Das ICH hat fertig…

verkündet Frau Radisch in der «Zeit»-Literatur-Beilage, und stellt uns drei Romane vor, die diese Wahrheit bezeugen. Röhler, Ruge, Bierbichler. Vorbei, vorbei. Das Scheiß-Ich. Dann lieber doch der Nazi-Opa, als die auf dem Küchentisch vögelnden Eltern, ganz im Sinne von Jörg Haiders Lob der alten SS-Mannen, die «Charakter haben». Und es wäre nicht Buchmesse, wenn nicht gerade der deutsche Buchpreis an einen solchen Genealogie-Romanillo verliehen würde. «In Zeiten des abnehmenden Lichts» von Eugen Ruge.

Das liest sich dann so: Sein Mund war mit Pflaumenmus verschmiert, der Morgendienst hat es wiedermal eilig gehabt. Seine Strickjacke war schief geknöpft, er trug nur einen Hausschuh.

Aber noch muss ich nicht verzweifeln mit meinen überlebten Ich – und dem von anderen -, denn noch gibt es den Klaus Bittermann, meinen Berliner Lieblingsverleger, und der hat diesen Herbst in seiner Edition Tiamat (u.a.) auch die Interviews von Dr. Hunter S. Thompson verlegt. Und das liest sich so:

O’Rourke: «… Kann ich sagen, jemand soll Meese (Ronald Reagans Generalstaatsanwalt) aufschlitzen und seine Eingeweide um eine Telefonzelle wickeln.

Dr. Thompson: Nein, das können Sie wahrscheinlich nicht. Er sollte ausgepeitscht werden – aber nicht getötet.

O’Rourke: Und wenn wir sagen würden, Meese soll von einem Elch gefickt werden?»

Dr.Thompson: Das ist offensichtlich harmlos… Ich glaube, dass Ed Meese…zusammen mit einem Elch in einem großen betonierten Keller eingesperrt werden sollte…

O’Rourke: Ein zorniger, geiler Elch, voll auf Acid.

Dr. Thompson: Meese ist nackt und der Elch ist riesig, vielleicht weit über 800 Pfund.

O’Rourke: Elche können sehr unangenehme Kunden sein.

Dr. Thompson: Und wenn sie erst einmal voll auf Acid sind und richtig geil – oh du meine Güte, das geht die ganze Nacht lang ab.

Überlassen wir getrost das Familienpflaumenmus den Kritikern, die wieder mal einen neuen Trend ins Leben rufen möchten. Die Familienpflaumenmus-Literatur. Das legt sich wieder. Aber wer lieber richtiges Zeugs lesen möchte, verrückte, wahnsinnige, elektrisierende, irre komische altmodische «ICH-Literatur, der wende sich an:

Hunter S. Thompson / Kingdom of Gonzo

Interviews mit Hunter S. Thompson / Edition Tiamat, Berlin ISBN 978-3-893201587

Depressiv-lethargisch

Nach einer Lesung mit den andern «Superbastards» http://www.superbastard.de/ in Augsburg, schrieb die «Augsburger Allgemeine»: «Depressiv-lethargisch, doch fesselnd war der Vortrag des Wieners Andreas Niedermann.»

Das fand ich interessant, und doch krass bedenklich. Bin ich tatsächlich depressiv? Und lethargisch? War ich nicht einfach nur hackedicht? However. Wenn ich depressiv bin, google ich einfach meinen Namen. Nicht, dass dies meine Stimmung aufhellen würde, aber manchmal findet man was lustiges. So stieß ich neulich auf eine Website, die sich ein Zitat von mir gekrallt hatte: «Wenn man alt ist, hat man schon einiges gesehen. Und einiges hat man schon zigmal gesehen und wird es wieder sehen, wenn man blöd ist und wieder hinsieht.

Das fand ich ein nettes, und gleichzeitig kluges Zitat, und die Vorstellung, dass ich vielleicht nicht nur depressiv-lethargisch, sondern auch klug sein könnte, gefiel mir sehr. Vielleicht sogar ein bisschen gscheit?

Aber dann las ich, dass in Ösi-County Staatsmeisterschaften in «Slam-Poetry» ausgetragen werden, und es einen Slam-Poetry-Staatsmeister gibt. Er heißt Markus Kozuh.

Ich gestehe es: Nicht anderes habe ich erwartet. Weder vom Land, noch von den Slam-Poeten.

Lest Streeruwitz!

