Gestern im «NACHTASYL»

Gut, es gibt längst kein «Trumer-PIls» mehr, sondern «Pilsner Urquell» und dunkles Budvar vom Fass, das feuchtschimmlige Hausschwammgemüffel im Eingangsbereich, von dem im Film «Heimat der Heimatlosen» geschwärmt wurde, gibt es auch nicht mehr, ja, und eine Glastüre trennt die Bar vom anderen Bereich. EU. Behördenauflage: So sollen Nichtraucher von Rauchern getrennt bleiben. Aber dies, meine Damen und Herren, ist Wien, und in Wien ist dies der einzige echte Underground, und darum brennt es hüben wie drüben. Dem nichtrauchenden  Reporter wars wurscht.

So um die vierzig zahlende Gäste passieren nach und nach den Wirten und Kassierer Jiri Chmel, den vielporträitierten und inzwischen auch ausgezeichneten, mit dem «Gratias Agit» beehrten, dem Preis für «besondere Dienste um die tschechische Republik».
So kann Underground sein. Zumal Underground eben auch hieß, Widerstand gegen ein unterdrückendes Regime zu leisten, dafür in den Knast zu gehen und aus dem Heimatland vertrieben zu werden. (Der Titel des Haslingerfilms «Heimat der Heimatlosen» ist daher etwas irreführend: Die Leute haben eine Heimat. Sie wurden nur rausgeschmissen.)

http://www.powidl.eu/jiri-chmel.html

Das Auffallende: Es fanden sich fast nur Tschechen ein um von Josef Haslinger die Gedichte des «Plastic People» Mitbegründers, des berühmten Poeten, Theologen und Tschecheranten Ivan Martin Jirous auf Deutsch vorgelesen zu bekommen. Und nein: Nicht auch in tschechisch, solo in Nemecko. Als würden Wiener in Prag … aber sparen wir uns den Vergleich: Es wurden noch nirgendwo Exilwiener gesichtet.
Und als zwischen den Gedichten Daša Vokatá zur geschrammten Gitarre sang, Tschechisch und Deutsch, sangen viele aus dem Publikum mit, auch die ganz Jungen, die Kinder der Dissidenten, der Flüchtlinge, jene, die bereits hier geboren wurden.

Das hat was. Man könnte fast neidisch werden, wenn man könnte, was man aber nicht wirklich kann, denn man ist nicht ganz blöd und weiß um den Kontext (wie es so schön heißt), kennt den Preis.

Ich erinnere mich, als ich mich vor als zwanzig Jahren unten an der Bar mit einem Maler, dessen kranke Bilder ich auf eine gesunde Art sehr mochte, über Maxim Gorki unterhielt, und ich ihm klarmachte wie sehr mir einige Sachen von Gorki am Herzen lagen, und er trocken antwortete: «Aber Gorki war ein bisserl ein Kommunist.»
Und das bedeutete nichts gutes, Kommunist. Kommunismus wurde – zumindest für den ahnungslosen Westler – hier unten zu einer Wirklichkeit, wurde vom Sockel der schönen Idee gestoßen, denn im Nachtasyl tranken die Opfer dieser Idee, und es dauerte eine verdammte  Weile, bis ich begriff. Aber ich begriff.

Und noch etwas war an diesem Abend anrührend, und wenn man nach einem Wort dafür suchte, dann würde man Sanftheit finden, ein Wort, das heute nur noch in Reklame für Hygienartikel seine Verwendung findet, und ganz bestimmt nicht für den Umgang von Besuchern in einer, gegen Ende hin, ziemlich überfüllten Bar. Sanft, Leute, sanft. Bemüht, freundlich, rücksichtsvoll.
Das gibt’s. Hab ich gestern erlebt. Im NACHTASYL zu Wien.

Heute im «NACHTASYL» (Wien)

Heute Abend ist der Untergündler von Welt im Wiener «Nachtasyl» anzutreffen. So auch die gesamte Blockredaktion, die wieder mal einen ihrer notorisch spießigen Betriebsausflüge absolviert.
Unser Blocker Andreas Niedermann campierte im Jahr 1989 direkt über dem berühmten Nachtlokal (20Uhr-04Uhr), in einem Badezimmer von 120qm.
«Eine verdammt gute Zeit», wie er neulich wieder mal bemerkte, wobei er verschwieg, dass sie ihn beinahe das Leben gekostet hat. Aber das ist eine andere Geschichte…

Außerdem hat der österreichische Autor Josef Haslinger eine durchaus sehenswerte Doku (Die Heimat der Heimatlosen) über das «Nachtasyl», die Gäste, und den großartigen, gewaltigen Wirt Jiri Chmel gedreht. Kann sich der geneigte Zuschauer unter folgendem Link ankucken:

http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1214118/Nachtasyl+-+Die+Heimat+der+Heimatlosen

Nicht zu vergessen der Roman «Die Stümper», von Blockredaktionsmitglied Andreas Niedermann, dessen Handlungshintergrund das «Nachtasyl» bildet.

