1. August (Nationalfeiertag)

Heute ist Schweizer Nationalfeiertag. Er heißt 1. August, und ist des Schweizers Silvester.
Auch die vielen Nicht-Patrioten fragen sich bang: Wo werde ich dann sein? Auf welchem Grill wird meine Wurst caramelisert, aus wessen Schüssel schöpfe ich den Häperäsalat (Kartoffelsalat)?

Ich bin vorbereitet. Gestern habe ich mir aus einer alten Heurigenbank und leergetrunkenen, österreichischen Weinflaschen eine Stalinorgel gebastelt, eine Abschussrampe für 5 Raketen. Ich habe genug Dinger um sie 6 mal zu bestücken. Die Raketen sind ein Geschenk des Kärtners Gert, der sie mir vor gefühlten 20 Jahren, zum 50-er mitgebracht hat.

Als ich ein Kind war, holten wir eine betttuchgroße Schweizerfahne aus dem Estrich (Dachboden) und steckten die Fahnenstange in ein spezielles Mauerloch unter dem Giebel. Dieses Loch wurde nur am ersten August penetriert. Jedes Haus in der Reihe hatte am 1. August eine bettgroße Fahne hängen.

Wir hatten Lampions aus rotem Seidenpapier mit weißem Kreuz. Solche habe ich auch für meine Kinder gekauft. Die gleichen. Vermutlich werden sie in China hergestellt. Und bei Einbruch der Dunkelheit gibt es Feuerwerk.

Der Bundespräsident wird eine Rede halten. In seiner Rede wird es um die Krise gehen, und dass die Schweizer sich anstrengen müssen, aber auch, dass sie’s packen können, wie sie schon so vieles gepackt haben, dass man sich den Herausforderungen der Zeit stellen müsse, und das sei durchaus machbar. Und man solle auch die Unterprivilegierten nicht vergessen, und man müsse halt arbeiten und den Mut nicht verlieren, auch wenns mal Katzen hagelt.

Neonazis und Skinheads werden versuchen das Rütli zu besetzen. Sie haben die Einstellung, dass Schweizer sein ein unveränderlicher Zustand ist. Natürlich sind sie zu dumm um zu erkennen, dass Schweizer sein, genau das Gegenteil bedeutet, nämlich ein permanentes Werden, die Überwindung der Angst vor dem Fremden, den Großen rund herum, wissend, dass nur die Öffnung den Erfolg gebracht hat und bringt, dass Schweiz sein heißt, diesen Seiltanz immer neu zu wagen, sich immer neu zu überwinden.

Ich könnte mir gut vorstellen, dass sich der Bundespräsident für seine Rede von meinem Blog inspirieren lässt. Zur Feier des Tages verzichte ich auf ein Honorar.

Gut bruzzel!

Er ist immer noch da

Auf dem Dreimeter Brett
hüpfe ich und springe hoch
und fühle mich schwer
wie altes Büffelfleisch.

Schon so lange ist es her
aber ich kann den Jungen
noch immer fühlen
in mir drin
wie er
kraftvoll springt
auch mit all den Jahren
die er mittragen muss
die 7 Todsünden
leicht
wie
brennende Kometen
die über die
Himmel fegten.

Dieser Kerl
verlässlich und
unbesiegt.

Und ich weiß
er wird auch da sein
wenn dieses Leben einst nicht
mehr wiegt
als die 13 Gramm
meiner verlotterten Seele.

Indiansummer

Die Bank hat Betriebsurlaub
Die Kinder sehen das Ende nahen
ihrer Ferien
Die Arme sind gebräunt
Der Kopf eine Null
auch meine und meiner
Der Blog steht still
während ich die Ratschläge
des Grillweltmeisters beherzige:
Grillgut nie direkt über die Glut
und versuche
darin eine Allegorie zu sehen
auch wenns nicht gelingt
Die Olma-Bratwürste sind
einwandfrei.

Schon wieder Daniel Kehlmann. Weiter so!

Daniel Kehlmann hat zur Eröffnung der Salzburgerfestspiele eine wahre Rede gehalten. (Das Regietheater betreffend) Nachzulesen in der FAZ Online.
Heutzutage, wie ich verschiedentlich beobachten konnte, schreibt jede/r Provinzregi-sseur und Seuse, dem Schiller, dem Dürrenmatt, dem Williams, dem Shakespeare tolle neue Texte.

