Der Schuhwerfer Saidi ist der Karl Schranz von Bagdad

Jener Mann (sein Name ist Saidi), der die äußerst kreative Idee hatte, an einer Pressekonferenz mit seinen Schuhen nach dem amerikanischen Präsidenten George W. Bush (falls sich noch jemand erinnern mag) zu werfen, wird in Bagdad mehr gefeiert als Karl Schranz, als dieser 1972 von den olympischen Winterspielen in Sapporo wegen verbotener Werbung ausgeschlossen wurde.
Nach Adolf Hitler hatte keiner mehr Fans auf den Heldenplatz in Wien gelockt. Der Empfang war triumphal. Bei beiden Österreichern. Denn man gab das Lieblingsstück der sogenannten «Zukurzgekommenen»: «Wir (Kleine) sind das Opfer der Großen!»

So ähnlich bei Saidi, dem wuchtigen, aber fehlbaren Schuhwerfer. Präsident Bush duckte ab und war eindeutig besser als Saidi. Gekonnt war das. Wie ein Boxer knickte er in den Hüften ein, den Blick immer auf die Geschosse und den Angreifer gerichtet. Es könnte sein, dass es das einzige Mal war, dass George Walker wirklich gut war.
Und diesen Anlass zieht man nun in den arabischen Ländern zur Hagiografie heran. Seltsam. Oder auch nicht. Denn nur die Verlierer verschaffen einem das richtige Selbstgerechtigkeitsfeeling: Ich bin ein Opfer, und deswegen zu 100% im Recht. (Siehe auch Radfahrer auf dem Gehsteig et Alii)

Saidi, der fehlbare Schuhwerfer sagte: «»Ich bin ein Nationalist und konnte nicht ertragen, was meinem Land angetan wurde».
Kennt man doch, irgendwie.
Das wird ihm die Herzen der Menschen öffnen. Ich schlage vor, auch hier in Wien, ein Denkmal von Saidi zu errichten.
Oder renne ich da schon wieder offene Türen ein?

Johnny Cash

…und heute ist 9/12, naintwelf, klingt schon nicht mehr so geschmeidig und süffig, naintwelf ist kein Zungenbrecher, aber zumindest sperrig, und ich frage mich, ob nainilewen auch naintwelf heißen würde, wenn das Verbrechen einen Tag später verübt worden wäre?

Ich höre gerade «Unchained» von Johnny Cash, ein Favoritenalbum des Cash-Biografen Franz Dobler. Mit gutem Grund. Heute ist naintwelf. Vor 6 Jahren starb Johnny Cash. I rember well. Wir waren gerade in St. Gallen, und überall lief Johnny Cash. Wie auch in Berlin, wie mir ein Freund erzählte.

Darum auch heute bei mir.

(In Niederösterreich kommt, las ich, die Flut. Wäre ich so katholisch und gläubig wie die Bewohner, würde ich glauben, dass sie Gottes Strafe ist…)

Nainilewen

Heute ist Nainilewen. Ich werde ihnen ersparen, wie ich es erlebt habe. Ich erinnere mich an die jubelnden Palästinenser, die tanzten und Salutschüsse abfeuerten. Ich erinnere mich natürlich noch an viel mehr, und auch an die Behauptungen, dass unser aller Leben danach nicht mehr dasselbe war und ist. Nun, das stimmt. Aber unser Leben ist immer wieder ein anderes. Es geschehen permanent Dinge, die z. B. mein Leben verändern. Nur schon, dass die Kinder größer werden, und sich sehr verändern während dem sie es tun. Eine Binse, würde ich sagen. Aber sonst?

Eine wirkliche Veränderung in einem Leben geht vor sich, wenn jemand aufhört zu rauchen oder sich sonst einer Sucht entledigt. Oder nach einer Scheidung. Nach dem man sich neu verliebt hat oder mit einem Mal im Rollstuhl sitzt. Wenn man jemanden getötet hat und ins Gefängnis muss. Aber die zwei eingestürzten Towers?
Für die direkt Betroffenen, ja, für alle New Yorker. Wie nach einem Tsunami den man nicht hat kommen sehen und der wieder kommen kann, aber gegen den man etwas unternehmen könnte. Auch wenn man nicht so genau weiß, was.

Ich war damals erschüttert. Ich schrieb ein Tagebuch. Ich habe es zum Glück verloren. Es ist erstaunlich, wie alles im Leben immer einer Mitte zustrebt und nie im Extremen verweilen will.

Hin und wieder gehe ich durch die Innere Stadt Wiens und erinnere mich, inmitten der Touristen und des öden klassizistischen Prunks, den Kaffeehäusern in denen ein großer Brauner € 4,50 kostet, an die Zeit als ich ohne Geld, hungernd und ohne Zigaretten durch diese Straßen lief, immer auf der Suche nach einem Wunder. Es geschah immer. Früher oder später.

