Am Fluss

Zur Zeit neige ich dazu, dem asiatischen Wort: «…Ruhig am Fluss sitzen und darauf warten, bis die Leichen meiner Feinde vorbeitreiben…», wenn nicht uneingeschränkt Glauben, so doch vermehrt Beachtung zu schenken. Sie treiben vorbei, die Leichen. Es ist ein schöner, tief befriedigender Anblick, den aufgeschwemmten und von geplatzten Lügen aufgetriebenen Leichnam eines gierigen und größenwahnsinnigen Kleinhäuslers wie den Ex-Innenminister Strasser vorbeistinken zu sehen. Gutti ist ja auch schon durch.

Gut, die Liste ist lang, fürwahr; aber wenn ein Drecksack wie Strasser, der wie kaum ein anderer den Rassismus, die Willkür und die Dummheit in diesem Land befeuert hat ( in den letzten Jahren), so demontiert wird, dass es selbst den Heuchlern in der ÖVP zuviel wird, dann ist das ein Grund sich zu freuen.

Nicht, dass ich nun an das Gute glaube oder auch nur eine Wende zum Besseren erwarten würde, nein, ( ganz verblödet bin ich noch nicht) aber zumindest legt sich für ein Weilchen der Zorn, und ich kann die Dosis der Blutdrucksenker etwas reduzieren. Für ein Zeitchen. Ein Gefechtspäuschen.

Ich sitze am Fluss und warte. Die Liste ist lang…

Verrückte Welt

Es ist eine verrückte Welt, man kennt sich nimmer aus: Jetzt ist doch ein österreichischer Politiker zurückgetreten! Da soll man nicht stiefelsinnig werden, oder was? Kein Stein bleibt mehr auf dem anderen, man hat das Gefühl auf schwankendem Grund zu stehen. Der Strasser Ernstl! Der Ex-Innenminister, der alle Ämter schwarz eingefärbt hat. Der? Sachen gibt’s. Und der Rücktritt erfolgte wegen einer Lappalie. Er hat sich nur fast bestechen lassen, und versucht im EU-Parlament eine Gesetzesänderung zugunsten seiner «Klienten» zu erwirken. I pocks nimma. In Niederösterreich kriegt man für solche Taten normalerweise den Plämpel am Trachtenjanker vom Pröll Örwin, oder den güldenen Sackschoner, entworfen von Manfred Deix, direkt aus dessen Museum.

Wo soll das alles noch enden? Werden wir noch erleben müssen, dass, die eigenen Taschen füllen und Bestechlichkeit, auch in diesem Lande zu Offizialdelikten mutieren und gar bestraft werden?

Natürlich beteuert der Strasser Ernsti seine Unschuld. Er hat nur Gutes gewollt. Nämlich die Bestecher überführen. Konnte dann leider aus Termingründen keine Meldung bei der Polizei machen. Er ist so unschuldig wie ein neugeborenes Meerschweinchen. Und für die Unschuld bis ins Grab hinan, bürgt doch schon allein sein österreichischer Pass. Da sind nämlich alle immer unschuldig.

Die Welt weiß das doch, Ernsti.

Schöner Irrtum?

Flugverbotszone über Libyen! Es sieht so aus, als hätte ich mich geirrt. Doch kein lodernder Zynismus. «Ich bin vorsichtig optimistisch», wie es immer so schön heißt. Aber ich kann nicht anders, ich bin dem Zweifel verpflichtet. Nichts ist so, wie es scheint.

Ich scheine mich wunderbar geirrt zu haben.

Habe ich mich geirrt?

Lodernder Zynismus

Heute verschaffte mir die «harte Arbeit» im Geisteszentrum keine Linderung meiner Bedrückung und Wut. Während im düsteren Schlagschatten der sich anbahnenden Apokalypse in Japan der irre Camper sein Volk metzeln lässt, sitzen die scampimampfenden Europäer mit dem Rest der Welt zusammen und sind ein bisschen froh, dass der «dreckige Osten» der Despoten, Säufer und Kopierer sich gegen eine Flugverbotszone über Libyen sträubt. Gewinnt man so die Zeit, bis die Gaddafi-Truppen den Aufstand niedergeschlagen haben, um gleich darauf, post bellum, doch noch ein Flugverbot auszusprechen?

