Der Tod ist verzogen

Bauer Heeb schnappt sich den Mäher und schneidet eine Runde Gras. Ich sehe ihm zu, wie er den Mäher das Tempo diktieren lässt, und zwischen den Holmen die abschüssige Straße runterläuft. Heute denke ich, der hat’s gut, denn Arbeit ist gut, sie hindert einen daran, nachzudenken. Oder wenn schon nicht am Nachdenken, so doch daran, übere traurige Dinge zu sinnieren, wie über den Tod von Willi Deville, der uns mit 58 Jahren verlassen hat, und dessen Album «Crow Jane Alley» eines meiner liebsten ist. Es ist ein Jammer. Wie schrieb Jack Kerouac in einem langen Gedicht über Charlie Parker? «…und so verbleichen wir der Reih nach / in der Zeit.»

Gerade vor ein paar Tagen wollte ich das Album anhören, aber es liegt in Wien, und so forschte ich bei Youtube nach, fand aber nicht die Songs die ich gebraucht hätte. Ja, gebraucht. Denn manchmal braucht man Songs, als Antidot gegen die täglich auf einen niederregnende Scheiße an Zumutungen, Dummheit und Niedertracht, auf dass die Kunst uns ein wenig erquicke.

Der österreichische Schriftsteller Gerhard Roth, der in seinem monumentalen Werk «Archive des Schweigens», u.a. auch verifiziert hat, dass der Film «Alpensaga», in dem die Tirolerwiesen nur noch fettgrün wuchernde Teppiche sind unter denen stinkender Abfall liegt, nicht die Ausgeburt kranker Drehbuchschreibergehirne ist, sondern die Metapher für die bare Realität; dieser Gerhard Roth hat sich nun auf der «Pathologischen» in Wien umgesehen, ergangen, wie das so schön heißt, und hat von diesem «Ergang» einen Text mitgebracht: «Dort, wo der Tod wohnt.»

Das ist hübsch. Das gefällt uns. Fettwachsleichen, eine Hymenauststellung, weibliche Geschlechtsteile in Formaldehyd, allerlei Mordwerkzeug, ganz schön gruselig; ein wenig wie auf der Geisterbahn, wenn in der Dunkelheit das ausgefranste Ende eines Seils über unser Gesicht streicht, so lieben sie ihn, die Wiener, den Tod, wie Sisi und den alten Franzl, da können sie sich delektieren, ja, dort wo der Tod wohnt.

Nur, der Tod wohnt nicht mehr dort. Er ist verzogen. Nur noch ein paar bizarre Arbeiten stehen im verlassenen Hausflur. Sein neues Quartier ist nicht mehr so spektakulär, dafür wechselt er es häufiger. Aber Gerhard Roth ist nicht mehr der Jüngste und deswegen ist es ihm vielleicht einfach entgangen oder er hat nicht auf dem Meldeamt nachgefragt, und so kam es, dass Roth in der «Patho»-Sensengasse ein wenig wirkt wie ein Tourist vor dem Schloss Schönbrunn, leicht verwirrt und geblendet von der Pracht, in die Sonne blinzelnd, und so den Portier im Livrée für den Kaiser Franz Josef hält, und die beleibte Touristin in knallengen Shorts aus Ybbs an der Donau, für Sisi.

Ja, so hätten wir ihn gern, den Tod. Schon ziemlich hinüber und museumsreif, und ein paar gsoffene Liadln beim Heurigen dazu: «Es wiad a Wein sei, und i werd nimma sei!»

Aber der Tod ist verzogen. Er wohnt jetzt in Supermärkten in der Provinz, campiert auf Autobahnraststätten und lauert hinter Polizeisperren. Er hat fleißige Angestellte in Wort und Tat. Er arbeitet nur mehr ausnahmsweise in Fettwachs. Er hat es eilig. Er bevorzugt die schnelle Kugel und das scharfe Wort. «Wer alt genug zum Einbrechen ist, ist auch alt genug zu sterben.» (Michael Jeannée, Kronendreckszeitung)
Gibt es eigentlich niemand, der diesem Unflat die Worte wieder zurück in sein stinkendes Loch drischt?
In Österreich?
Vermutlich nicht.

Der dritte Mann

Manch einer mag sich fragen, wie sich die österreichische Exekutive aus der Tötungssache, der ungerechtfertigen Ballerei in einem nächtlichen Supermarkt rauswinden wird. (Siehe Blog 5. & 6. August) Es geht hier nur um das wie, denn dass sie es tun wird, ist so sicher wie der Pröll wiedergewählt wird.

