«Mir kann keiner» von Florian Günther

Mein befreundeter Kollege Peter Engstler suchte nach der Lesung einige Bücher zusammen, eines nahm er aus dem Stapel und gab es mir. «Musst du lesen. Das wird dir gefallen. Ein großer Humanist.»
Er sagte noch einiges anderes, aber daran erinnere ich mich nicht mehr, weil ich bereits meine Nase in dem Buch hatte.
Es heißt: «Mir kann keiner» von Florian Günther.
Nun ja, es ist das, was man als Lyrik bezeichnet oder Poetry oder Gedichte und zwar von der Sorte, die Jörg Fauser einmal «komprimierte Kurzgeschichten» genannt hat. Gedichte, die Fausers eigenen sehr ähnlich sind, jenen Bukowskis, Doblers oder auch denen des früh verstorbenen Christoph Derschau.
Ich las die Gedichte dann am nächsten Tag in der überfüllten Regionalbahn, sonntags, von Schweinfurt nach Nürnberg, während der Kinderwagen eines Punkerpärchens, das gerade die Omi im schönen Haßfurt besucht hatte, auf meinem Fuß parkte. Ich las die Gedichte im überfülltesten Zug meines langen, dummen Lebens, und ich sage euch, sie haben mir, einem mitunter unbeherrscht klaustrophoben Misanthropen geholfen, diesen Trip zu überstehen.
Florian Günthers Worte sind wahr. Und jedes einzelne von ihnen tönt. Und es steht auch nicht eines zuviel auf dem Papier, und auch keines zu wenig. Um was geht es in diesen Gedichten? Er soll es uns gleich selber sagen: «… Alltag. Tod. Gewalt. Verlotterten Hausfrauen. Leuten, die unten sind und trotzdem lachen. Betrug, Versöhnung, Nutten. Dem Ringen um Würde in einer würdelosen Zeit…»
Und damit ist auch klar, dass es sich hier um Großstadtlyrik handelt, um einen Berliner Dichter aus dem Osten der Stadt.
Günther hat etwas, das nicht gerade mit dem Jauchewagen ausgebracht wird: Authentizität. Aber das ist irgendwie müßig zu erwähnen. Ich tue es trotzdem. (Auch die guten Dinge müssen immer wieder gesagt werden.)
Außerdem ist Florian Günther ein cleverer Dichter, einer der nicht rumjammert und die «Situation und die Stellung der Lyrik innerhalb des Literaturbetriebs» beklagt. Im Gegenteil. Er nimmt die Sache selbst in die Hand. Seine Bücher, deren 5 bisher erschienen sind, hat er selber verlegt und vertreibt sie in der Edition Lüük Nösens. www.edition-luekk-noesens.de
Das ist gut. Wie seine Gedichte.
Eine große, wahre Freude.

Neulich, in der Trottel-Hölle

In der Schweiz wurden kürzlich Priester, die des Kindesmissbrauchs beschuldigt werden, verhaftet. Hier, in Ösi-County, ist Kindsmissbrauch nur ein Offizialdelikt wenn die Täter die Richtigen sind, also zum Beispiel keine katholischen Amtsträger. Das ist halt so.

Dafür bestellen die Bischöfe eine «unabhängige» Opferschutzbeauftragte, die ehemalige Landeshauptmännin Waltraud Klasnic, die vor einigen Jahren wegen Mauscheleien mit adligen Zoobetreibern und ein paar Millionen Steuergeldmiesen, ihren Steirerhut nehmen musste. Die «unabhängige» Opferschutzbeauftragte wird natürlich von der Kirche bezahlt, und ist außerdem im Verein irgendwelcher «Freunde des Priestereminars der XY» engagiert.

