sehen, und wenns was gäbe, würdet ihr Troglodyten es eh nicht schnoin.“
„Keine verbalen Schweinereien vor neun Uhr“, sagte Lady. „Bitterscheen!»
Oldie kicherte. „Troglodyten, hehe.“
„Warum nur?“, wiederholte Marky Mark und blickte Pepita unverwandt an. Da erbarmte sie sich.
„Also gut“, nölte sie, „ich sag’s euch. Aber keiner kommentiert das, ja?“
Wir alle nickten.
„Das Buch is von meim Shrink. Er ist der Ansicht, dass ich einen etwas fatalen Hang zur Misanthropie habe, was er an und für sich okay findet, denn Misanthropie, so sagt er, ist irgendwie gerecht und Anti-rassistisch und so, na, capisch? Aber jetzt, wo wir alle die Flüchtlinge lieben sollen, wenn wir keine Rassisten und so sein sollen, habe ich natürlich ein Problem. Wie erkläre ich der Welt, dass mir alle auf den Zeiger gehen, nicht nur die, die gerade neu hinzukommen. – Darum das Buch. Zufrieden?»

Natürlich waren wir nicht zufrieden. Und jeden und jedin juckte es, irgendwas zu sagen, zu widersprechen, zuzustimmen, was auch immer. Aber wir hatten nun mal versprochen, keine Kommentare abzugeben. Und so verzog sich jeder an seinen Arbeitsplatz, um wie üblich Arbeiteifer vorzutäuschen. Nur Oldie blieb an der Tür hängen und murmelte lächelnd „Troglodyten, Troglodyten“ vor sich hin.
Tja.

Das Sprüchemuseum (67)

«Zu viele Frauen definieren sich über einen Mann. In meiner Ehe war ich wie eine Amöbe.»

Glenn Close – über ihre Scheidung

Wir sagen: Nichts. Lassen aber Wikipedia sprechen:

Die Amöben (gr. αμοιβή amoibe ‚Wechsel‘)[1] oder Wechseltierchen sind eine große, vielgestaltige Gruppe von Einzellern, die keine feste Körperform besitzen, sondern durch Ausbildung von Scheinfüßchen (Pseudopodien) ihre Gestalt laufend ändern. Amöben sind eine Lebensform, keine Verwandtschaftsgruppe (Taxon).

Host Hacken

„Host Hacken?“, fragte mich ein Bekannter, der mir schon ziemlich lange nicht mehr über den Weg gelaufen ist, und der mir nun an dem berüchtigten Übergang der Wiedner Hauptstraße, wo ich einst einen Buben dem Tod entrissen hatte, über den Weg lief.
(Hatt’s mir eigentlich wer gedankt? Kriegte ich eine Seite in der „Krone?“. Natürlich nicht!)

„Host Hacken?“
Was im Wiener Proletarier Idiom soviel wie, „Hast du Arbeit?“ bedeutet.
Ich ging natürlich nicht darauf ein. Denn dieser Frage liegt ein Missverständnis zugrunde. Mein Bekannter kannte mich aus Zeiten, als ich hin und wieder oder auch oft, fürs Theater gearbeitet hatte. Richtig gearbeitet, meine ich, nicht Regie geführt, geschauspielert, Stücke verfasst. Das alles mag auch Arbeit sein, ist aber keine „Hacken“, auch wenn ein bekannter Wiener Musiker und Autor das glauben möchte.

„Hacken“ ist Schweiß, mitunter Blut, Muskelkrämpfe, Erschöpfung, Stumpfsinn, Redundanz, Abschürfungen und Stauchungen. Hacken, ist sehr wenig Geld für all die schönen Attribute, die ich damit verbinde.

Aber ich bin leider kein Proletarier. Aber was heißt hier leider. Ich bin ein abgehobener, stinkiger Kleinbürger, der Seneca liest und elegante Literatur liebt. Und natürlich Country-Music. Aber alles auf einem spießigem, intellektualistischen Niveau.
Hacken war früher. Aber nur, um sie mir wieder abzugewöhnen.
Man kann sagen, dass ich damit relativ erfolgreich war. Obschon ich jetzt gearade wieder etwas hackenähnliches tue. Aber nur ähnlich.