Heute weise ich auf den bravurösen und zutiefst wahren Artikel von Kollegin Marlene Streeruwitz hin, und lege ihn vor allem auch jenen ans Herz, die immer noch glauben, dass österreichisches Kabarett witzig und gar etwas mit Humor zu tun habe.

http://derstandard.at/1317019653881/Liegt-es-am-Umgangston

Und außerdem freut es mich, dass mein Vorschlag zur Änderung der Nationalhymne (siehe Blog vom 14. Juli «Heimat bist du großer Kinder») endlich die verdiente Anerkennung findet.

Wieder nicht

Bob Dylan hat ihn schon wieder nicht gekriegt. Den Prix nobel. Aber ich kann mir keinen seiner ehrlichen Adoranten vorstellen, der deswegen vergrämt wäre, geschweige denn, Dylan selber. Aber wer gesehen hat, wie Jack Lang ihm irgendein französisches Ehrenlegionsgeschmeide, in der Größe und Form eines metallenen Kinderlatzes anlegte, und Bob Dylan die Prozedur stoisch über sich ergehen ließ, ein «A thousand thankyous» krächzte, sich umdrehte und abging, und wie danach der zerknirschte Jack Lang sich am liebsten selber geohrfeigt hätte und sagte (im Sinne): «Warum konnte ich den Mann nicht in Ruhe lassen, warum nur, musste ich ihm diesen Scheiß umhängen?», der könnte doch versucht sein, es dem Dylan ein bisschen zu wünschen, dass er ihn doch irgendwann kriegt, den Prix. Aus purer, egoistischer Lust am Spass.

Die Blockredaktion gratuliert dem Herrn Tomas Tranströmer.

Der war echt gut ll.

«Schneckerl» Prohaska, einer der vielen so erfolgreichen austriakischen Ex-Nationaltrainer aus der Cordobarinaer-Fraktion, äußert sich in einem Interview nicht sehr schmeichelhaft über Marcel «Mäsä» Koller. Natürlich hat er noch keine Arbeit von Koller gesehen. Braucht er nicht. Wozu auch? Er ist weltberühmt. Zumindest in Ösi-County und Simmering.

Ich frage mich, ob ich an seiner Stelle als Ex-Trainer, als einer, der mit 9 Kisten aus Spanien (nein, nein nicht Cava!) heimgekehrt ist, meine Pappen aufmachen tät?

Vermutlich schon. Denn irgendeinen Einfluss müssen die zwanzig Jahre Wien ja haben.

Der war echt gut

Nicht, dass es mir nicht vollkommen blunzen wäre, aber bemerkenswert ist es doch: Die Austriaken überwinden ihren Chauvinismus – den man hier Patriotismus nennt – und ernennen einen Ausländer als NATIONALTRAINER der Fußballmannschaft. Einen Schweizer. Ab ins Kuriositätenkabinett. Marcel «who?» Koller, heißt der Auserwählte, und manch Fußball-Eidgenosse mag sich noch erinnern. Aber an was, und an wen? St. Gallen? Schweizer Meister?

Gut. Zu den Fakten:

1. Der Mann hatte seit zwei Jahren keinen Job. – 2. Der Mann war vielleicht billig (Obschon von Günther Netzer hochgelobt). – 3. Er ist Ausländer. Aber zumindest kein Piefke. – 4. Er ist Schweizer und wird vermutlich pünktlich zum Training erscheinen (das werden einsame Stunden, mein Lieber) – 5. Er ist so unberühmt, dass jeder der 27 wichtigsten Funktionäre des ÖFB ihm sagen wollen kann, welche Aufstellung er präferiert. Abwechselnd. – 6. Was für ein Witz. – 7. Warum Witz? Es ist die österreichische Nationalmannschaft. – 8. Jetzt is erst Mal a Ruah, und die Funktionäre können sich endlich wieder ihrer Hauptaufgabe widmen: Dem Intrigieren. Gegen den neuen Nationalcoach. Zusammen mit den vereinten Cordobarianern, dem Hanse, dem Schneckerl und den anderen Polstern.

Ich gratuliere von dieser Stelle aus recht herzlich!

Machs guet, Mäsä, und lueg, das schnäll än andärä Tschob hesch!