Heute habe ich 5 Kilo Kartoffeln für € 0,99 erstanden.
Das ist etwas, das ich absolut nicht begreifen kann.
Das hat’s damals, in meiner Hungerzeit, nicht gegeben.
Das wär schon ein Wunder gewesen.

Nichts für Schlappschwänze

Ich sitze an der weißen Kachel und die Sonne brettert frontal durch das ausgedörrte Rollo wie ein gleißender Boliden. Ich schreibe. In der Küche ist die Tür zum kleinen Balkon offen und ich höre aus dem großen Innenhof -der einen ganzen Block umfasst- die Kinder aus der Kindergruppe. Ca. 100 Meter Luftlinie entfernt.
Es sind Mädchenstimmen. Kleine Mädchenstimmen. Die meiner kleinen Tochter ist auch darunter. Sie sind laut, diese Stimmen. Sie sind hoch. Sie werden noch lauter. Noch höher. Sie sind quengelig. Sie wollen was. Aufmerksamkeit für ein waghalsiges Kunststück auf dem Klettergerüst, zum Beispiel. Oder sie streiten ein wenig, aber sehr, sehr laut.
Es nervt. Oh, yes Sir, es nervt.

Kindergruppen mit Garten sind in der Nachbarschaft nicht beliebt. Dann vielleicht doch noch lieber Ausländer mit Manieren. Ältere Menschen wie ich, möchten Ruhe. Wir können nichts dafür. Kleinen Menschen bedeutet Ruhe etwa soviel, wie einem Eisbären eine Himbeere.
Ich habe auch schon älteren Menschen was gesagt, wenn sie sich über die kleinen Menschen beschwert haben. Es war meistens nicht sehr nett, was ich gesagt habe. Warum? Weiß ich nicht so genau. Vermutlich weil mein Augenstern auch darunter ist. Oder weil es hier um ein Prinzip geht. Aber es ist ein unlösbarer Konflikt, denn sie haben recht, diese Alten. Die Kleinen nerven.
Aber was kann man tun?
Nichts.

Jedesmal, wenn der erste warme Sonnenstrahl in unserer Gasse findet, rücken sie an. Bautrupps. Sie meißeln mit Presslufthämmern die Straße auf. Jedes gottverdammte Jahr, das der Herr ins Rennen schickt. Manchmal kommen sie sogar nachts. Einmal habe ich deswegen die Cops gerufen.

Das Interessante ist, dass sich niemand bei den Baufirmen, bei den Presslufthämmerschwingern, den Polieren beschwert. Ich würde sie am liebsten erschießen, wie sie so an ihren Dingern stehen und einfach losballern. Lärm ist etwas, das man nur erträgt, wenn man ihn selber verursacht. Diese Typen sind eine gottverfluchte Zumutung, der 6. Reiter der Apokalypse, chinesische Folter.

So, du alter Sack, jetzt weißt du’s. Alt werden ist nichts für Schlappschwänze.
Also, sei nett zu den Schreihälsen und beherrsch dich, ja!

Neues aus Irretanien

Während es, wie bereits gestern berichtet, endlich gelungen ist das Kampfhund provozierende dreijährige Mädchen, das von den drei Pitbulls – zurecht – «a bisserl zerfleischt» wurde, dingfest zu machen und in ein Spital zu überstellen, war es der guten Nachrichten noch nicht genug. Am selben Abend konnte ein weiterer Erfolg für die Polizei vermeldet werden. Diesmal aus der Steiermark. Man sieht, nicht nur in Niederösterreich kann die Exekutive erfolgreich Akzente setzen, nein, auch in den südlichen Bundesländern schläft sie nicht.

Dort wurde nämlich auf einem Zeltfest bei einer Amtshandlung ein 20-Jähriger mit € 50.- gebüßt, weil er gefurzt hatte. Damit ist ein für alle Mal klar gestellt, dass man sich in Gegenwart der Obrigkeit zu benehmen hat. Im Amtsdeutsch der Anzeige heißt es: «Sie haben einer Amtshandlung der Polizei als Unbeteiligter beigewohnt und neben den Beamten und den beteiligten Personen einen Darmwind (Furz) gelassen, was unter den Anwesenden zu großem Gelächter geführt hat.»

Unbestätigten Meldungen zu Folge, soll sich der einsichtige Delinquent tausendmal bei den Beamten bedankt haben. Denn schließlich, so beteuerte er, sei es nicht selbstverständlich, dass er sich nach dieser Straftat seines Lebens noch erfreuen dürfe, denn, die Beamten hätten durchaus das Recht, ja, wenn nicht gar die Pflicht gehabt, von der Schusswaffe Gebrauch zu machen.

