Wie das Gemüse auf unsere Landkarten kam

Wie viele Länder erst durch Kriegsgeschehen und Gräuel in unsere Bewusstseinslandkarten geätzt werden, so bringt uns EHEC nahe, unter welch abstrusen, widerlichen und ausbeuterischen Bedingungen unsere tägliche Gurke, unsere Tomaten/Mozzarella-Platte, die gefüllten Papkrika und die leckeren Erdbeertörtchen produziert werden. Wir sahen die schockierenden Weiten der weißen Plastik-Wüsten in Südspanien, wir sahen die ausgemergelten Männer, die 16 Stunden, in schier unerträglicher Hitze, in beißendem Gestank (sahen wir nicht, können wir uns aber vorstellen) an der Arbeit für unseren Gusto verschmachten. Rechtlos. Und die Zyniker unter uns werden trocken bemerken, dass sie damit noch besser bedient sind, als in ihren Herkunftsländern.

Wenn sie dereinst, in naher Zukunft, durch unsere cleanen Straßen streifen, wie Zombies in Intensivstationen und auf der Suche nach ein wenig Linderung ihrer Qual, was werden wir dann tun?

Dem Staat unsere Dienste als Rücktransporter anbieten?

Die österreichische Post: Der einzige Auftragskiller, der vom Opfer bezahlt wird

Als ich vor zwei Jahren zwischen Wien und Wald (AR) in der Schweiz pendelte, nahm ich oft Verlagspost, Bücher, die nach Deutschland verschickt werden mussten, mit in die Schweiz, um sie dort zu verschicken. Das machte, pro Buch, ein Euro Differenz. Das ist mitunter das, was dem Verlag, abzüglich aller Kosten, pro Buch bleibt.

Das war hart genug. Aber nichts dagegen, was die Ösi-Post, seit 1. Mai gestartet hat. Es ist der Angriff eines Auftragskillers. Neulich wollte ich zwei Bücher, unter 500 Gramm, in die Schweiz verschicken. Kostete vor dem 1. Mai, economy € 5,60, jetzt: 13,80. Zwei Bücher. Ladenpreis € 14.-

Ich sandte sie dann einzeln. Da kam das Stück auf € 3,40.

Das Ziel des Kapitalismus ist das Monopol. Da bewegen wir uns zügig hin. Es sieht aus, als könnten die ganz Großen noch bestehen. Aber das ist ein Irrtum. Auch ihre Tage sind gezählt. Wir Kleinstunternehmer, die wir ungerufene Dinge produzieren, und mit unserer Produktion noch zur Lebensgrundlage anderer, kleiner Betriebe (Druckereien, usw.) beitragen, werden vom einem impotenten, auf das Viagra der öffentlichen Hand angewiesenen Riesen wie die Post, zertrampelt. (Zumindest wird es versucht)

Und wenn die dort Scheiße bauen (und das tun die!), dann darf ich mit meinen Steuern die Abfindungen der Manager und des entlassenen Personals bezahlen.

Es ist so, als würde ich aus meiner eigenen Tasche den Killer bezahlen müssen, der mir das Hirn rausblasen will.

Es mag für viele seltsam klingen, aber ich habe eine Scheißwut. Und sie geht nicht weg.

«…Tschoni Kesch…» (unter Katholen)

Ein deutscher Intellektueller hat ein provozierendes Buch geschrieben. Es ist ein Hammer. Es ist kaum zum Aushalten, dieses Buch, mit seinen Thesen. Es bohrt sich richtig rein in den teigigen Arsch des beliebigen Zeitgeistes, in diese indifferente Weicheierquaste, mitten hinein ins ungläubige Herz der analhedonistischen Verblödungshypotoniker, es weicht die letzte Hirnwindung auf, wie ein Schwall Natronlauge die hängengebliebene Nudel in der Spüle, kurz: Er schenkt uns richtig ein.

Mag sich nun der eine oder andere bange fragen: Ja, mit was denn, schenkt er uns ein.

Mit dem Katholizismus. Aber dem richtigen. Dem, vor dem zweiten Konzil. Denn der wortgewaltige Intellektuelle will, dass alles wieder so sein soll, wie es nie war. Lateinische Messe. Zölibat ist geil. Und die Ökumene ist mit einem gichtigen Füßchen bereits im Purgatorium; und wehe den unseligen Protestanten, die ihre Griffel – an denen noch die Gleitcreme des Kondoms klebt -, nach der heiligen Hostie ausstrecken!