„Host Hacken?“
Es ist kurz vor 8 Uhr. Wir überquerten gemeinsam die gefährliche Straße zum „FitInn“ und ich sagte, dass ich jetzt da rein gehe, um zu trainieren. Mein Bekannter sagte:“ Gute Idee, aber ich brauch das nicht.“
Er ist dünn und sehnig und zäh und 20 Jahre jünger. Er glaubt, ich trainiere, weil ich sehnig und dünn und zäh werden möchte.
Er weiß nicht, dass die „Hacken“ ihn fertig machen wird. Dauer-Hacken ist ungesund.
Ich erinnere mich an die Kollegen, die mich belächelt hatten, weil ich, wenn ich keine Hacken hatte, wieder trainieren ging. Sie fanden, die harte körperliche Arbeit sei Training genug. Es gib kaum einen größeren Irrtum.
Schaut sie euch heute an.  Ziemlich butt.
Aber jemand muss die Scheißhacken machen.  Soviel ist sicher.
In Österreich gibt es die sogenannte „Hacklerpension“, eine Möglichkeit für Schwerarbeiter, etwas früher in Rente zu gehen.
Sie wird vor allem von Lehrern und Beamten beansprucht und genutzt.
So schaut’s aus.

Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss

Die Stimmung in der Redaktion ist ja meist depressiv (darum die Lady mit dem Meth, ihr Blitzkneißer!), aber manchmal gibt es auch was zu lachen. Wie neulich, als sich unser Redaktionsoldie den linken Wadenmuskel gezerrt hat.

Alle haben es kommen sehen, als Oldie den gesunden, stabilen Sessel aus Hartholz, den ihm Lady angeboten hatte, mit großer Geste beseite schob und sich den klapprigen gartengrün gestrichenen Klappstuhl schnappte, den der Vorgänger von Pepita, ein liebeskranker Politologe auf Umschulung, im Keller der Redaktion langsam und beharrlich geschreinert hatte.

Also, genau dieser Stuhl war es, den Oldie entfaltete, unter dem Lampenschirm platzierte und sich anschickte ihn – die Lasche einer neuen Glühbirnenschachtel zwischen den Zähnen – zu erklimmen.

„Ey, Alter! Du weißt schon, was du tust, oder?“, schnarrte Pepita, die sich gerade einen fetten Batzen Bazooka-Bubblegum zwischen ihre ungeküssten Lippen schob.

„Er ist ein Mann“, sagte die Meth-Lady und lächelte süffisant. „Und ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss.»

„So ist es“, sagte Oldie stolz, und dann war es für einen langen Moment lang still und man hörte nur die Ventilatoren der Computer und das leise Schluchzen von Marky Mark, dessen geliebte Maus beim Computerdoktor war, weil sie, wie Marky Mark glaubte, an einem Virus litt.

„Und warum muss ein Mann tun, was ein Mann tun muss?“, fragte Pepita und setzte an, eine rekordverdächtige Kaugummiblase zu pusten.

„Um mit den Worten meiner seligen Mutter zu sprechen“, sagte die Lady, die vorsorglich ihr Bajonett aus der Gefahrenzone geräumt und in den Zargen von Pepitas Tür gestoßen hatte: „Wail Mann Idiot is.»

„Aha“, machte Pepita und stierte auf das Bajonett. „Das verschwindet aber wieder, schon wa?!»

Inzwischen hing Oldie zwischen Himmel und Erde. Er streckte sich dem Lampenschirm entgegen, wie eine übereife, ergraute Sonnenblume. Der Klappstuhl knirschte, der Klappstuhl klackte, aber der Mann schraubte die kaputte Birne raus, steckte sie zwischen die Lippen, fingerte die neue aus der Schachtel, drückte nun die kaputte mit dem Mund in den Karton und schraubte die frische in die Fassung. «Sauber, sauber“, sagte jemand aus den Tiefen des Palais.