Der Dank wurden von der Exekutive generös angenommen, die angebotene Fellatio allerdings musste – so die unbestätigte Aussage eines Zeugen – auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden, da man gerade vor einer halben Stunde bereits zwei junge Mädchen bei einem Verkehrsvergehen (der Absatz eines Higheels war gebrochen) verhaftet hatte. Auch die jungen Hupfis wollten sich erkenntlich zeigen, und man habe es ihnen gnädig gewährt, hieß es.

«Drei Kampfhunde von Kleinkind provoziert!»

Im schönen Niederösterreich wurden drei Pitbullterrier von der dreijährigen Tochter der Besitzerin so schwer provoziert, dass sich die Kampfhunde genötigt sahen, das Kind ein wenig zu zerfleischen und ihm ein Ohr abzubeißen. Die Besitzerin sagte dem ORF vor laufenden Kameras, dass sie unter keinen Umständen gewillt sei, die Hunde wegzugeben. «Die haben noch nie jemandem was getan», brachte die aufgebrachte Frau heraus, deren Hunde man fälschlicherweise eines Angriffs auf das kleine Mädchen beschuldigte. Es war Notwehr. Wie im Tötungsfall in Krems, wo die Polizei einem 14-Jähirgen in den Rücken schoss.

Die Polizei sieht ebenfalls keine Veranlassung und keine gesetzliche Handhabe die Tiere zu entfernen. Da ist das Tierschutzgesetz davor.
Das Mädchen, das die Hunde durch seine Existenz provoziert hat, wird vorerst im Spital einbehalten.
Es besteht natürlich, wie im Fall des mit durchschossenen Beinen im Spital liegenden Einbrechers, Wiederbegehungsgefahr.

Der Landeshauptmann, Erwin Pröll, ist zur Stunde noch nicht gesichtet worden, um Hunden und Frau Trost zu spenden. Allerdings gibt es (noch unbestätigte) Meldungen, dass sich hochausgewiesene Tierpsychologen auf den Weg nach Niederösterreich gemacht haben.

Wir hoffen alle, dass der Landeshauptmann trotz seiner zahlreichen Fußgängerstreifeneinweihungen, bei denen er gerne persönlich mit dem vollkommen unabhängigen ORF-Landesstudio zugegen ist, doch noch einen Weg findet, der armen Frau und deren «Hundsviecherl» seine Anteilnahme auszudrücken.

Kollateralschäden

In Österreich sitzt ein 17-Jähriger geständiger Einbrecher mit durchschossenen Oberschenkeln in Untersuchungshaft (sein Kumpel wurde von hinten von der Polizei erschossen), offiziell wegen Wiederbegehungsgefahr. Es geht sich halt noch gefährlich gut, mit durchschossenen Beinen.

Ein besoffener 19-Jähriger Führerscheinloser, tötet mit seinem Auto zwei junge Frauen und begeht Fahrerflucht. Man lässt ihn nach der Ausnüchterung wieder auf freien Fuß. Weil in diesem Fall ganz bestimmt keine Möglichkeit besteht, dass sich der Kerle wieder hinters Steuer setzt oder sich zuschüttet.

Ein bisschen besoffen in Menschgruppen zu rasen ist recht eigentlich ein Kavaliersdelikt, und nix gegen einen versuchten Einbruch. Denn wer sich am Wochenende nicht zuschüttet, schädigt die Volkswirtschaft. Vermutlich mag man drum auch nicht schärfer kontrollieren und Verbote «bringen ja eh nix», obschon an diesem Wochenende viele Menschen von betrunkenen Autofahrern schwer verletzt worden sind. Weil, wenn härter kontrolliert und bestraft wird, könnte ja der eine oder andere auf die Idee kommen weniger zu saufen, wenn er mit der Karre unterwegs ist, und das würde dem Wirteverband irgendwie nicht recht sein, denn das geht ans «Börserl», und das geht irgendwie nicht.

Kollateralschäden, halt.

Der Kinder Ferienende

«The summer’s gone, and all the roses falling
‹Tis you must go, ‹tis you must go and I must (bide) cry»

so ähnlich steht’s in «Danny Boy».

«Der Kinder Ferien sind aufgebraucht
und ebenso das Geld
sie werden wohl nie wieder kommen
nicht mit Caravan noch mit Zelt
da hilft kein Wünschen, auch kein Wollen
unser harrt der schnöde Stollen
ganz schön beschissen, diese Welt.»

Und genauso steht’s in meinen Blog.