Das verlogene Tagebuch eines Wahrhaftigen (1.)

In einem meiner Texte fand ich folgenden Satz: «Nichts gegen eine gepflegte Prügelei. Aber ich war bereits in einem Alter, in dem man doch gerne den Grund kennt, weswegen man sich gegenseitig die Zahnprothesen demoliert. Da könnt ihr mich spießig nennen.»

Das klang doch vernünftig. Aber die Verhältnisse, die sind nicht so, wie schon Brecht oder sonst ein Menschenfreund wusste.

Im Bahnhof, auf dem Weg zu einem Zug der mich aus dieser Hitzehölle in Wien in eine andere Hitzehölle in den Bergen bringen sollte, latschte ein Typ in mich hinein. Vielleicht latschte auch ich in ihn hinein, wer weiß das schon so genau. Da geht’s um Nuancen. Nun ja. Seine Schulter fühlte sich weich an, schwammig, wie Pizzateigig auf einem Gummischlauch. Mein Schultergürtel hingegen, ist ziemlich austrainiert, massiv, unter Spannung, hart. Es musste sich für den Typen angefühlt haben als streife er einen übergroßen Hydranten.

Um es kurz zu machen: Er folgte mir und beschimpfte mich übel. Auch irgendwie rassistisch. Er nannte mich Scheißpiefke und anderes aus dem Norden. Klar, denn da kommt das spezielle östereichische Gen zu ihrem Recht: Ich bin Opfer (schon immer) der andere (vor allem der Piefke) ist Täter.

Ich grinste ihn nur verächtlich und gemein an. Von oben herab. So voll teutonisch. Denn wer mich beleidigen kann, das bestimme immer noch ich. Und Wiener-Schwamm-Schultern gehören nicht dazu.
Aber das brachte ihn noch mehr auf. Ich überlegte eine Sekunde lang, ob ich ihm eine Watschen  servieren sollte. Tat es aber nicht. Ich hatte einen Zug zu kriegen.

Aber oben angekommen, verkündete er, dass er mich umlegen wolle, und da blieb ich dann doch stehen und sagte: „Na gut! Komm her!»

Wollte er dann doch nicht. Und nahm die Rolltreppe nach unten. Ich war froh. Nicht wegen der Zahnprothese, sondern wegen dem Zug. Ich musste ihn unbedingt kriegen, und so eine Prügelei hat meistens die Kosequenz, dass alles etwas länger dauert. MIt Cops und so. Der Meister kniff also, und so sitze ich nun  im Zug und sage zu mir: Sei friedlich, Alter. Einfach friedlich!»

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