Der Dicke und die Pension

Der eine Dicke, jener, welcher nicht der andere war, zog am Latissimus dorsi-Zuggerät. 1 mal, 2 mal, und nach 8 mal wollte er ermüdet aufgeben und es gut sein lassen. Aber nun dachte er, dass er doch mal sehen wollte, ob das wirklich alles war. Es war nicht alles. Er zog das Gewicht noch 4 mal zu seiner Brust. Das war ihm eine Lehre. Es war so weit. Er war nicht mehr bereit, sich bedingungslos zu schinden. Er betrachtete den Gedanken ohne Groll und brennende Scham, er besah ihn voll allen Seiten, wie in einem Frisörspiegel. Nicht schön, aber auch nicht furchterregend. Das Testosteron pilzte nicht mehr auf wie ein Dum-Dum-Geschoss, sondern tröpfelte in seine Adern wie aus einem defekten Wasserhahn, den zu reparieren nicht mehr lohnte. Man nannte es auch: älter werden. In zehn Jahren, wäre er in Pension. Wäre er aber ein Eingeborener, und mit allen den teuren Ölen des demokratischen Pöstchensozialismus gesalbt, wäre er bereits seit sieben Jahren in Pension. Mindestens. Aber dies war eben nur den Eingeborenen vorbehalten. Und so hatte er noch 10 Jahre. Dann war er «im Alter, wo man auch nichts bekommt», wie es ein alter Freund mal ausgedrückt hatte.

Die Pension. Er lebte in einem Land, in dem die Pension das wichtigste war. Es war ein Pensionistenland. Schon junge Mädchen von 17 Jahren sprachen über die Pension. Die Pension war fast so wichtig, wie Schweinsbraten mit Knödel. Die mächtigsten Männer des Landes waren die Pesionistenvertreter. Wenn die was wollten, dann kriegten sie es auch. Kein Wunder. Gingen doch die meisten mit 47 in Pension. Das war ein Wählersegment, das man am Besten nicht vergraulte. Scheiß auf die Jugend. Aber die wollte ja auch nur so schnell wie möglich in Pension.

Dem Dicken war’s einerlei. Solange sie ihn nicht schräg von der Seite anquatschten. Die jungen und auch die alten Pensionisten.

Er hatte noch einiges vor. Scheiß auf die Pension…

Auf’s Baby gekotzt

Heute war der Dicke drauf und dran, etwas über die 8. Todsünde zu schreiben. Die Breitarschigkeit. Familienverbände die den Gehsteig blockieren. Mitmenschen im Supermarkt die den ganzen Einpacktisch für sich beanspruchen und denen nicht mal im Traum einfiele, dass es außer ihrer exquisiten Anwesenheit auch noch andere geben könnte. Und so weiter und so fort. Er tat es nicht. Aber er sah in einer Sitcom, wie Charlie Sheen in ein Kinderwagen, auf das Baby kotzte. Meine Fresse, was hat der Dicke gelacht! So was gefällt ihm. Obschon er nicht genau weiß, warum ihm das gefällt. Er hat ja selber schon auf ne Menge gekotzt, aber noch nie auf ein Baby!

Vielleicht war es der Neid?

Auch eine Todsünde.

Der eine Dicke, von zwei Dicken

Heute Morgen im Geisteszentrum, eine wunderbar ruhig konzentrierte Atmosphäre, geradezu männlich, fand der Dicke; alle schweigsam, kein Getue, kein Geschrei, nichts dergleichen. Zwei große Schwarze, zwei Südostbalkanier und zwei Dicke am Eisen, so, wie es sich gehörte, und der eine Dicke dachte danach auf dem Heimweg über das nach, was er heute nicht schreiben würde. Die Liste wurde lang. Zum Beispiel würde er nicht über den Dioxin-Skandal schreiben. Das lohnt nicht. Der Dicke würde, wenn er was zu sagen hätte, lediglich die zulässigen Werte erhöhen. Damit wär das Problem ein für alle Mal gelöst. Einfach bei jedem neu aufflammenden Skandal die Werte anpassen. So würd’s der Dicke machen. Die Leute wollen’s so. Es ändert sich ja nie was. Man könnt’s ja ändern, aber man will’s nicht. Also wozu aufregen? Außerdem isst der Dicke ja eh kein Fleisch. Er isst ja nicht blöd. Der Dicke.