Nun, in jedem demokratischen Land würde diese Meldung sofort als Satire entlarvt. Aber in Österreich gibt es keine Satire. Auch wenn es Burschen und Mädels gibt, die sich als Satiriker bezeichnen und sich in der «ZEIT» über ostdeutsche Arbeitsimmigranten lustig machen. Aber es ist weit und breit keine Satire zu erkennen, außer der einen, realen.
Manch einer mag sich fragen, warum dem so ist? (Viele werden es nicht sein.)

Nun, es ist so, weil sowas für ganz normal gehalten wird. So wie es hierzulande auch normal ist, wenn ein Beamter, der einen mutmaßlichen Dealer von hinten zu Tode genotwehrt hat, diesen Fall auch selber untersuchen darf. Ist doch logisch. Kennt doch kein anderer besser die Faktenlage, oder?

Tja, Freunde, so lebt es sich in der Trottel-Hölle ziemlich gemütlich. (Außer man wird gerade von einem Prachtexemplar der kirchlichen Erziehung gevögelt oder zu Boden geschlagen. Aber das ist halt so. Kann man nix machen.) Es ist eine gemütliche, warme Hölle. So eine Art Hölle-Wellness. Da der Brennstoff,mit dem diese Hölle befeuert wird, nur aus dem normalen Grips, Demokratieverständnis, eigenständigem Denken, Anstand, und dem Peinlichkeitsempfinden gewonnen wird, gibt es auch nicht irre viel Heizmaterial ins Höllenrohr zu schieben, und so ist es toll-supi-gemütlich-plüschig-warm. Und die Aspacher «3 Bierbesteller» haben sich auch schon für ein Ständchen angekündigt. Big-Teil! Oder so.

Na ja, die Opfer sind halt ein bisschen angepisst. Aber was soll man machen? Wir sind doch alle Opfer. Am meisten die missbrauchenden Priester. Was die jetzt wieder alles aushalten müssen! An medialer Verurteilung. Wie, zum Beispiel, dieser…

P.S. Ein Evergreen in der kirchlichen Vertuschungsstrategie ist auch immer wieder das Bibelsprüchelein: «Wer unter euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.»
Ich sage: Nur her mit den Kieseln.
Irgendjemand muss ja mal was tun…

Sunday moaning comin› down – Poetry

Nach einer kleinen Unterbrechung geht es wieder weiter mit «Sunday moaning…»

Keine One-Trick-Ponys

Mir hat immer gefallen
wenn ein Dichter oder Künstler
noch etwas anderes
konnte.
z.B. Pferde züchten, Gitarren bauen
Schiffe navigieren oder
Töten.

Mich beeindruckt ein Bursche
wie Sokrates
der konnte einfach alles
oder Lino Ventura, der Ex-Ringer,
der an einem Nachmittag
70 Bäume fällte.

Die anderen sind
One-Trick-Ponys.
Auch nicht schlecht.

Aber den Bizeps                                                                                                                                             von Steve Earle                                                                                                                                              dem Countrysinger
finde ich nun mal
um Klassen
besser
als der von
Arnold Schwarzenegger
dem Governor.

Der Säumer und sein Esel «Négrr»

Neulich hatte ich die Geschichte von einem Esel und seinem Säumer gehört, damals, als ich im Berner Oberland handwerkerte. Der Esel soll eher von dunkler Farbe gewesen sein und deswegen nannte man ihn «Neger». Aber das erste «e» in Neger wird im Dialekt wie das 1. «e» in «weggehen» betont, und das zweite sowieso nicht ausgesprochen. Also hieß er «Négrr». Jedenfalls hatten «Neger» und sein Säumer teure Fracht vom Tal nach Wengen zu befördern, also richtig wertvolles Zeugs und auch sehr viel davon, und Neger hatte irgendwann keinen Bock mehr den Esel zu machen und warf ab. Alles runter und rein in die Steilheit des Geländes, wo die Fracht «vertrohlte». Der Säumer sah sich die Bescherung an, und sagte dann zum Esel: «Lue eis Négr, was du gmacht hesch!» («Jetzt schau nur, Neger, was du getan hast.») Und das soll er gesagt haben, ohne die Pfeife aus dem Mund zu nehmen.