Halleluja. Der Papst ist der unfehlbare Chef. Und das ist auch gut so, sagt der Mann. Man sieht ihn in eine Kirche gehen. Er schlägt ein Kreuz über die hervorgewölbte, katholische Plauze. Die Kirche ist leer. Er geht so herum. Man weiß nicht so recht, was er tut.

Dann sehen wir ihn in einem Pfarreiheim. Am Stehpult. Er spricht zur Gemeinde. Man hört wie seine Stimme: «…und Tschoni Kesch…» sagt. Jawoll, Tschoni Kesch. Der Baptist.

Ich bin selber zahlendes Mitglied in diesem Verein. Schon seit meiner Geburt. Und wenn einer im Pfarreiheim «Tschoni Kesch» sagt, dann ist die «Jazzmesse» nicht mehr weit. Dann weiß man einfach, sie kriegen’s doch nicht auf die Reihe.

Katholisch sein, mag vieles heißen, aber eines heißt es ganz bestimmt auch: Heuchelei.

Eine griechische Gottheit: Herbert Fritsch

Vor dreißig Jahren stand ich in einer Basler Theaterbuchhandlung und fragte nach Büchern von Konrad Bayer. Dann geschah ein Wunder.

Ich hatte gerade eine etwas härtere, und lustige Zeit. Ohne feste Bleibe, knopfstier, trieb ich mich in den Straßen der Stadt und auf Bibliotheken herum. Oder in Buchhandlungen. Da gab’s manchmal einen Kaffee. «Die Bücher von Bayer sind alle vergriffen», sagte die freundliche Buchhändlerin, die im Nebenamt die Mutter des schönsten Punkergirls der Stadt war. «Aber», fuhr sie fort, «der Herbert Fritsch ist gerade im Laden und er macht am Stadttheater was über Konrad Bayer.»

Dann trat Herbert Fritsch aus den Buchregalen. Einer griechischen Gottheit gleich. Und er tat, was Götter tun, wenn sie Sterblichen wohlgesonnen waren: Er veränderte mein Leben.

Er lud mich erst, als er von meiner Misere erfuhr, zum Essen ein, dann lieh er mir Geld, und auf seinen Tipp hin, heuerte ich als Techniker beim Theater an. Kurz darauf verschwand er aus der Stadt. Ich habe ihn nie wieder getroffen.

In letzter Zeit hört man oft seinen Namen. Er hat «Erfolg» als Theatermacher. Zwei seiner Stücke waren am Berliner Theatertreffen. Die «Zeit» (Peter Kümmel) widmet ihm diese Woche, fast eine ganze Seite.

Es ist eine wahre Freude. Er ist noch genauso verrückt, großzügig, radikal, gut gelaunt, unkorrumpiert wie damals. Sein Durchblick hat sich über all die Jahre nicht eingetrübt.

Ich weiß, was das heißt. Über all die Jahre. He made my day. Heute, wie damals.

Salut, Herbert.

Die Rache des verschmähten Rindviechs

Also gut. Das Rindvieh hat es satt, dass wir es verschmähen. Seine Rumpsteaks, Entre Cotes, seine Schnitzel, den gespickten Braten, die Haxen, die Kutteln, seinen Ochsenschlepp, die spanischen Nierchen, den Ochsenmaulsalat und die geräuchten Euter, das kann es nmmer leiden: Es kackt uns sein Gift auf die Gurke. «Da hast du’s, abscheulicher Vegi! Dreckskerl, stirb!»

Das macht mir Sorgen.

Meine Kinder wollen selbst den Hasen nur noch mit streng gewaschenem Salat füttern. Aber die Niggels mögen kein Wasser auf ihrem Fraß. Muss ich ihn wohl spachteln. Den Salat. Vielleicht sollte ich lieber das Niggel in die Pfanne hauen. Aber das wäre den Kindern nicht recht, und mir irgendwie auch nicht.