Zu Hause schnitt er sich eine Banane klein, eine große Birne und ein Stück Ananas. Er ass alles auf, während er weiter darüber nachdachte, über was er nicht schreiben würde. Die Liste wurde noch länger. Dann beantwortete er zwei Mails, und ließ sich ein Bad einlaufen. Er kontrollierte seinen Blutdruck: 75/121. Er war zufrieden. Nach dem Bad rasierte er sich. Seiner kleinen Tochter zuliebe. Sie beklagte jedes Mal den Stachelbart, wenn sie im zum Abschied ein Küsschen gab. So machte er die Welt für einen jungen Menschen ein Stück besser. Darüber wollte er schreiben.

Dann tat er es…

Hadayatullah Hübsch (1946-2011)

Heute steckte der Postbote den Umschlag mit den Gedichten von Florian Vetsch und Hadayatullah Hübsch in meinen Briefkasten, die Gedichte für einen Songdog-Poetry Band im Herbst: Round & Round & Round, eine Art literarischer Schlagabtausch zwischen den beiden befreundeten Dichtern.

Gestern erhielt ich die Nachricht, das Hadayatullah Hübsch gestorben ist.

Ich habe ihn persönlich nicht gekannt. Ein paar Mails, mehr nicht. Eine Absage meinerseits für ein weiteres Buch, das ich so, wie es vorlag, nicht machen konnte und wollte. Seltsam genug, dass ich nun der Verleger eines Mannes werden sollte, dessen Namen mir seit den späten siebziger Jahren bekannt war, vermutlich zum ersten Mal in einem Buch Jörg Fausers gelesen oder in AmoKKomA, Gasoline, im Container, herausgegeben von Benno Käsmayr vom Maro Verlag. Sein Name wurde in einem Atemzug genannt mit Carl Weissner, Udo Breger, Jörg Fauser, Jürgen Ploog, Pociao, Günther Ohnemus, Alfred Miersch, Uli Becker, Christoph Derschau, Matthyas Jenny.

Er gehörte dazu. Zu jenen, die in den siebziger und achtziger Jahren etwas Lesbares aus deutschen Worten destillierten.

Sie waren die großen Brüder. Wie Dylan, Cohen, Neil Young.

Er war der große Bruder.

Die gefährlichsten Verbrecher

In Wiener Neustadt läuft zur Zeit ein Prozess gegen 13 Tierschützer. Sie sind angeklagt eine mafiöse Vereinigung gebildet zu haben, und werden deswegen mit dem sogenannten «Mafiaparagraphen» traktiert. Die Verteidigung wird aufs Gröbste behindert, eingeschleuste (ungesetzlich) Informanten, die Entlastendes zu berichten haben werden nicht gehört, und so weiter und so fort.

Wenn man das Vorgehen der österreichischen Justiz in einem Satz definieren müsste, könnte man sagen, dass hier die gewieftesten und gefährlichsten Verbrecher jene sind, die, um ihre kriminelle Energie zu kaschieren, keine Straftaten begehen, und deswegen vom Gesetz besonders hart angefasst werden müssen.

Ein «Hackler» ist im österreichischen Sprachgebrauch ein Schwerarbeiter. Man hat ein Gesetz eingeführt, dass es diesen Leuten erlaubt, früher aus ihrer schweren, gesundheitsschädigenden Arbeit in Pension zu geben. Die sogenannte «Hacklerregelung». Sie wird zu über 50% von Beamten in Anspruch genommen.

Zufällige Bilanz

Heute morgen erhielt ich die Mail eines Dichters aus dem fernen Genf, in der er mich, unter anderem, zu meiner Arbeit im 2010 beglückwünschte. Ich las erfreut, hielt kurz inne und dachte daran, was es denn war, was ich 2010 so «weggehackelt» habe. Und als ich so darüber nach dachte, kam ich nicht umhin, anerkennend zu nicken. Nicht schlecht, für einen arbeitsscheuen Kerle wie mich.

5 Bücher erschienen bei Songdog (unter tätiger, milder Mithilfe meines Freundes Yvo Egger). Gut. Dann gabs da noch 1 Roman, 1 Theaterstück (zusammen mit Valentin Hitz), Stories für «He shot me down» Rock’n Crime (erscheint im Frühling bei Rotbuch), und ein paar Texte «Österreich ist schön, oder?» (erscheint im Czernin Verlag), & einige hundert Seiten BLOG (gratis und frank und frei). Nicht schlecht. Und all diese Tätigkeiten haben mich so wohlhabend werden lasssen, dass ich noch einen Kochjob annehmen durfte, aus lauter Jux und Tollerei. Man gönnt sich ja sonst nix.

Und jetzt, wo ich so drüber nachdenke, frage ich mich, wo eigentlich all die Preise und Anerkennungsplaketten sind, mit denen andere, noch bevor sie irgendwas publiziert haben, bereits eingedeckt werden? Die Förderungen und Subventionen, mit denen viele der Kollegen so üppig bedacht werden? Die Stipendien und Werkjahre, wo sind sie?