Die Stille vor dem Schuss

Ich sitze in meiner Kammer, aus dem Sony-Kasten kommt «Blood on the tracks»von Dylan und ich schreibe an einem Roman mit dem Titel «Goldene Tage». Die Nachrichten sind ziemlich übel, die Lage höchst gefährlich, morgen schon kann es mit der Wirtschaft vorbei sein, «it’s all over now, baby blue», Hamsterkäufe, leere Supermärkte, und die Leute gehen auf die Straße, ratlos erst, dann, langsam wütend werdend, und die Nachrichten überschlagen sich, krachende Börsen, nach unten rasselnde Aktienmärkte. Und niemand weiß was, und niemand kann was dagegen tun.

Ich spüre seit langem diese Anspannung. Im Auge des Sturms. Und natürlich habe ich Schiss. Aber es wird nicht genug sein, einfach nur Angst zu haben.

Von meinem Fenster sehe ich die Jungs auf dem Baugerüst, die seit Wochen die Fassade renovieren. Sie sind ziemlich gut. Werden sie, wenn alles gekracht hat, einfach auch weitermachen, wie ich mit meinem Roman? Wer braucht dann noch eine renovierte Fassade, wer einen Roman?

Ich erinnere mich an die ferne Zeit, als wir darauf hofften, dass der ganze Laden endlich in die Luft fliegen möge. Wir konnten’s kaum erwarten. Jetzt, viele Jahre später, finde ich diese Vorstellung nicht mehr so gut.

Nun, ich schätze, es wird am Besten sein cool zu bleiben, seinen Verstand zu benützen, und sich auf richtig harte Zeiten einzustellen.

Serdar Somuncu und das Sandmännchen-Boxen

Bevor ich mir gestern das «Sandmännchen» gab, in Form eines Boxabends des Fernsehboxstalls Sauerland, wo die heimischen Sieger nach den Kämpfen immer aussehen wie von Nazis im Bordstein gestiefelt, und die Verlierer, als wären sie gerade dabei sich umzuziehen, um mit ihrer Freundin schön essen zu gehen, sah ich zufälligerweise den Serdar Somuncu, den «Hassprediger».

Und während das «Sandmännchen-Boxen» von Sauerland (vorwiegend an Austragungsorten in Ostdeutschland) seinen grölenden Fans suggeriert, dass man auch mit zerschlagener Fresse, lockeren Backenzähnen, Cuts und Beulen ein Sieger sein kann, wenn man nur in der Heimat bleibt, die Ringrichter ein bisschen anfüttert und an Sauerland glaubt, so war der Vortrag von Serdar Somuncu der wirkliche Kampfabend: Obszön, brutal, aufrichtig, ungeschönt, klug und gscheit, dreckig, ehrlich, hart und, natürlich, zum Wiehern; ein Bursche, der Serdar, der niemals in die Mario Bart Show eingeladen wird, Lenny Bruce-mäßig, kurz: Klasse.

So weit ist es also schon, dachte ich, dass die Comedians härter als die Boxer sind, aber vielleicht war das schon immer so, und ich habs einfach nicht bemerkt. Wie so vieles.

Heute morgen ging mir dann wieder mal das verdammte schöne Wetter auf die Nüsse, immer nur die gelbe Sau, das hält doch kein Schwein aus, und auf dem Weg zum Geisteszentrum erfreute ich mich wie immer am Park des Palais Schönburg, und dachte: Sonne nur bis zum Park, aber ab dann schön fies und grau und nieselig, bitte sehr. Aber davon wollte niemand was wissen, und für so eine Aussage sind schon Leute psychiatrisiert worden.

Und als ich dann austrainiert und schwitzend wieder zurück ging, kam ich zu jener Kreuzung Ecke Rainer/J.Strauss-Gasse. Da ist der Polizeiposten vom vierten Hieb, und einer der Insassen stand neben mir – gewandet in die sonntäglich frische Uniform -, die Ampel für Fußgänger war superrot, und ich wartete bis keine Karre mehr kam, und dann ging ich los. Würde er die Glock ziehen? Mich anrufen? Mir nacheilen? Mir eine Buße andrehen?

Aber der Freund und Helfer ließ mich ziehen. Das hätte mich mit dieser Stadt aussöhnen können. Für ein, zwei Takte. Tat es aber nicht, denn man weiß nicht, warum er nicht geschossen hat. Vielleicht hatte die Glock Ladehemmung? Vielleicht wollte er nur keinen Ärger mit einem schwitzenden, stinkenden, adrenalinauspumpenden 120 Kg-Ausländer oder es war ihm einfach voll-wienerisch wurscht.

Keine große Tat, fürwahr, aber ein bisschen, das gebe ich zu, tat es schon gut. Scheiß auf das dämliche Never-ending- Schönwetter.