Werden sie dem Irren dann wieder ihre Aufwartung machen, und in den Wüstenzelten die Gemächte der Schakale lutschen, damit diese ihr Öl wieder verspritzen? Werden sie, wenn sie sich das schwarze Sperma aus den Mundwinkeln abtupfen, anklingen lassen, dass es doch an der Zeit wäre, die Waffenlager wieder aufzufüllen? Man hätte da preiswerte Angebote. Und wird man die niedergeschlagenen Aufständischen, die nun in «biblischen Scharen» vor Folter und Tod fliehen müssen, wieder zurückschicken, wie damals in den 40-er Jahren an der Schweizer Grenze die Juden? Werden wir?

Und werden wir das alles «demokratisch» rechtfertigen, vielleicht «arbeitsplatzpolitisch»?

Gibt es, die Politik betreffend, noch eine andere Haltung, als lodernder Zynismus?

Wenn ja, man möge sie mir bitte mitteilen.

Körper und Geist

Gestern, im Geisteszentrum, sprach mich ein Bodybuilder an. Wir grüßen uns seit langem, wie sich hier alle alten Kerle grüßen. Der Gruß bedeutet: Hey, ich habe dich gesehen, ich weiß, du bist auch ein alter Arsch, ich respektiere dich! Das ist die Bedeutung des Grußes. Er bedeutet auf keinen Fall: Komm her und texte mich mit Banalitäten zu. Daran halten wir uns.

Aber gestern kam es doch zu einem kurzen Smalltalk. Der Bodybuilder bewegt sich in etwa der gleichen Kraftklasse wie ich, aber er ist ein verdammter Schrank, und nicht dick wie ich. Ihm war aufgefallen, dass ich sehr intensiv und kurz trainiere. Ich sagte: «Im Alter muss man intensiver trainieren.» Das ist blanker Unsinn. Man sollte immer kurz und intensiv trainieren. Er fragte nach meinem Alter. Ich sagte es ihm. Er gab sich ziemlich beeindruckt, und gestand, dass er mich auf Anfang 40 geschätzt hatte.

Vor kurzem habe ich Carl Weissner kennengelernt. Der Bukowski-Übersetzer und Romancier ist 70, und man denkt sich nur: Was für ein Bulle! Geht als 45 durch. Seither habe ich mit meinem Alter keine Probleme mehr.

Und gestern Nacht machte ich aus Jux und Tollerei bei einem Test zur Bestimmung des geistigen Alters mit. Mein Geist ist 27. Ein 27 jähriger Geist in einem 40 Jahre alten Körper. Aber in Wirklichkeit bin ich 12. Ich werde sehr jung abtreten.

Apokalypse und Geschmeiß

Diese tapferen Japaner! Ich verneige mich bis zur Erde, und weine um sie.

Und ich frage mich, was uns daran hindert, dieses Geschmeiß, das an den Börsen mit der Apokalypse seinen Reibach macht, verkehrt herum aufzuhängen und solange in die Nasenlöcher zu pissen, bis ihr Herz verrostet?

55-Wort Stories Vlll.

Die Knie durchgedrückt, knarrend im Hüftgelenk, neigt sie sich den Salatköpfen zu. Zusammen mit ihrem Einkaufswagen blockiert sie die halbe Gemüseabteilung. Sie vergisst die Welt um sich herum. Im Supermarkt hat sie eine Wahl. Da kann sie gewinnen. Den besten Salatkopf von allen kriegen. Sie unterzieht jeden einzelnen einer FIngerdruckprüfung. Es wimmelt von Siegern dieser Art.

Süße Algorithmen

Einer wie ich, lebt in Wien dissident. Was das bedeuten soll? Er findet in keinem hier erhältlichen Periodika, keiner Buchhandlung, keinem CD-Laden den Stoff, den er für sein geistiges Überleben braucht. Ein Dissident sucht in der Buchhandlung gleich den Weg zur Bestellung, weil er weiß, die ham das nicht, die ham halt die Bestseller und die ham die heimische Bio-Literatur, aber die ham noch nie was von Nick Tosches gehört. Zum Beispiel.