12.04.2013
20:00 Uhr
Josef Haslinger liest Gedichte von Ivan Martin Jirous (»Magor«)

Musik: Daša Vokatá

Bar-Cafe Nachtasyl
Stumpergasse 53-55
1060 Wien

Die 4. Pepita Spring-Story

Aus dem Schweizerdeutschen von Prof. Dr. Dr. Johann Österreicher

Sie hat also bei mir angefangen, die Pepita, als Vertretung meiner Sekretärin Lydia, die sich zwei Wochen Ferien genehmigt und nach Kroatien vertschüsst hat.
Natürlich kam Pepita jeden Tag zu spät, und schon zu Mittag bereute ich, sie eingestellt zu haben. Aber dann, am zweiten Tag, gab sie sich richtig Mühe, und hat richtig reingehauen bei der Arbeit. Zumindest am Vormittag. Als sie aber von der Mittagspause zurück kam, hatte sie eine Fahne. Eine Richtige. So 3 Meter mal zweifünfzig.
«Pepita», sagte ich, «wenn du bereits in der Mittagspause tütteln musst, dann tüttel wenigstens Wodka oder Gin, da gibts keine Fahne. Wir sind ein ordentliches Verlagshaus und du hast auch Repräsentationspflichten … und zieh dir endlich den Rock runter, jetzt sieht jeder der hier reinkommt gleich in die Küche …»
«Nicht maulen, Herr Verleger. Wenn dies ein anständiges Haus ist, bin ich die Tochter vom Papst. Und dass dies kein anständiges Haus ist, erkennt man nur schon daran, dass mein Buch noch nicht erschienen ist.»
Pepita stöckelte mit erhobenem Kinn an mir vorbei, und ich bekam einen Schwall ihres Deos ab, was bei mir einen wüsten Hustenanfall auslöste. Heilands Sack! Das war nicht mehr nichts! Dieses Parfum, für 3,50 der Hektoliter.
Ich hechtete zum Fenster, riss es auf, atmete durch und lehnte mich weit hinaus. Meine Füllfeder fiel aus der Sakkotasche, zack, und schlug unten auf dem Pflaster auf. Ich konnte zusehen wie die Tinte aus ihr herauslief, bis dieser Lastwagen kam … und das war’s dann für meine Füllfeder, einem Geschenk von den Autoren zu meinem Fünfzigsten. Ein Unikat. Unersetzbar. Mit Widmung.

Die verdammte Pepita.
Aber es gibt schlimmeres.

Die 4. Pepita Spring-Gschicht

Sie het also bimer agfange, d’Pepita, als Väträttig von de Lydia, wo  zwei Wuchä Feriä gno und sich noch Kroaziä vätschüsst het.
Nätürlich isch d’Pepita jede Tag z’schpoht cho, und i has scho bim Z’mittag bereut, dass i si igstellt ha.  Aber ab em zweite Tag het sie sich Müä gä und richtig gschinaglet. Zmindnescht bis em Mittag. Noch em Ässä isch si zrugg cho und het ä Fahnä gha. Aber so e richtigi. 3 Meter mal 2,50.
«Pepita», hani gseit, «wenn’d scho i dä Mittagspause muesch suufä, dänn suuf wenigschtens Wodka oder Gin, denn häsch kei Fahne. Mir sind äs aständigs Velagshuus und du muesch au räpresentiere … und ziäh entlich dä huerä Rock abe, chader jo jede wo ine chunnt i’d Chuchi luege…»
«Nöd muulä, Här Velegger. Wenn das äs aschtändigs Huus isch, denn bi em Papscht sini Tochter. Aber dass das keis aschtändigs Huus isch, gseht me nume scho, das mis Buech no nöd ärschine isch.»
D’Pepita isch amer vebii gstöggelet, und i ha vo ihrer Deowolke diräkt än Hueschteafall übercho. Heilands Sack! Da isch nümä nüt gsi. Än Schwall vo billigem Parfum, für 3,75 pro Hektoliter.
I bi as Fenschter gsekklet, has uffgrisse, igschnufet und mi wiit usäglehnt. U do isch mer dä Füli usem Tschope keit, zack, und undä uf em Pflaschter uffgschlaage. I ha zueglueget wie nem d’Tintä usglaufä isch, und denn isch en Laschtwage cho, und das isches denn gsi mit dem Füli, wo mer d’Autorä zum Füffzger gschänkt händ. Äs Unikat. Unersetzbar. Mit Widmig.