„So macht man das“, sagte Oldie und schickte sich an, den Klappstuhl zu verlassen.
Und natürlich. Da geschah es.  Ein verhaltener Aufschrei flupperte durch die unermesslichen Weiten der Redaktion. Oldie lag auf der Nase. Den platten Karton mit der kaputten Glühbirne unter seiner Bauernpranken. Aber er erhob sich erstaunlich behände, grinste und griff sich an die linke Wade.
«Gezerrter Wadenmuskel», konstatierte er gelassen. „Jetzt ist PECH angesagt.»
„So kann mans auch nennen, Alter“, grätschte Pepita von hinten rein.
„P für Pause, E für Eis, C für Compresse, H für Hochlagern.“
Was er dann alles tat.
„Da habt ihr wieder was gelernt, was?“
Das, werte Lesende, fanden nun alle, aber auch wirklich alle, sehr, sehr lustig.
Wir, und was gelernt!?
Der war gut, was?

Pepitas Obst

Heute gegen 9 Uhr, stapfte Pepita, unsere 17-jährige Türsteherpraktikantin in den Pausenraum unserer Redaktion, wo sich bereits alle um den Mülleimer versammelt hatten, um die 2. Portion Crystal reinzuziehen. Die Lady, die unsere Methschälchen befüllt, hatte bereits ihr Bajonett gezückt um den frischen Kilosack Meth anzustechen, als eben Pepita hereinplatzte, die Arme voll Obst und Kekse und hartgekochte Eier und Nussmischungen, alles en masse.

„Wo hassen das her“, war der Oldie sofort zur Stelle. „Bisse jezz vegan oder was?“
„Chill dein Leben, Alter, nie und nimmer vegan, aber ab und zu ein bisschen Affenfrass kann ja nicht schaden. Auch euch Affenärschchen nicht. Außerdem war alles umsonst.»

„Umsonst?“, meldete sich schüchtern Marky Mark, unser so wenig markanter Lektor. „Du meinst wohl gratis, oder?»

Pepita tat, als hätte sie es nicht gehört. „Könnt ihr auch kriegen. Schaut her, feines, frisches Obst, Kekse und alles. Greift zu.»

Sie ließ alles neben die Mülltonne auf den Boden fallen und die Typen aus der hinteren Ecke stürzten sich darauf, wie Veganer auf in Rapsöl frittierten Tofu mit Buchweizen-Zucchini-Bio-Basilikum-Sorbet. Die hatten’s nötig.

„Also, meine Liebe, wo hassen das her?»

„Vom Westbahnhof.»

„Vom Westbahnhof?»

„Brauchst nur ein Kopftuch und ein Pappschild mit der Aufschrift: «Hungry Syrian“ und det lööft.»

„Schämst du dich eigentlich nicht“, sagte Marky Mark voller Entrüstung, und die Lady, die noch ihr Bajonett erhoben hatte, sah aus, als schwanke sie in ihrem Entschluss es auch wirklich in den Methsack zu stechen. Es gab ja nun eine Alternative.

„Schämen ist was für Reiche“, sagte Pepita. „Für Reiche ist es leicht ein guter Mensch zu sein, ein Tugendarsch. Aber für mich, die mit dem Gehalt, dass man mir hier zahlt, kaum die Slipeinlagen pecken kann, ist es eben nicht so leicht, und man muss sehen wo man bleibt.
Außerdem sind viele dieser Flüchtlingstypen auch ein Haufen Affenärsche die keinen Benimm haben, und sich sogar an Frauen und Kindern mit Fäusten und Ellbogen vorbeidrängeln, wenn es gilt, in einen Zug zu steigen. Also: Affenärsche, wie du und ich. Und ich hab jetzt Obst. Fresstes oder laszes…»

Nun sagte niemand mehr was. Aber das würde nicht lange vorhalten …

Hasspostings

Jeden Tag neue Beschwerden über Hasspostings.
Heute ist Grünen-Fraktionschefin Göring-Eckhart dran, sich über Facebook Einträge zu beklagen.