Nun, eigentlich wollte ich nur erzählen, dass ich gestern Nacht der Verleihung des Grimme-Preis beigewohnt habe, wo ein Klassenkamerad und Schulfreund aus dem Berner Oberland ausgezeichnet wurde: Der Regisseur und Drehbuchautor Markus Imboden.

Und warum, zum Teufel, tu ich es dann nicht?

Ich gratuliere herzlich und freue mich sehr! Weiter so!

Eins für die Tierschutz-Populisten

Ich bin ein Aficionado des Stierkampfs. In Tat und Wort und Bild.
Seit es ihn gibt, soll er abgeschafft werden. Aber man hat es über all die Jahrhunderte nicht hingekriegt. Beim Stierkampf geht es um Tod, das Leben, Eleganz und Stil in Todesgefahr. Um den Triumpf des Menschen über die Urkraft der gefährlichsten Kampfmaschine dieser Welt. Stierkampf ist, wie Boxen, kein Spiel und keine Show, sondern blutiger Ernst. Er ist nicht Fußball oder Tischtennis. Er ist ein Drama, und er endet mit dem Tod des Antagonisten. Im besten Fall nur mit dessen Tod. Aber all das ist hinlänglich bekannt.

Nun möchte man ihn wieder mal abschaffen. Diesmal sind es katalanische Tierschützer. Und Deutsche. Deutsche wollten den Stierkampf schon immer tilgen. Keine Ahnung, warum. Bei den Katalanen liegt der Fall etwas anders: Den Katalanen bedeutet der Stierkampf schon traditionell nicht viel, bis überhaupt nichts. Warum wollen sie ihn dann abschaffen? Vielleicht um den verhassten Spaniern einen reinzuwürgen? Vermute ich mal. Katalanen gelten gerne als die «Deutschen» der iberischen Halbinsel.

Nun gut. Stierkampf ist nicht jedermanns Sache. Und daher macht es sich gut, wenn man ein paar nackte Mädchen, mit Banderillas bestückt, auf einer Plaza platziert, um gegen das Drama in der Arena zu protestieren. Das ist hübsch anzusehen. Gefiel mir auch ausnehmend gut. Aber es ist einfach nur Populismus.

Denn: Jeder verdammte Stier der in der Arena getötet wird, hat es im Leben und auch in seinem Tod noch tausend Mal besser, als das von allen Göttern verlassene Vieh, das um des Profites Willen, durch ganz Europa gekarrt wird. Oder all die Schweine, die hier in Österreich, Deutschland und der Schweiz in engsten Verschlägen und in Finsternis ihrem maschinellen Tod entgegen siechen, damit der Ösi, der Eidi und der piefkinesische Tierschützer und Stierkampfgegner, ein billiges Schnitzel neben die Pommes gelegt bekommt.

Es ist dies mit ein Grund, warum ich fast vegetarisch lebe.
Also ihr stierkampfgegnerischen Tierschützer: Schaut ihn eure Ställe, auf eure Teller und auf eure Straßen, wenn euch am Wohl der Tiere liegt, und verschont mich mit diesen albernen Kampagnen, die aus den Thinktanks der Rechtsnationalpopulisten entfleucht sein könnten.
Olé!

Eins für die Autoren

Wieder zurück. Unermesslich reich geworden. Im Ausland. Aber ich bin immer irgendwie im Ausland, und darum auch immer am unermesslich reich werden. Und es ist ja wahr. Ich gewinne neue Freunde, finde Kollegen, Artverwandte, Genossen und nebenbei auch etwas Heimat. Und Heimat ist dort, wo man sich nicht zu erklären braucht.