Diä huerä Pepita!
Aber gschäch nüt blöders.

SUPERBASTARD No. 4

Heute erscheint der von Benedikt Maria Kramer herausgegebene «SUPERBASTARD No. 4».

MIt Texten von:

Benedikt Maria Kramer (Herausgeber, Autor), Urs Böke (Autor), Hermann Borgerding (Autor), Franz Dobler (Autor), Jerk Götterwind (Autor), Ni Gudix (Autor), Florian Günther (Autor), Jaromir Konecny (Autor), Elias Loeb (Autor), Andreas Niedermann (Autor), Kai Pohl (Autor), Michael Sailer (Autor), Bobby Sands (Autor), Clemens Schittko (Autor), Bruno Schleinstein (Autor), HEL Toussaint (Autor), Kurt Tucholsky (Autor), Gudrun Völk (Autor), Joachim Wendel (Autor)

SUPERBASTARD  – für alle dies es noch nicht wissen – der Nachfolger des bereits legendären, von Franz Dobler losgelassenen und gleich wieder abgestürzten «BASTARD».

122 Seiten Stoff. Auch gerade für jene, die sich beharrlich und ausdauernd über den siegreichen «Mainstream» beklagen. Also raus mit dem Finger und die € 9,95 hingeblättert, auf dass der verwegene Kramer superbastardreich wird.

Zu bestellen bei: bene144@web.de
In Österreich bei: verlag@songdog.at
Oder auch über Amazon

Das nächste Mal aber…

Es ist schon eine Weile her, als ich auf der Post von einer Frau tätlich angegriffen wurde. Sie war der Meinung gewesen, dass ich mich vorgedrängelt hätte und hatte mich wie ein Eishockeyverteidiger an der Bande gecheckt und mir das Buch aus der Hand geschlagen. Ich hatte nur gesagt: «Was ist denn mit Ihnen los?»
Dabei war ich – für einmal – völlig unschuldig. Niemals würde ich mich vordrängeln. Niemals. Niemals -Niemals.

Heute, wieder in der Post. Ich stehe in der richtigen Schlange. Ein Frau betritt die Filiale, stellt sich falsch an, was sie vor mir drankommen lässt. Der Postbeamte macht sie – normal wienerisch unfreundlich – darauf aufmerksam. Sie sieht zu mir hin, hebt entschuldigend die Hand. Ich winke freundlich zurück.

Und die Moral von der Geschichte?
Keine Ahnung. Vielleicht war ich einfach noch nicht schlecht gelaunt genug. Mist! Das nächste Mal brenne ich die Scheiß-Filiale nieder. Das ist aber amtlich.

Die 3. Pepita Spring Story (deutsch)

Übesetzt aus dem Schweizerdeutschen von Dr. Ernest Uräser

Pepita war schon da, als ich ins Büro kam. Lydia, meine Sekretärin, wusste auch nicht genau, wie lange sie schon wartete.
«Hast du mein Buch endlich gelesen», maulte sie und zupfte ihren Supermini über den Netzstrümpfen zurecht.
«Das ist kein Buch, sondern ein Typoskript, liebe Pepita, da brauchts noch ein klein wenig, bis daraus ein Buch wird …»
«Jajaja und blablabla, was ist, hast den Superstoff jetzt gelesen? Und wann erscheint es?»
Ich schwieg und warf erst mal den Computer an. Der Ventilator schnurrte leise wie ein Kätzchen.
«Hast du oder hast du nicht?», motzte Pepita und nahm einen Schluck aus der Coladose.
«Ich habe.»
«Und? Super, oder? Megasupergeil ?!»
«Ein wenig redundant vielleicht», wandte ich vorsichtig ein.
Pepita sprang auf und stolperte auf ihren Highheels zu meinem Schreibtisch.
«Redundant, redundant, du alter Elefant. Was soll denn das heißen? Sprich deutsch!»
«Es ist auch voller Tautologien, weißt du, «weißer Schimmel» und so …»
«Du hast doch keine Ahnung. Da ist purer St. Gallener Barock …»
«Sagt wer?»
«Sagt ein richtiger Schriftsteller, einer der sich auskennt. Nicht so einer wie du …»
Pepita wurde jetzt richtig wütend und fuchtelte mit ihren Händen in der Luft und vergaß dabei, dass sie noch die Coladose in der Rechten hielt. Aber da war es auch schon geschehen: Der Rest der Cola schoss wie die braune Seiche eines Zobies auf das Keyboard und versickerte zwischen den Buchstaben.

Die verdammte Pepita!
Aber es könnte ja noch schlimmer sein.