Die Knallbar Diaries (41)

Es liegt viel Wut in der Luft, sacht der Wiener Autor Peter Henisch dem Spiegel. Wut in der Luft? In Wien?
Und Knallbar merkt wieder mal nix davon. Meine Indolenz scheint so katholisch wie mein Kontostand. Höchst erfreulich. Natürlich gings Henisch um das, um was es seit gefühlt 5 Jahren geht: Das Unsagbare. Der Rollback. Und natürlich auch, dass Österreich bald einen kornblumblauen Bundespräsi haben wird, der natürlich kein Nazi ist, denn die Nazis sind, wie unlängst ein Passant trocken bemerkte, alle längst tot. Und wo einer recht hat, haben auch andere recht.

Aber zurück zur  Wut in der Luft. Und liegen soll sie auch noch? Wäre denn Wien Wien, ohne Wut? Da ist man doch von Geburt an wütend. Warum? Einfach so. Aus Prinzip. Was eigentlich ganz vernünftig ist. Und auch irgendwie gerecht. Wozu einen Grund haben? Ich meine, der Gründe sind viele. Irgednwie Legion. Und die große Koalition ist daran nicht schuld. Ist es nicht längst bekannt, dass in diesem Land irgendwelche Veränderungen nur nach einem Krieg möglich sind? Und daran ist die große Koalition auch nicht schuld.

Aber dass unreflektierte  Journalisten der traditionellen Medien, den Begriff des „Establishments“ ganz selbstverständlich gebrauchen, wenn sie mit den Lügenpressenlügnern sprechen, findet Knallbar nicht so gut. Das sach ich mit aller Deutlichkeit.

Na gut, aber wo ist die Wut? In meiner Filterblase merk ich davon nichts. In meiner Facebooklosen-Blase. Meiner Fußgängerblase. Meiner Schriftstellerblase. Meiner Schwangerschaftsgymnastikblase. Meiner Wenn-ich-den-schönen-Park- des-Palais-erblicke-Blase. Meiner Country-Rock-Blues-Jazz-Blase. Es blubbert ganz schön in meiner Umgebung, wie ihr sehen könnt. Außerdem lese ich gerade ein Buch von Aleksandar Hemon. In meiner Literaturblase.

Neulich hörte ich in der Garderobe der Schwangerschaftsgymnastik, wie ein Muskelmann in einem „Ich bin ein 88 Prozentiger“-Shirt, einem anderen erklärte, dass alle Flüchtlinge monatlich 5000 Euro erhalten. Dabei sah er mich, Zustimmung heischend, an. Ich konnte nicht anders und prustete einfach los. Und, meine lieben Freunde, Feinde und Gleichgültige, so ist es mit den Meisten: Sie wissen insgeheim, dass sie Scheiße erzählen, aber man mag sich halt nicht immmer den Fakten beugen. Einer wie Knallbar, versteht das. Wir sind wie Islamisten: Wir glauben nicht was wir sehen, sondern sehen was wir glauben. Oder wie Franz Schuh neulich den Satz eines anderen Genies plagierte: Ich weiß, dass ich sterben muss, aber ich glaube nicht daran.
Yeah, Nowhereman, isn’t he a little bit like you and me?

Und wenn jetzt einige Kollegen und Kolleginnen drauf kommen, dass Rückschläge möglich sind, und der Mensch gar nicht so gut und so friedlich, wie sie immer gedacht haben, kann ich als gelernter Kathole nur kichern. Nicht, dass ich das nicht auch mal geglaubt hätte, ist aber schon eine Weile her.

Der jüdische Antifaschist, Autor und  Psychiater Paul Parin, der dieses Jahr hundert Jahre alt geworden wäre, trennte sich ein Leben lang nicht von seiner Pistole. Und er lebte in der sicheren Schweiz. Er hatte seine Gründe.
Das sollte uns doch zu denken geben, oder nicht?

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