Ich weiß es…

Der beste Morgen aller Morgen

Früh unterwegs zum Geisteszentrum, aber da war niemand, außer einem gegerbten Wesen mit toten, langen, unblonden Haaren, das wartend und rauchend, ebenfalls Einlass begehrte. Kein Licht drinnen. Tot. Dabei hätte bereits seit 10 Minuten offen sein sollen. Aber für solche Ausfälle hat man hierzulande Verständnis. Kein Verständnis darf allerdings ein Beckmesser wie ich erwarten, der kaum Verständnis aufbringt, dass man nicht pünktlich zur vereinbarten Zeit erscheint. Und sei es auch nur in die Arbeit im Gym.

Ich drehte auf der Hacke um und tauchte wieder ein in die Stille des 1. Januars, des schönsten Morgens in jedem Jahr, vernahm das Klickern der Ampeln von weit herum, als wären wir alle in einem großen Drink zu Hause, wo die Eiswürfel gegen die Glaswand schlagen, ein Geräusch, das man sonst nie vernimmt, denn niemals ist es so still in der City, wie am Neujahrsmorgen.

Ich bin ein Neujahrsmorgen-Fan. Und kein bisschen abergläubisch. Aber dass meine kleine Tochter auf das Antibiotikum reagiert hat, und nun doch nicht ins Spital muss, stimmt mich froh. Die Vorstellung, dass man in diesen kleinen, dünnen, beinahe muskellosen Arm eine Kanüle legt, warf mehr als einen Schatten auf mein Wohlbefinden. Es ist eine vertrackte Sache mit der Vaterschaft. Man leidet nun, anderen wegen. Man sorgt sich. Sonst sorge ich mich nicht besonders. Wozu auch? Ich lass es kommen.

Und eine der schönsten Geschichten die je geschrieben wurden, ist immer noch «Huckleberry Finn», und in der jener Teil, in dem sich Huck und Nigger Jim auf dem Floß den großen Strom runtertreiben lassen. Das Abenteuer erwächst aus der Kontemplation. Man muss es nicht suchen. Es ist da. Immer.

Ein gutes 2011.

Was ihr wollt

Heute vor einem Jahr verfasste ich an dieser Stelle einen Speech an die kleine Gemeinde, komplett mit Foto. Dieses Jahr nicht. Warum? Hat sich nichts wesentliches geändert. Der 31. 12. ist immer noch der Welttag der Amateursäufer, und denen gehen wir Profis gewissenhaft aus dem Weg. Außerdem kann ich Betrunkene nicht ab. Lärm schon gar nicht, und viele Menschen noch weniger. Also nahm ich stattdessen ein Bad, und dachte wieder einmal daran, dass ich immer hübsch weiter trainieren muss, und zwar bis ans Ende meiner Tage, damit ich es auch in meinen reiferen Jahren noch schaffe, meine Körpermassen aus der Wanne zu stemmen. Bauch und Oberarm müssen immer in einem bestimmten Verhältnis zu einander bleiben. Sonst ist Essig, wie man so sagt, und man findet mich eines Tages verhungert in einer leeren Wanne. Geschieht anderen, täglich, wie man so hört.

Dann sah ich ein Leonard Cohen Konzert in 3Sat und hatte dabei allerlei unnütze Gedanken an die Vergänglichkeit, und weinte ein bisschen vor Rührung, als Cohen «So long Marianne» anstimmte.

Aber sonst? Ein feines Jahr. Darfur ist befriedet, die muslimischen Reitermörder vertrieben, der Nahe Osten ein Paradies, Russland feiert die Menschenrechte und öffnet die Knäste für die inhaftierten Journalisten und Künstler. Ein Homosexueller wird Außenminister (Russland). In Österreich wurde Karl-Heinz Grasser verknackt, und die Innenministerin weihte ein Asylheim ein. Ute Bock bekam endlich den großen österreichischen Staatspreis verliehen und ist für den Friedensnobelpreis nominiert, der Kanzler tat irgendwas nützliches, und im Heimatort von Christoph Blocher wurde das neueste Minarett gebaut, und ein Imam verurteilte den islamistischen Terror und mahnte Integration an.

Wohin man blickt: Lautere Freude.

Und auch ich kam nicht zu kurz. Wurde doch mein allseits gelobter Roman «Die Katzen von Kapsali» für den Deutschen Buchpreis nicht nur nominiert, sondern erhielt ihn auch. Und den Schweizer Buchpreis dazu. Kleiner Wermutstropfen: Aus verlegerischen Gründen musste er in «Tauben fliegen auf» umbenannt, und unter meinem Pseudonym «Melinda Nadj Abonji» herausgegeben werden. Dies brachte auch eine kleine Geschlechtsumwandlung mit sich, aber so was ist heute kein Problem mehr. Man switcht da einfach hin her.