Was mich verwundert, ist die Vewunderung über die menschliche Niedertracht. Da sag ich nur: Ihr wart noch nie hier, in Wien, home of the Niedertracht.

Oder bei mir zuhause, wenn ich wieder mal den Fernseher anbrülle und die diversen Akteure beschimpfe. Dagegen sind die übelsten Hasspostings Poesiealben Einträge. That’s for sure.
Aus mir – ebenso sicher – ließe sich ein guter Hassposter schnitzen. Hier ein Schnitt, da ein Hieb und fertig ist der Hasser.
Außerdem habe ich einen niedrigen Ruhepuls, was mich nach neuesten Erkenntnissen als potentiellen Verbrecher ausweist.

Man konnte doch immer wieder hören, dass die Zivilisation nur ein hauchdünner Firnis über der menschlichen Bestie sei. Las man doch allerorten. Und jede/r, der/die als Intellektuelle/r etwas gelten will, führte das Sprüchlein im Munde.
Aber. Warum. Ist man jetzt. Schockiert, betreten, betroffen, betütelt, beängstigt? Wenn man doch Bescheid wusste? Über die menschliche Natur.

Ich habe meinem hauseigenen Hassposter Postingverbot erteilt. Kein Fazebök und so. Ich arbeite mit ihm an der Sublimierung seines Hasses, obschon er das Wort nicht versteht. Ich schon. Ich bin Chemiker, wie Walter White.
Und wenn ihr euch jetzt zu einem Hasspost veranlasst fühlt, denkt daran, wie es Walter White erging und denjenigen, die sich mit ihm anlegten.
Alles klar?

Das Sprüchemuseum (66)

„Wir sollten nicht die osteuropäischen Länder unter Druck setzen, weil sie keine muslimischen Flüchtlinge aufnehmen wollen. Wir sollten dankbar sein. Denn der Zustrom, aus den innerislamischen Kriegen wird nicht abreißen, und wenn wir Westeuropäer uns dereinst nicht mehr gegen jene durchsetzen können denen wir Schutz gewährten, werden wir froh sein, wenn wir nach Polen, Tschechien, die Slowakei und in die baltischen Staaten fliehen können.»

Dr. med. Anna Rainesen

Wir sagen: Gewohnt direkt, Frau Rainesen. Wir wollen mal hoffen, dass wir’s packen.

Werktätiger begehrt Einlass

Pepita, unsere 17-jährige Türsteherpraktikantin lauerte im Zargen und feilte sich gerade ihre beste Waffe, den Fingernagel ihres rechten kleinen Fingers spitz, als ein Graukopf in blauen Latzhosen, beladen mit diversen kofferähnlichem Dingern und Plastiktaschen, Einlass begehrte.
„Du kommst hier nicht rein“, eröffnete ihm Pepita, sichtlich verärgert über die Störung ihrer Maniküre.
„Ich bin der Handwerker, der Sanitärinstallateur“, sagte der Blaue.
„Und wenn du …“ Pepita brach ab, überlegte. „Wurscht, mit der Latzhose kommst hier nicht rein, da arbeiten lauter anständige Leute. Wir brauchen hier keine um Asyl flehende Späthippies. Wird nämlich abgelehnt. Klar!?“
„I bins, da Sani“, quengelte der Blaue. „I muess die Therme checken…“
„Checken?“, sagte Pepita mit Eis in der Stimme. „Checken? Wir sprechen hier deutsch. Ist das klar, du Grauschlumpf.“
„“Jetzt will ich den Chef sprechen“, sagte der Blaue. Er machte nun auf forsch, aber sowas kommt bei Pepita einfach nicht gut.
„Chef gibts kaan“, sagte sie in allerbester Kottan-Manier.
„Ihr werdets doch wohl einen Chef haben“, insistierte der Blaue.
„Du hastzes gheert, Burli. Kaaan Chef nicht.»