Heute kann man bereits erahnen wohin die Reise geht: Es wird das Gerücht gestreut, es hätte einen dritten Einbrecher gegeben. Der dritte Mann. Den kennen alle. Funktioniert (fast) immer. Verschwörungstheorien. (Damit ließ und lässt sich auch die Heiligsprechung von Haider durchdrücken. Haider wurde vom Mossad besoffen gemacht, und dann gezwungen in einem manipulierten Auto nach Hause zu rasen. Wer das irgendwie für hanebüchen hält, weiß nichts von österreichischen Realitäten.)

Verschwörungstheorien müssen nicht belegt werden.
Vielleicht werden sich nun alle Beteiligten und Überlebenden, vage an einen geheimnisvollen Dritten erinnern, einen, der ein großes Maschinengewehr im Anschlag, und der die Notwehrschüsse der Beamten provoziert hatte. Leider haben die dann die Falschen getroffen.
Nachtäglich lassen sich sicher auch Projektile und andere Spuren im Markt finden.

Man darf nicht so naiv sein und glauben, sowas gäb’s nur in amerikanischen Filmen. Als dummdreist Variante wird das gerne in Österreich gegeben. Das wird einfach durchgedrückt.
Man darf gespannt sein. Oder nicht.

Es gibt jedoch einen Hoffnungsschimmer: Es versammeln sich immer mehr Kinder und Jugendliche vor dem Kremser Supermarkt. Es gibt kleine Demos. Könnte da eine Jugend heranreifen, die es satt hat andauernd von der «Obrigkeit» angelogen, gegängelt und sogar wegen Nichtigkeiten zu Tode gebracht zu werden?

Niederösterreichische Notwehr!

Jener 14-jährige, der beim einem Einbruch in eine Kremser Merkurfiliale, von Beamten erschossen wurde, ist, so ergab nun die Obduktion, durch die sogenannte «Niederösterreichische Notwehr», zu Tode gekommen. Schuss in den Rücken.
Wie auch kürzlich jener Motorradfahrer, der einem Haltebefehl eines niederösterreichischen Polizisten nicht sofort nachgekommen ist. Schuss in den Rücken. Exitus. 6 Monate bedingt für den Schützen. Kleine Geldstrafe.

Warum schießen Beamte einem Motorradfahrer hinterher, warum knallen sie einen flüchtenden Einbrecher ab? Der Gebrauch der Dienstwaffe ist streng reglementiert, und ihr Einsatz nur für den äußersten Notfall vorgesehen.
Der Beamte schießt, weil er in einem Land lebt, dessen Landeshauptmann zum Tode von zwei Rumänen vermeldete: “Wer in Niederösterreich etwas anstellt, der muss eben auch mit dem Schlimmsten rechnen.”
Der Beamte schießt, weil er glauben könnte, dass sein größenwahnsinniger Landeshauptmann es als jedes Polizisten Pflicht ansieht, alles und jeden, was sich beim Anblick einer Uniform nicht gleich devot und ergeben zeigt – wenn nicht gleich zu erschießen – so zumindest mit Schüssen so einzudecken, dass der Delinquent sein Lebtag sicher ist, wer der Kaiser im Land ist.

Nun gibts Empörung. Nona. Vor allem von den Grünen und der SPÖ. Die ÖVP, und ganz klar die FPÖ, sagen nichts dazu. Warum sagen sie nichts? Weil sie wissen, dass der Großteil der österreichischen Bevölkerung dieses Vorgehen der Polizei gutheißt. Wer etwas verbricht, hat sein Recht auf Leben verwirkt. Wenn einen die Hardliner und Todesstrafeakklamierer in Texas, nicht das Fürchten lehren, dem jagen die Spießer aus Österreich die Gänsehaut über den Rücken.
Nur ein paar demokratische Spinner, vermutlich auch «amtsbekannt» finden das nicht in Ordnung.

Für mich ist es so, dass die Kugel, die den 14-jährigen in den Rücken traf, zuerst aus dem Mund von Erwin Pröll abgefeuert, und mit der Autoritätshörigkeit seiner Spießer zum Dumdum geschlitzt wurde.

Es ist anzunehmen, dass sich niemand bei der Familie des Toten entschuldigt. Es ist anzunehmen, dass die Beamten zu Hause sitzen, plärren und im Selbstmitleid baden. (Es kursiert das Gerücht, dass sie betrunken waren.)
Das kann man gut, in Pröllenland.