Ich bin also reich zurückgekehrt. Ich lege Guy Clark auf. Ich reiße die Post auf. Reiche Post, diesmal. In jeder Hinsicht. Ich bin eben ein Glückspilz. Da vero.
Ein pensionierter Pfarrer aus Wald(AR) schreibt mir. Ein 8-seitiger Brief. Handgeschrieben. Eine kritische Würdigung von «LOG», meinem letzten Buch. Mit erlesenen, ausgewählten Zitaten. Sowas freut den Autor. Auch wenn ich den Eindruck, dass der Briefschreiber einen Schriftsteller für eine Art einzelgängerischen Pfarrer hält, nicht ganz loswerde.
Aber vielleicht halten Schriftsteller Pfarrer für etwas zu gesellige Autoren mit verpflichtender Nächstenliebe.
Was die Zitate anlangt, so ist es interessant zu sehen, wie ihrem Inhalt immer Gewalt angetan wird wenn man sie aus dem Zusammenhang reißt. Manchmal brachial, manchmal minimal. Whatever. Es freut den eitlen Autoren (der Terminus enthält ja schon das schöne Wort «Tor»), dass man sich mit ihm beschäftigt. So sind wir eben.
Wie Autoren auch noch sind, darf ich beim Lesen der eingesandten Typoskripte erfahren.
Eines ist vielen gemein: Sie haben sich noch nie die Mühe gemacht und/oder die Kosten gescheut, ihre werte Autorennase in eines der Songdog-Produkte zu stecken. Und so erhalte ich Kirchenlyrik von Preis-Autorinnen, ausgezeichnet von den «Augsburger Friedenssamen». Um nur das neuste Beispiel zu nennen. Awright. Pfarrer schreiben mir. Kirchenlyrikerinnen möchten bei mir veröffentlichen. Warum? Vielleicht tue ich ihnen Unrecht? Ich sehe meine Verlagstitel durch: Love is HELL. Mail für HIOB. VERFLUCHT schön. HERZ.

Trotzdem. Es wäre besser, liebe Autoren und Autorinnen, vorher eines der Songdog Bücher zu lesen, bevor ihr mir euer Werk zukommen lässt. Okay. Aber die Post freut sich auf jeden Fall.
Hilfreich ist es auch, den geneigten Verleger vorher zu fragen, ob er noch lebt und noch kann. Was auch immer. Ob sein Geist noch aufnahmefähig ist. Am hilfreichsten ist es – im Falle einer Publikation – nicht wirklich zu erwarten, dass der Verleger nun Himmel und Hölle in Bewegung setzen wird, um die ausnahmslosen Ausnahmewerke in die Welt hinauszutragen, damit ihr Genius – verdientermaßen – im ewigen Sucherscheinwerferlicht erschüne.
Oder wie Guy Clark in seinem großen Song «Hemingways Whiskey» singt:

«You know it’s tough out there
A good muse is hard to find
Livin› one word to the next
One line at a time
There’s more to life than whiskey
There’s more to words than rhyme…»

Und Hemingway himself sagte auch noch: Der Verleger ist der natürliche Feind des Autors. Liebe Autoren, es stimmt. Ich weiß, wovon ich rede.

Der letzte Tiger in der Dämmerung

Wie schön. Diese Resonanz, die «die kleine Reminiszenz an die Kreuzschlitzschraube» ausgelöst hat. Welch schöne und aufschlussreiche Kommentare sie zeitigte. Nun, ist wieder Schluss mit lustig, und ich verlasse das Gebiet des Handwerks und der Berge.
Ich tauche wieder auf, als Gast des Peter Engstler Verlags, dessen gar nicht so kleines, aber hammermäßig assortiertes Verlagsprogramm ich allen ans Herz legen möchte. Googelt’s ihn, den Peter Engstler Verlag.
Ich lese da:

Samstag 20. März 2010, 20:30 Uhr
In der Buchhandlung Breiter Hof 6
Oberwaldbehrungen
D-97645 Ostheim/Rhön

