Im Schatten der Eigernordwand

Ich bin zur Zeit in den Bergen und starre auf die Eigernordwand. Ich studiere die Japaner Diretissima auf Postkarten. Ich weiß, das alles hier gehört zu den Dingen, die ich nie tun werde. Also keine Japaner Diretissima. Obschon. Das Ding geht einfach gerade rauf. Senkrecht. Falllinie. Ich hab ein Faible für Japaner. Ich hab überhaupt ein Faible für Völker, die sich aufs Kochen und spachteln verstehen. Einmal hatte ich auch ein Faible für das nun kaputteste Volk der kaputten Völker, die Italiener. Aber der Fasch-und der Feschismus machen alles futsch.
Whatever.
Der Eiger hat keine Italian Diretissima. Zur Zeit stürzen am Liebsten Bergkletterer aus dem Osten ab. Keine Kohle um sich die teure Schweiz zu leisten. Hinfahren und rauf. Was immer auch das Wetter und die Eingeborenen sagen. Der Eiger ist klettermäßig keine Herausforderung. Aber der Berg ist bees, wie der Wiener sagen würde.

Als Kind fuhr ich im eisigen Schatten der Eigernordwand Ski. Wir sind also alte Bekannte.
Meine Bewunderung gilt den Alpinisten der Vorkriegszeit. Hanfseile, Freunde, 15 Meter nass=30 Kg. Oder so. Manchesterjoppe und Knickerbocker. Und der Anderl Hechmaier, einer der Eigernordwanderstbesteiger, erzählte, dass er als Verpflegung eine Schweinshaxe mit hatte. Vermutlich hatte er, als gstandener Bayer, auch noch einen Radi, einen Obatzten und a Maß Bier mit. Diese Burschen werden heute nicht mehr gebaut
Aber ich baue. Zwar keine Burschen, aber ein Haus. Nicht von Grund auf, aber fast. Darum die Bloglücken. Falls es jemandem aufgefallen ist.
Auch bloggende Autoren müssen von was leben. Amen.

Lange Briefe an Freunde

Der spanische Schriftsteller Javier Marias hat eine ca. 1300-seitige Trilogie (Dein Gesicht morgen) geschrieben. Drei wuchtige Bücher. Beim Interview mit Denis Scheck sagte er, dass es schön sei, dass man in Büchersendungen des deutschen Fernsehen noch rauchen dürfe. In Spanien gehöre dies der Vergangenheit an. Dann sagte er noch etwas, dass ich in dieser Weise auch schon festgestellt habe: Ein neues Buch ist nach spätestens drei Monaten ein altes Buch. Scheck wollte etwas Trost spenden, aber Javier sagte nur: «Das ist nett, dass sie das sagen, aber es ist leider so.»

Vielleicht wäre es, mit dieser Prämisse, klüger diese 1300 Seiten wie einen Zeitungsroman zu publizieren? Oder als Twitter-Novel. Oder immer nur 100 Seiten am Stück. 13 Bücher anstatt nur 3.

Was bedeutet das für Autoren, Verleger und Leser? Schwer zu sagen. Aber die Beschleunigung ist jedenfalls enorm. Als ich anfing zu veröffentlichen, ging es nach 3 Monaten Vorlauf erst richtig los.
In zwei Jahren ist ein Buch bereits ein Monat nach Erscheinen Makulatur, und in weiteren 2 ist es im Moment des Drucks, reif für’s Antiquariat. Davor müssen wir uns nicht fürchten. Wir nähern uns der Maxime eines (fällt mir nicht ein, wer’s gewesen ist) Autors, der mal gesagt hat: «Bücher sind lange Briefe an Freunde.»
Und der Verleger ist eine Art Postbote.

Sieht mir ganz danach aus.