Wenn ihr das nächste Mal nach Österreich kommt, denkt daran, wie schnell man hier sterben kann.
It’s a diffrent country. Erst schießen und dann plärren.

Ist Putin homosexuell? Oder warum in Österreich andauernd Leute von der Polizei abgeknallt werden.

In Österreich ist man Putin-Fan. Man mag Law and Order.
Väterchen Putin posiert mit nacktem Oberkörper, Goldkettchen, Pferd oder Fluss oder Fisch, hauptsache, nackter Oberkörper. Nicht zu vergessen, große, coole Sonnenbrille. Wer sich in einschlägigen Magazinen auskennt, wie es z. B. Autoren tun, kennt die Codes. Man stellt sich unwillkürlich die Frage: Wann endlich folgt Putins Outing?

Aber was hat das mit den zwei Jugendlichen zu tun, die letzte Nacht in einem Kremser (Pröllen County) Supermarkt von Beamten zusammengeschossen wurden? (Wobei der jüngere (14 Jahre) starb.)
Genau. Was ? Wenn man sich bei Putin fragt, ob er denn homosexuell sei, fragt man sich als Österreich-Kenner, ob Erwin Pröll, der Landeshauptmann, schon bei den Familien der Polizisten angeklopft hat, um zu kondolieren und ihnen Hilfe bei der Bewältigung dieser Tat, anzubieten?

Denn eines ist sicher: Die Polizisten sind hier die wahren Opfer. Denn die müssen jetzt damit leben, dass tumbe Buben nächtens einbrachen und unbewaffnet, wie sie waren, erschossen werden mussten.
(Hier eben 21h15 als posting gefunden: und der beamte muss jetzt damit fertig werden dass der den er erschossen hat ein jugendlicher ist! macht die sache sicher nicht einfacher!)

In der Pressekonferenz der Polizei wurde gleich mal herausgestrichen, dass die Jugendlichen «amtsbekannt» sind. Auf die Frage, wie und warum, gab es keine Antwort. Sowas kommt einem Rufmord doch schon irgendwie nahe. In einer anderen Zeit, einem anderen Land. Aber nicht in Pröllen County. Oder soll man sagen: In Pröllen County, kennt man seinen Göbbels?

Wie Pröll schon zu sagen pflegte, nachdem seine wackeren Mannen unbewaffnete, kriminelle Rumänen einfach abgeknallt hatten: «Wer in Niederösterreich etwas anstellt, der muss eben auch mit dem Schlimmsten rechnen.»

In Frankreich würden die Banlieus brennen, in den USA gäbs zumindest Proteste, in Berlin würds knallen und fetzen, auch hier in der Schweiz.
In Österreich findet man Putin gut.
Und Sankt Maria Haider kriegt endlich sein Museum, in einem Kärtner Stollen, in dem sich ein Nazi Gauleiter samt Entourage, versteckt hielt.
Soll noch jemand sagen, es gäbe keine guten Neuigkeiten mehr.

Ich möchte darauf hinweisen

Ich möchte nochmal darauf hinweisen, dass im Herbst 09 zwei weitere Bücher im Songdog Verlag erscheinen. Und zwar am 6. Oktober. Die Bücher können ab jetzt, bis 31. August versandkostenfrei, vorbestellt werden.
verlag@songdog.at
Am 17. Oktober werden die beiden Bücher, in Anwesenheit der Autoren, im Haus der Dr. R. & R. Schlesingerstiftung in Wald (AR) vorgestellt.

Mehr Information unter www.songdog.at

So läuft’s. Manchmal.

Der österreichische Weltklasse Schwimmer Markus Rogan ist in einer römischen Disco von 4 Türstehern verprügelt worden. Das hört sich nach Rogans Aussagen so an: «Ich war mit anderen Schwimmern in einem Klub, hab auf der Tanzfläche aus Versehen jemanden angerempelt, man hat mich hinausgeschmissen. Ich wollte wieder zurück, bin dabei über eine Mauer geklettert. Dann haben mich vier Türsteher in einen Raum gezerrt, ich bin ganz übel verprügelt worden.»

Rogan ist nicht auf dem Laufenden, was die Sitten in Discos betrifft. Wie sollte er auch? Er ist ein Sportler der Spitzenklasse und diese sind ziemlich oft beim Training anzutreffen, und eher weniger in Discos. Wenn man jemanden anrempelt oder jemand sich angerempelt fühlt, dann gibt’s dort Brösel. Das ist jeder Arsch seiner Ehre schuldig.