Zum Abschluss dieser zwei Wochen als Fliesenleger, Zimmermann, Tischler, Faktotum, Bodenleger, Maurer noch ein Text, den ich letztes Jahr für die «Handwerks»-Ausgabe von «Obacht Kultur» geschrieben habe:

Der letzte Tiger

«Ich verachte jedes Handwerk.» Diesen Satz schrieb ein Genie. Es hieß Arthur Rimbaud (1854–1891), und mit gerade mal 19 Jahren wollte er auch kein Genie mehr sein. Wenigstens
kein dichtendes. Keine Zeile mehr. Der junge Mann verlor sich in Afrika, widmete sich dem Waffenschmuggel und artverwandten Geschäften. Geschäften, nicht Handwerk.
Es ist nicht überliefert, dass er jemals einen Finger krumm machte.
Mir gefiel dieser Satz. Damit konnte man provozieren. Nur war ich kein Genie wie Rimbaud. Vielleicht eine Art Pumpgenie. Und dieser unterfütterte Genius trieb mich immer wieder an die Stätten und in die Mühen des gemeinen Handwerks. Maloche, um meine Kreditwürdigkeit zu erhalten. Aber ich hatte keinerlei Interesse an bezahlter Arbeit. Aber so ist es eben: Es ist manchmal ein harter Job, ein Genie zu sein. Aber keines zu sein auch. Ich hatte also häufig mit Handwerk zu tun.
Schlimm genug. Aber in Wirklichkeit war es noch ärger: Ich gab den Handlanger der Handwerker. Gehilfe eines maulenden Zimmermanns. Ziegelschlepper von verkaterten Maurern. Täferablänger von zänkischen Schreinern. Oberflächenbearbeiter von schweigsamen Steinmetzen und Dachpappenträger trunksüchtiger Dachdecker.
Das ist für einen jungen Menschen ungesund. Diese Verachtung des Unabänderlichen. Sie gebiert Philosophen oder neurotische Selbsthasser.
Hundert Jahre nach Rimbaud war dann fast alles Handwerk. Das Handwerk des Schreibens, der Kameraführung, der Regie. Oder des Philosophierens. Im Gegenzug gab es die Kunst des Kabelschleppens und der Töpferei, Fliesenlegerkunst und die Kunst des Haareschneidens. Jawoll! Friseurkünstler und Dichterhandwerker. Nicht zu vergessen: das Handwerk des Tötens,
des Geldeintreibens, der Buchführung, des Storylinings und des Betrügens. Möglich, dass dieser Nonsense dem einen oder der anderen auf die Nerven fiel.
Und nach so vielen Jahren Handwerk, bin ich immer noch arbeitsscheu wie jeder andere
rechtschaffene Penner; immer noch wütend wie Adam, als Gott ihn aus Eden warf.
Handwerk ist absurd.
Und doch zum Sterben schön.
Die aufregendeste Fernsehsendung aller Zeiten heißt: «Der Letzte seines Standes». Wir sehen alten, lebenszähen Handwerkern bei der Arbeit zu; sehnigen Männern, die in wurmstichigen Manufakturen auf die überlieferte Art Filz herstellen, Frauen, die Hutbänder ziehen; Böttcher, die mit rasiermesserscharfen Äxten so kunstvoll auf halbe Baumstämme einschlagen, dass nach dem «Babuschka»-System immer kleinere Tröge entstehen. Es ist atemraubend und erschütternd. Als sähen wir in der Dämmerung den letzten Tiger durch die Taiga streifen. Wir blicken, melancholisch geworden, in eine Welt ohne Abfall. Sie versinkt vor unseren Augen. Wir sehen es, aufgewühlt und begeistert. Wir können nichts dagegen tun und wissen: Diese kleinen Filme werden bleiben. Eine Weile. Bis es irgendwann, in naher Zukunft, für diese Datenträger keine Abspielgeräte mehr gibt.
Diese Vorstellung hat etwas Närrisches.