Weil dem so ist, latscht der Dissident nicht mehr in örtliche Buchhandlungen, sondern er begibt sich gleich elektronisch zu Amazon.de oder sucht bei «booklooker.de». Und Amazon speichert die Suchanfragen, vergleicht sie mit anderen usw. und es entsteht ein Algorithmus, und dieses süße Kerlchen weiß, was den Dissidenten interessieren könnt. Und wahrlich, ich sage euch, das ist eine gute Sache, denn während in der Presse jeweils die drei gleichen Bücher 2 Wochen lang rauf und runtergeorgelt werden, Bücher, die einen interessieren wie ein Gespräch über Thomas Gottschalks neuestes Haarteil, so arbeitet der Algorithmus auf vollen Touren und macht mir brauchbare Vorschläge. So stieß ich auf z.B. auf den «Lumpenroman» von Roberto Bolano. Klasse.

Und wer die Algorithmen-Kiste weiterdenkt, kommt unweigerlich zum Schluss, dass hier die Arbeit des Schriftstellers neu erfunden wird. Der Algorithmus wird uns sagen, welches Thema, welcher Stil, welcher Umfang als nächstes dran sein wird, und der Autor wird sich hinsetzen und das Buch der Zukunft schreiben. Wer Glück hat wird einen Schriftsteller-Job an Land ziehen, und in Hinkunft in einem dieser Autoren-Großraumbüros sitzen und an den von Algorithmen berechneten Romanen arbeiten.

Ich gebe gerne zu, dass mir diese Vorstellung gefällt. Jedenfalls besser, als der Müller den man mir in den Wiener Buchhandlungen andrehen möchte.

Henks Gastblog

Ich habe dem Drängen und Werben meines Lieblingfeindes Henk nachgegeben, und räume ihm hin und wieder Platz für ein Gastblog zu Society-Themen ein. Ich lehne, als gelehriger Österreichschüler, jede Verantwortung ab. (A. N.)

QUATSCH MIT HENK UND HASS VOM FASS

Der alte Chazz sagte immer: «Wenn’s von hinne kömmt, dann kannst es nicht lecken.» Was er damit meinte? Zero Ahnung. Aber er sagte auch:»Dem Volk ist nicht zu trauen.» Damals hat er sich mit som Dichter gekabbelt, Carlos Sandkiste oder so, ne, Sandburg hieß er, der soll irgend son Gedicht geschrieben haben, von wegen Volk und so, es sei das Wichtigste, Mutigste, Edelste was gibt. Aber der alte Chazz widersprach dem ockigen Sandkistchen, und meinte, das Volk sei verlogen, grausam und opportunistisch (tja, Leute, auch solche Wörter kennt der Henk).

Wenn man nun mal das deutsche Volk hernimmt, so gilt das Chazz-Urteil nicht. (Obschon er ja immer recht hat, der zu früh Dahingeschiedene.) Das deutsche Volk ist klasse. Das deutsche Volk ist sich seiner Schuld bewusst, und dem deutschen Volk tut es leid, was es damals angerichtet hat.

Gerade in den letzten Tagen, kriegten wir wieder ’n Häppchen Schuldeingeständnis, vielmehr, ein verdammtes Menue mit richtig Nachschlag, denn wir wurden Zeugen wie die Deutschen – vor allem jene aus dem Katholen-Bayernland -, sich so schuldig fühlen, dass sie aus Zerknirschung darüber, sogar dem Heucheltum und dem Kindsmissbrauch abschwören und zum mosaischen Glauben konvertieren.

So sieht es aus. Die Bayern und Millionen Deutsche konvertieren, verlassen ihre Religionen und wechseln zum Judentum. Es wurde ihnen in letzter Zeit klar, dass das Christentum ein verdammter Irrtum ist. Falsch, pure Irrläuferei und so, denn, und jetzt spitzt die Öhrchen und räumt die Ameisenscheiße aus dem Weg: Der Erlöser ist noch NICHT angekommen. Jesus war nichts anderes als so’n jüdischer Unruhestifter, ne Art «Stuttgart21-Rebellenprolet», der dann ein bisschen zu weit gegangen ist. Nicht mehr. Die Juden ham recht, wenn sie noch auf den Messias warten. Dass sich gerade die Bayern so ohne weiteres von ihrer Religion trennen, wer hätte das gedacht, mein lieber Schurl. Einer Religion, die ihnen erlaubt zu heucheln und nach Herzenslust zu betrügen und von den anderen Tugendhaftigkeit einzufordern. So was geben die auf? So was tauschen die ein. Warum?

