Tiere

Meine Mitmenschen, zur Zeit, sind Tiere. Ich bin allein in dem Haus in den Bergen. (Hatte aber gerade Kurzbesuch, um ehrlich zu sein.)
Wenn ich nach Osten den Steilhang hochblicke, weiß ich da oben von der Schihölle, die sich da abspielt. In bonbonfarbenes Plastik gewandete Menschen schlurfen zu hunderten in Schischuhen zur nächsten Bahn, die sie zu den Pisten bringt.
Sie sind mir fremder als fremd. Gut so.

Ich habe hier die Tiere. Sie sind so real. Ich sehe die Spuren des Luchs im Schnee, sehe den Fuchs am Abend aus dem Wald treten und wittern. Zuvor haben sieben Gemsen nahe dem Wald geäst, und gestern sah ich ein paar Meter von mir weg fünf wunderbar schöne Rehe durch den Schnee ziehen. Sie blieben stehen, und alle wandten sich mir zu und sahen mich an. Wir sahen uns an.

Ja, das ist es. Die Tiere sehen mich an, und ich sehe sie an. Sie sind scheu, aber nicht übermäßig. Der alte Steinbock ist überhaupt nicht scheu. Er ist der Chef in der Gegend. Er scheißt auf meine Wiese, zerlegt den Johannisbeerstrauch ud faucht mich an, wenn ich ihm zu nahe komme.

Heute flog ein farbiger, sehr kleiner Vogel auf die Linde. Ein Ereignis. Herzlich willkommen!

Etwas geschieht mit einem, durch die Gegenwart der Tiere. Ich freue mich immer, sie zu sehen. Ich mag sie. Ich beobachte sie. Sie beobachten mich.

Wir sind aus dem gleichen Holz geschnitzt. Sie sind meine lieben Mitmenschen.

Morgen muss ich sie verlassen, und mit anderen Tieren im Zug sitzen.
Ich werde aus dem Fenster sehen …