Andrzej Hesse?

Während die Redaktion vom befreundeten «Franz Dobler Blog» den polnischen Kollegen Andrezej Stasiuk bei einer Lesung in Sulzbach-Rosenberg betreuen durften, blieb uns nur, das neue Buch zu lesen: «Tagebuch, danach geschrieben». Wir haben das natürlich getan, denn es ist ein gutes Buch, ein besseres find man kaum zur Zeit.

Was wir sonst noch getan haben? Wir haben uns die Mühe gemacht, einen Absatz aus dem Buch abzutippen und die Textprobe dann der FAZ zu überantworten, der Rubrik: Ich schreibe wie…

http://www.faz.net/f30/aktuell/WriteLike.aspx

Und wie schreibt er denn, der Stasiuk?
Nun, wir waren dann doch etwas ratlos.
Andrzej Stasiuk schreibt wie … wie … wie … Hermann Hesse!

Jubel und Betroffenheit in der Redaktion. Wir köpften sofort eine Flasche Jim Beam und schlückelten sie weg…

Bullshitkochen

Wenn ich mich entspannen will und leer und blöd werden, seh ich mir Kochsendungen an. Hammermäßig, was die Amateure da hin klopfen: Steaks in einer Preisklasse, mit der ich ein Menue für 14 Kinder koche und noch was für eine schöne Flasche Mas de Monatgne über habe. Und alle Juroren (Fernsehköche) tun und sagen immer dasselbe: Sie schneiden das Fleisch auf und sagen: «Schön rosa!»
Und was früher «kross» hieß, heißt heute «knusprig». Niemand sagte vor zwei Jahren «knusprig». Hauptsache: Alles ist entweder «saftig rosa» oder «knusprig». Es ist so dämlich, dass man in ein Kissen schreien möchte. Wenn man es nicht schon durchgenagt hätte. Vor Ekel und Verzweiflung.

Aber was soll’s? Ich bin eben an Kochen interessiert. Manchmal kann man was lernen. Am meisten vom kleinen Engländer, dessen Genie darin besteht, bei den alten Italienern alle Tricks abgeschaut zu haben, und sie uns Dilletanten nun zu servieren.
Der Rest ist Bullshit.

«Allein unter Deutschen»

Jetzt, wo ich mit Tuvia Tenenboms «Allein unter Deutschen» durch bin, frage ich mich, warum ich es überhaupt gelesen habe. Das Buch ist dick. Wie der Autor. Und es hat einige schwere Hänger, so ab Seite 120-300. Aber da hab ich drübergeblättert und es zu Ende gelesen.
Zum einen, weil Tenenbom gut schreibt. Klar, kurz und knapp und verständlich. Außerdem ist er kein «Guter». Er ist ein ziemlich gemeiner, fallenstellender, listenreicher, mitunter sarkastischer Unterhalter. Er ist auch furchtbar klug und stellt unglaublich scharfe Fragen. Darum hab ich’s gelesen. Aber auch, weil ich Tenenbom aus der «Zeit» kenne. «Fett wie ein Turnschuh», hieß seine Kolumne. Da machte er sich über Typen – wie mich – lustig, die in Geisteszentren rumtun und ihre Muskeln päppeln und bürsten. Sehr komisch.

«Allein unter Deutschen», ist auch komisch. Aber nicht so. Was bei seiner Reise durch Deutschland rüberkommt, seinen Interviews mit Promis und nichts so Prominenten, mit Imams und Linken und Zufallsbekanntschaften, hat, wie man erfährt, in Deutschland für «Skandale» gesorgt. Wobei ich dazu tendiere den «Skandal» als Verkaufsförderungsmaßnahme zu sehen, den es gibt keinen Skandal, und was Tenenbom an permanentem Antisemitismus und Dummheit zu Tage fördert, kann nur überraschen, wer zurückgezogen in einer Einsiedelei lebt.
Aber das ist nicht spezifisch deutsch. Das hätte er in jedem anderen Land auch gekriegt. Nur nicht so existentiell, so wahnhaft, obsessiv und blöde. Vermute ich. Diese Fixierung auf Israel. Die Palästinenser. Die Juden. Irgendwie strange.

Es ist ein gutes Buch. Es ist ein schlechtes Buch. Es ist ein Buch, das lesen sollte wer sich nicht so schnell gruselt und auch, wer etwas über sich selber erfahren möchte.
Und in all den Demenz-und Bankerromanen, all den Büchern über ostdeutsche Familiengeschichten und Fahrradreparturanleitungen schwimmt es gefährlich rum, wie der Hecht im Karpfenteich.

Fazit? Es ist noch nicht vorbei … Vielleicht nie.

Schreiben wir lieber ein Stück darüber…

Man könnte sich fragen, ob es nicht ein klitzekleines Bisschen ignorant ist, die bornierte Rede des Schweizer Bundespräsidenten, als «nächste Sau, die durchs Dorf getrieben wird», zu bezeichnen. Könnte man doch. Finde ich.
Eine Rede, die die Fakten zur Rolle der Schweiz im zweiten Weltkrieg ganz bewusst außen vor lässt, um bei der eigenen beschränkten Klientel zu punkten und so dummdreist daher kommt, als hätte es keinen Frisch, keinen Dürrenmatt, keinen Meienberg (und auch andere) gegeben, die diesen «Der-Preis-für-einen-Angriff-der-Deutschen-war-zu-hoch»-Sermon gestoppt haben. Dass der Mauerer Ueli mit pathetischer Ignoranz auch noch die Nachkommen der Opfer desavouviert, ist im Preis inbegriffen.

Ich finde, man könnte sich das fragen.

Und ob die noble Zurückhaltung der Wortmächtigen – mit der man ja eigentlich permanent  konfrontiert wird, außer wenn es darum geht, einem deutschen Finanzminister anzutragen, dass er aus dem «Maul stinke»-, nicht gelegentlich, für ein kleines Statement, eine Pause machen könnte?
Aber natürlich ist man schwer damit beschäftigt, das nächste Stück über geldgierige und schuldige Banker in die Laps zu hämmern (großer Applaus !!!) oder das Exposée für den gefühlten dreihundertzwanzigsten Roman über den dementen Vater feinzuschleifen (für die Vergabstellen für Fördergeldern), ja, da bleibt halt wenig Zeit.
Schade, eigentlich.
Aber ich verstehe das. Für die stornierte Zurückhaltung gibt es halt keinen Markt. Mach ma lieber ein Stück darüber…