Sie ham den wahren Erlöser gesichtet. Er wurde gesehen. Man weiß – auch wenn er sich gerade wegen Unpässlichkeit in seine Gemächer zurückgezogen hat-: Er weilt unter uns.

Vergesst den Loser am Kreuz. Ein Betrüger. Wie Milli Vanilli, ein Fälscher wie Kujau, ein Blender wie Schröder. Der wahre Messias war noch nicht da. Na ja, nur kurz halt. Aber er kömmt. Runter von seinem Schlosse zu Guttenberg. Wartet noch ein Weilchen, bereitet seine Ankunft vor.

Da staunt man. Wer hätt’s gedacht? Halb Bayern, halb Deutschland zum mosaischen Glauben konvertiert. Es gibt noch Überraschungen.

Vielleicht war’s das, was der alte Chazz gemeint hat: «Wenn’s von hinne kömmt, dann kannst es nicht lecken.»

Christoph Bauer: «Der Bericht»

Der Schweizer Schriftsteller Christoph Bauer ( “Ekstase», “Mikromelodramen” “Die selbstreflexive Endlosschleife” u.v.m. ) hat ein neues Buch geschrieben. Er schickte das Typoskript an den Songdog Verlag. Er schickte keine Pdf-Datei, die dann von einer der hier herumwusenlnden Praktikantinnen auf einer unserer vielen, herumstehenden Druckern ausgedruckt wurde, sondern ein gewichtiges Stück Papier. (So macht man das, Kollegen!)

Ich dachte sofort, nein, das geht nicht, nicht schon wieder ein dickes Buch, ein Roman gar; denn dicke Bücher in kleinen Auflagen sind für schmalste Budgets von Mini-Verlagen eine Bedrohung. Besonders für den einzigen Nicht-Staatsverlag Österreichs, der auch noch, gleichsam mit seinen Steuergeldern, die Konkurrenz mästet, und ihr diese toll aufgebrezelten Ausgaben ermöglicht, die sich genauso wenig verkaufen, aber die durch die Subi richtig zulangen können.

Ich fing dann doch zu lesen an. In drei Zügen hatte ich es durch. Ich empfand Dankbarkeit. Wie lange hatte ich kein Buch mehr in die Finger bekommen, bei dem ich mich bereits bei der ersten Lesepause darauf freute, das Teil wieder aufzuschlagen? Lange, lange.

Christoph Bauers «Der Bericht» ist ein Bekenntnis. Es ist das schonungslose, aufrichtige Confiteor eines Mannes Anfang seiner Fünfziger, einer, der sich (und uns auch) fragt, wo eigentlich alles geblieben ist? Die wilden, trunkenen Jahre? Der Aufstand? Die Rebellion? Die Träume? Ja, auch die Träume. Und er hält diese Träume wie einen fadenscheinig gewordenen Teppich gegen das Sonnenlicht und sieht sich die durchgetretenen Stellen an. Er schont sich nicht. Er schont uns nicht. Seine Weggefährten. Die Freunde. Die Feinde.

«Der Bericht» ist mehr als ein mutiges Buch. Es fordert auch auch den Mut des Lesers heraus. Keine Eso-Tunke a la Coelho, kein weichgespültes «Literatur-Soma» das dem Leser wie einer süchtigen Laborratte mit der Pipette eingeträufelt wird, sondern richtiger Stoff. Und ich scheue mich nicht, «Der Bericht» in einem Atemzug mit «Kohelet» dem Buch des Prediger Salomo, zu nennen.

Der Leser wird keine einzige larmoyante Zeile finden, aber viele, deren dunkle Poesie ihn berühren werden, und er wird, wenn es ihm ernst ist, seinen Mut, am Mut des Autors messen müssen, und sich fragen: Wie schaut’s denn bei mir aus? Was ist wahr? Und was ist Batacca?

Wer mehr wissen will, kann sich auf der HP des Verlags informieren.

Wer bis Ende März bestellt, erhält das Buch (versandkostenfrei) zum Subskriptionspreis von CHF 20.- / Euro 13.- (Danach CHF 25,- / Euro 16.-

«Der Bericht» erscheint im April 2011.

Wer das Buch besprechen möchte, kann beim Verlag ein Rez.Ex. anforden.

Bestellungen: verlag@songdog.at