Auf geht’s. Das 2011 wird gut. Und höllisch. Wie immer.

«Wutbürger»

Wer in Deutschland in den Foren der online-Zeitungen (z.B. «Süddeutsche») mitposten will, der muss sich an eine «Nettikette» halten. Die im Näheren zu beschreiben ist öd, aber man kann sagen, dass sie persönliche Untergriffe und Diffamierungen weitgehend verhindert, die Diskussion versachlicht, und vielleicht auch den einen oder anderen «Wutbürger» der des Wortes nicht so mächtig ist, einfach außen vorlässt.

Nicht so in Österreich. Gäbe es hier Nettikette, die Foren wären verwaist. Anonym den antisemitischen und/oder rechtsnational-autoritären Drecksack raushängen zu lassen, gehört hier zum guten Ton. Und wer sich gerne graust, der kann sich mal im «Standard online» bei den Postings über Michail Chodorkowski umsehen. Da wird er gut bedient. So viel schlecht verhohlener Hass. Auf was ? Auf alles, könnte man sagen. Auf die Reichen, den Westen, die Moderne, die USA, die Juden, das Kapital, die Intelligenz und Menschen die keinen Schweinsbraten mögen. Jedenfalls, so wie sich der Chodorkowski «aufführt», goutiert man den russischen Oligarchen gar nicht. Man mag ihn eher im Gewande des Zuhälters mit Pelzschlampe in Kitzbühl, wo er sich mit den Mitzuhältern einen Wettstreit liefert, wer an einem Tag mehr Euros rausblasen kann. Oder sonst mag man ihn als Geschäftsmann österreichischer Unternehmen, aber man schätzt es gar nicht, wenn er der Moderne anhängt, natürliche Autoritäten (wie Putin) in Frage stellt, der Meinung ist, dass das Volk verblöde, und dann noch Kontakte zur «Ostküste» unterhält. In diesem Fall ist der Oligarche ein willfähriger Handlanger des CIA.

Zur Zeit kann man in den Foren gerade die Diskussion über einen anderen «Skandal» verfolgen. Ein Gericht hat entschieden, dass es ungesetzlich ist, einen 14-Jährigen aus 1,80 m Distanz, mit einem Schuss in den Rücken zu töten. Auch für einen Polizisten. Und auch, wenn der Junge ein Dieb war. Dieses Urteil wird hier von vielen «Wutbürgern» als Skandal empfunden.

Es brodelt im «Wutbürger». In Deutschland mag er auf die Straße gehen, in Österreich wird er bei den nächsten Wahlen die Nazisschen an die Spitze bringen.

Ein guter Film

Gestern, als ich wieder mal einen richtig guten Film sah, wurde mir bewusst, wieviel Müll es auch in dieser Hinsicht gibt. Bullshit, wie zum Beispiel «Das Leben der anderen», von diesem großen, «fleischigen Menschen»(©Sophie Rois) Donnermurcks, ein Kerlchen, dass so lange mit seinem OSSI durch die Gegend tingelte, und ihn vor Publikum übers lockige Fleischhaupt stemmte, bis der OSSI Druckstellen hatte. Er erinnerte mich schwer an jenen griechischen Halbidioten, der mit einem, von der Harpune durchbohrten Fisch tagelang die Buchten um Stoupa abklapperte, um mit dem armen Tier anzugeben.

Whatever, ich sah einen großartigen Film. Und an was erkennt man den großartigen Film auf ersten Blick? An den Liebesszenen, natürlich. Der große Regisseur zeigt uns entweder pornomäßig alles, oder er zeigt uns gar nichts, und lässt unsere Fantasie und die eigenen Erfahrung zum Zuge kommen. Aber er lässt uns nicht leiden, in dem wir zwei Schauspielern beim Tun-als-ob zuschauen müssen. Der gute Regisseur zeigt uns auch nicht minutenlang, wie zwei sich küssen, weil er weiß, dass das einfach nicht zum Aushalten ist, und jeder vernünftigen Ästhetik entbehrt.

Der gute Regisseur zeigt nur, was er unbedingt muss und lässt die Leute kluges Zeug reden: «Verdammte Scheiße, was reden Sie da? Ich bin 65. Ich stehe jede Nacht drei Mal auf, um einmal zu pissen!»

So jetzt wisst ihr Bescheid, Donnermurckse!