In der Redaktion war es still, alle hielten den Atem an, niemand machte einen Muckser. Alle liebten Pepita. Jedenfalls heute. Zumindest gerade jetzt.
Denn wenn es etwas gab, was all die durchgeschossenen Querköpfe gemeinsam hatten, dann war es ihr Abscheu vor Handwerkern. Handwerker waren das Letzte, da waren sich alle einig. Außer die Typen, die am Weihnachtsabend um 23h30 anjockelten, um die Fontäne, die aus einem Rohr in der Küche sprühte, zu stoppen. Das waren die Guten. Die anderen sollten bleiben wo sie waren. Und so drückten alle Pepita die Daumen. Sie hatte gute Chancen es zu schaffen. Sehr gute. Auf jeden Fall… Na ja. Eigentlich hatte sie keine. Wer hat schon eine gegen Handwerker?
Aber es war einfach schön, dass sie es versuchte. Eine Anti-workingclass-Heroin. Oder Heroinin, oder was…

Lady spricht

„Jetzt geht’s los“, sagte die Lady, die unsere Methschälchen befüllt, und sonst eigentlich nie etwas außer osteuropäischen Flüchen und skurrilen Fabeln über gallizische Stettln, die sie aus den Romanen von Joseph Roth zusammengestellt hat, von sich gibt. Aber eben. Heute sagte sie: „Jetzt geht’s los!»

Interessierte natürlich keine Sau in der Redaktion, nur unser Oldie, der an seiner wöchentlich stattfindenden Nachbearbeitung des Nachrufs von Janis Joplin herumdokterte, merkte auf und lupfte eine seiner Martin Walser Augenbrauen, von denen er behauptete es seien eigentlich Theo Waigel Augenbrauen, was hier alle vehement bestreiten, denn in Wahrheit sind es von der Sonne gebleichte Schweinsborsten – aber das sagt eigentlich niemand laut.

„Was geht los?“, mischte sich jetzt auch Pepita  ein, die an der Türe rumlungerte und schon lange keinen mehr fertig gemacht oder auch nur den Eintritt zu unserer Redaktion verwehrt hatte, und deswegen leicht stinkig war und nun auch noch fürchtete, dass bei fehlender Reaktion auf Ladys Aussage, diese mit dem Meth geizen würde, und das hätte ihr dann gerade noch gefehlt. Zu allem anderen.

„Schön, dass ihr mal zuhört“, sagte die Lady, zog ihr Bajonett, mit dem sie sonst die Methsäcke aufschnitt, diesmal aber nur, um damit in der Luft rumzufuchtelten. „Jetzt sind alle Schriftsteller…“
„Bitte, richtig gendern“, warf Pepita ein. „Vor allem du, als Frau…“
„Wühst a Watschen?“, sagte Lady kalt. „Wenn nicht, hoit die Goschn, wenn Erwachsene reden!»

Pepita war deutlich anzusehen, dass ihr der Reis ging, wie man hier in der Redaktion so sagt. Lady war die einzige, vor der sie so etwas wie Respekt hatte.

„Dass jetzt ein mächtiger Haufen der Schreibenden dransitzt», fuhr Lady fort, «Flüchtlingsliteratur zu produzieren. Ihr werdet sehen: Frankfurt, Leipzig, Wien, alles voller wahnsinnig wichtiger Flüchtlingsbücher.»

„Manatsch!“, fluchte unser Oldie. „Woher hast’n den Tinnef?“
„Tu nicht jiddeln, Oida, bleib bei deinem Gugus, host mi?»

Nun merkten doch alle auf und hörten hin. Lady. Wahnsinn. Soviele Worte. Die Ration für ein ganzes Jahr. Fast. Und das war das absolut erstaunliche daran.
Der Rest woa eh kloa – wie Lady sagen würde.