Vor fast zwei Monaten bloggte ich zu den Tellfreilichtspielen Interlaken:
«Eines zeigte sich gleich zu Beginn: Das Regietheater hat auch auf der Laienbühne seinen Klumpfuß geparkt.»

Und Maxim Biller hat schon vor Jahren in seinem «Deutschbuch» die berechtigte Frage gestellt, warum in deutschen Theatern immer gebrüllt wird, wenn es darum geht, Gefühle darzustellen.

Achten Sie mal darauf!

Eine Allegorie

Neulich im Heidener Schwimmbad.
Die Jungs drängen sich, wie seit Menschgedenken, auf den Plattformen des Sprungturms. Ja. So war’s schon immer. Die Jungs springen von oben nach unten ins Wasser. Arschbomben, «Plättler», Salti rückwärts und/oder gehechtet.
Auch der Autor war mal so einer.
Kann er’s immer noch? Man verlernt nichts, lautet ein Gesetz, was man kann, kann man.

Ein paar Probesprünge vom 1 Meter Brett. Es geht immer noch. Er hat zwar 40 kg mehr, seit damals. Er sieht, während des Sprungs, seinen Schatten im Wasser. Immer noch elegant. So Walmäßig. Ohne Flukenschlag. Aber Beine geschlossen und gestreckt.
Dann aufs 3 Meter Brett.

Die 110 kg auf dem Brett tanzen zu lassen, ist schwer. Es ist, als spüre er zum ersten Mal sein wirkliches Gewicht. Die Masse. Das Fleisch, die Muskeln, das Fett, die Knochen. All das gelebte Leben, die Tonnen an verzehrten Nahrungsmitteln, die Ströme von Wein, und all die anderen feinen Sachen. Die Unfälle, Knochenbrüche und Verletzungen, die mürben Bandscheiben und die locker gewordenen Gelenke. Der Schwung ist noch nicht raus. Der Junge, der er einmal war, der steckt immer noch in ihm drin. Nur macht dieser Junge jetzt alles mit einem Sack Zement auf den Schultern. Aber der Alte ist stärker als damals.
Und er schafft es. Drei saubere Kopfsprünge.

Dann, sein Glanzstück: «Seemannsköpfler» rückwärts. Vom 3 Meter Brett. Funktioniert nur dort. Zuerst einmal vorwärts. Hinstellen, Hände an die Seite gepresst und steif, wie ein Baumstamm, fallenlassen.
Rückwärts ist es eine Mutprobe. Vermutlich wie rückwärts Bungeejumping. Der atemberaubende Fall ins Nichts. Und wer seiner Angst nachgibt und die eingenommene, steife Position verändert, der erfährt Schmerzen. Denn jegliche Veränderung der Lage verpfuscht die Landung. Nur wer wirklich dem Wissen und der Erfahrung vertraut, wird perfekt landen. Aber die Nerven brüllen danach, den Körper zu krümmen, sich gegen den Fall zu wehren, zu sehen, wo’s hingeht.

Danach kam eine junge Frau und sagte zu ihm: «Das sah ziemlich cool aus.»

Wenn das keine Allegorie ist, was dann?

Habt Dank!

Folgende Mail bekam ich gestern vom «Autorenhaus Verlag» zugeschickt:

«Als fröhliche Selbstausbeuter sind Kleinverleger bekannt. Arbeit an Wochenenden und Feiertagen und abends gehören mit zur Freude am Beruf. Kleinverlage, auch Independents
genannt, finden meist ihren Platz und (hoffentlich)ihr Auskommen mit Nischenthemen…Verleger sind fleißige Leute.»

Stimmt. Aber nicht nur, dass wir uns selber ausbeuten, sondern wir sind auch auf die mildtätige Mithilfe von Freunden, sympathisierenden Fachleuten, wie Grafiker/Innen, Webdesigner/Innen, Lektoren und Korrektoren angewiesen. Ohne deren Arbeit ginge gar nichts.

An dieser Stelle, habt Dank, Freunde!! Ganz speziell: Daniela Koller, Yvo Egger und Thomas Herzog.

So genug gequatscht. An die Arbeit!

Die Blogeinträge vom 29.Oktober 2008 bis 23. Juli 2009 sind als Buch «LOG / Aufzeichnungen 2008/2009 Wien-Wald (AR)» beim Songdog Verlag erschienen und sind ab sofort beim Verlag bestellbar.