Während meiner Zeit in Italien, vor gefühlten 40 Rempeljahren, waren wir mal in einer Disco in Siena. Biedere Menschen, Familienväter und Mütter, und plötzlich kursierte das Gerücht, dass jemand den hübschen Hintern von jemandes Frau berührt hätte. Und mit einem Mal fanden wir uns alle draußen in der linden Sommernacht, so an die zwanzig Typen, und standen uns gegenüber.

Auf jener Seite wo Fabio stand, stand auch ich. Sonst hatte ich kaum einen Orientierungspunkt. Es roch nach Massenkeilerei. Ich hatte vorsorglich meine Armbanduhr in die Hosentasche gesteckt. Die Sache verlief dann doch im Sande, aber irgendwer musste sich für irgendwas bei irgendwem entschuldigen.
Der sehr formschöne Hintern der Frau soll nicht zu Schaden gekommen sein. Das Gesicht ihres Mannes blieb gewahrt, meine Uhr und meine sehr unschuldigen Zähne auch. Und die der anderen auch.

Aber andere Male gings ganz anders aus.
So Rogan-mäßig. Für mich. Und auch für andere.

1. August (Nationalfeiertag)

Heute ist Schweizer Nationalfeiertag. Er heißt 1. August, und ist des Schweizers Silvester.
Auch die vielen Nicht-Patrioten fragen sich bang: Wo werde ich dann sein? Auf welchem Grill wird meine Wurst caramelisert, aus wessen Schüssel schöpfe ich den Häperäsalat (Kartoffelsalat)?

Ich bin vorbereitet. Gestern habe ich mir aus einer alten Heurigenbank und leergetrunkenen, österreichischen Weinflaschen eine Stalinorgel gebastelt, eine Abschussrampe für 5 Raketen. Ich habe genug Dinger um sie 6 mal zu bestücken. Die Raketen sind ein Geschenk des Kärtners Gert, der sie mir vor gefühlten 20 Jahren, zum 50-er mitgebracht hat.

Als ich ein Kind war, holten wir eine betttuchgroße Schweizerfahne aus dem Estrich (Dachboden) und steckten die Fahnenstange in ein spezielles Mauerloch unter dem Giebel. Dieses Loch wurde nur am ersten August penetriert. Jedes Haus in der Reihe hatte am 1. August eine bettgroße Fahne hängen.

Wir hatten Lampions aus rotem Seidenpapier mit weißem Kreuz. Solche habe ich auch für meine Kinder gekauft. Die gleichen. Vermutlich werden sie in China hergestellt. Und bei Einbruch der Dunkelheit gibt es Feuerwerk.

Der Bundespräsident wird eine Rede halten. In seiner Rede wird es um die Krise gehen, und dass die Schweizer sich anstrengen müssen, aber auch, dass sie’s packen können, wie sie schon so vieles gepackt haben, dass man sich den Herausforderungen der Zeit stellen müsse, und das sei durchaus machbar. Und man solle auch die Unterprivilegierten nicht vergessen, und man müsse halt arbeiten und den Mut nicht verlieren, auch wenns mal Katzen hagelt.

Neonazis und Skinheads werden versuchen das Rütli zu besetzen. Sie haben die Einstellung, dass Schweizer sein ein unveränderlicher Zustand ist. Natürlich sind sie zu dumm um zu erkennen, dass Schweizer sein, genau das Gegenteil bedeutet, nämlich ein permanentes Werden, die Überwindung der Angst vor dem Fremden, den Großen rund herum, wissend, dass nur die Öffnung den Erfolg gebracht hat und bringt, dass Schweiz sein heißt, diesen Seiltanz immer neu zu wagen, sich immer neu zu überwinden.

Ich könnte mir gut vorstellen, dass sich der Bundespräsident für seine Rede von meinem Blog inspirieren lässt. Zur Feier des Tages verzichte ich auf ein Honorar.

Gut bruzzel!

Er ist immer noch da

Auf dem Dreimeter Brett
hüpfe ich und springe hoch
und fühle mich schwer
wie altes Büffelfleisch.

Schon so lange ist es her
aber ich kann den Jungen
noch immer fühlen
in mir drin
wie er
kraftvoll springt
auch mit all den Jahren
die er mittragen muss
die 7 Todsünden
leicht
wie
brennende Kometen
die über die
Himmel fegten.

Dieser Kerl
verlässlich und
unbesiegt.

Und ich weiß
er wird auch da sein
wenn dieses Leben einst nicht
mehr wiegt
als die 13 Gramm
meiner verlotterten Seele.