Als es geschah…

Gestern Abend, kurz vor dem Einnachten, stand ich bloßfüßig draußen vor meiner «Hütte» und blickte auf die Berge im letzten Licht. Sie sind ringsum, und sie sind schneebedeckt. Die meisten haben so an die 4 Tausend Meter. Aber da ich bereits auf 1200 m bin, fällt es nicht so auf. Und als ich sie so ansehe, im verlöschenden Tageslicht, finde ich nicht, dass sie «majestätisch» wirken oder «bedrohlich», «herausfordernd», nein, sie wirken jetzt gerade wie gutmütige Kumpels aus Fels, wenn auch Kumpels, mit denen selten zu spaßen ist. Und wenn man sie lange genug ansieht, kann man die Kraft erahnen, die sie glühend aus dem Urgrund der Erde hinaufgestoßen hat.
Verdammt, denke ich, was gäbe ich dafür, dabei gewesen zu sein, als es geschah…

Der dritte Akt ist einfach Müll

Darüber habe ich schon vor mehr als einem Jahr ausführlich geschrieben, darum hier nur eine Kurzfassung. Sie heißt: Die alten Leiden, des Arbeitenden.

Das Üble an Stories, Romanen, Geschichten, Neueingesetzten Türen, verputzten Wänden, verfliesten Bädern, montierten Terassen, meine Lieben, ist… ja, was?
Ich verrate es: Ich sehe nach dem Ende der Arbeit immer nur die Fehler. Es dauert Wochen, Monate, Jahre, bis ich einen unbefangenen Blick auf mein Zeug werfen kann. Und nicht mehr leide.
Eine Arbeit zu Ende zu bringen, verschafft mir eine gewisse Erleichterung, aber keine Freude.

Das ist, gelinde gesagt, Scheiße! Aber nicht zu ändern. Darum verabscheue ich der Einfachheit halber, jede Arbeit. Wenigstens, und da sind sich Arbeit und Hollywoodfilme ziemlich gleich, den dritten Akt. Öde. Überflüssig. Quälend. Man sollte schnellstens die Flucht ergreifen. Was ich auch tun werde. Halleluja!!!!

Eine kleine Reminiszenz an die Kreuzschlitzschraube

Alles verändert sich. Ich kann mich noch an die Zeiten erinnern, als es noch keine Kreuzschlitzschrauben, sogenannte «Spax» gab. Mit den Spax kamen auch die «Akku-Schrauber» auf, und man drehte eine 5 x 70 mm Schraube innnert drei Sekunden ins Holz. Wenn man’s konnte. Für einen Anfänger waren Spaxe tückisch, denn der «nudelte» die Schlitze gerne ab, und ruinierte dabei auch den «Bit». Es braucht Kraft und Gefühl. Zwei sehr männliche Attribute, finde ich. Andere finden vielleicht was anderes, is mir aber wurscht.

Nun, beim Hausausbau muss ich aber erkennen, dass die Zeit der Kreuzschlitze bereits wieder vorbei ist. Wie die der einfachen Schlitzschraube, die fast nur noch als Zierschraube anzutreffen ist. Der gute, alte, nach einem Mann verlangende Kreuzschlitz wurde nun vom «TorX» abgelöst. Eine achteckige Öffnung gähnt den Schraubwilligen an. Da gibts nun kein «abnudeln» mehr. Obschon ich schon von TorX-Abnudlern gehört habe. Es drängt sich indes sogleich die Frage auf, ob so ein «TorX-Vernudler» überhaupt lebensfähig sei?
Ich weiß es nicht.

Der gute alte Kreuzschlitz. Ich vermisse ihn. Ein bisschen. Er war einer der letzten, die uns Männer noch Mann sein ließen. Wie ich schon sagte: Kraft und Gefühl. Wie ein gut plazierter Leberhaken. Aber den gibt es noch. Den Göttern sei Dank.