Es musste ja mal so kommen. Es konnte nicht sein, dass nur die Carnivoren unter uns alle zwei Monate ihren Skandal bekamen; den gammelfleischenen, den rinderwahnsinnigen und wie sie alle heißen. Jetzt hat es uns Vegis ereilt. Und zwar gleich richtig. Während man bei den Carnivorischen den Unterschied von vorher zur Jakob Kreutzfeld kaum bemerrkte, so rafft uns EHEC gleich vom Angesicht der Weidegründe.

Das find ich, ehrlich gesagt, Scheiße.

«Ausgemistet» von Florian Günther

Florian Günther präsentiert sein neues Buch «Ausgemistet».

Mit von der Partie am 27. Mai sind der Verleger Peter Engstler und der Schriftsteller und Brinkmann-Lektor H. P. Piwitt.

Wer die Gelegenheit hat hinzugehen, um eine von Florian Günthers furiosen Lesungen zu erleben, sollte dies tun. Andernfalls, und dies ist amtlich, ist demjenigen nur schwer zu helfen.

Im Songdog Verlag wurde dieses Frühjahr Günthers vergriffener Erstling «Taschenbillard» neu aufgelegt.

Ansonsten gilt noch immer, was ich im Blog vom 31. März 2010 «Mir kann keiner» geschrieben habe. Oder das was Piwitt in seinem Nachwort verlauten lässt: «

…Es sind Momentaufnahmen, oft Minutengedichte in der Sprache der «kleinen Leute» geschrieben, also kein «cool» und kein «supergeil», kein schielen nach Erfolg bei «Slam de Luxe» – und «Harbour-Front» – Veranstaltungen. Und doch sind sie fein, ja meisterlich gearbeitet…»

Man muss es nehmen, wie es kommt

Der eine hat Krebs/ der andere hat Löcher in den Socken, der nächste ist verliebt./ Bei mir kommt alles / zusammen. / Doch wenn alles gut / geht, sagen die Ärzte, / bin ich in gut drei Wochen / wieder auf den Beinen

Zu beziehen ist «Ausgemistet» im Peter Engstler Verlag: www.engstler-verlag.de

«Taschenbillard» bei Songdog www. songdog.at

Rauchende Köpfe

Als ich heute beim Kochen für die Kinder mal einen Blick auf die Zeitungsunterlage warf, entdeckte ich etwas. Als Mensch von Kultur, stopf ich meine nassen Schuhe nur mit der «Zeit» aus, und ebenso dienen mir die ausgelesenen Ex. als Müllsammelunterlage beim Kochen.

Es war ein Artikel (vor ein paar Wochen erschienen) über das in Bau befindliche «Arnold Schwarzenegger-Museum» in Thal, seiner Heimatstadt, nahe Graz. Eine geile, bronzene Skulptur gibt es schon. Sie zeigt Arnie beim Posen der Bizeps. Hervorragend. Da will sich ein bedeutungsarmes Städtchen in der Steiermark mit seinem berühmten Sohn schmücken, und hat sich in Unkosten gestürzt.

Ich könnte mir vorstellen, dass dort zur Zeit ein paar Köpfe rauchen.

Wie der Opernball

Gestern gab es im Wiener Rathaus den LIFE BALL, die Aids-Gala. Das Ding wurde natürlich im TV übertragen. Zumindest die Eröffnung. Ich hab mir die eine und die andere Minute angesehen, und fand’s erstaunlich, dass in dieser Stadt jeder Event, wenn man ihn nur lange genug wiederholt, am Schluss aussieht, wie der Opernball.

Sklaven

Ab 24 Grad Celsius ist meiner kleinen Tochter «brennheiß». Sie mag dann keine T-Shirts anziehen, sondern nur noch «Spaghettiträger-Leiberl». Davon gab’s keine passenden mehr, also ging ich mit ihr in den 10. Bezirk, der sozusagen gleich hinter unserer Haustür beginnt, und wir ackerten uns durch die Kärtnerstraße für Arme, die Favoritenstraße. Nach einer halben Stunde, nachdem wir schon bei H&M vergebens vorstellig geworden waren, zogen wir bei C&A ein. Runter, in den Keller. Mein Fleisch und Blut sagte: «Ich schau mich nur kurz mal um», und war weg. Da alle Kleiderständer größer waren als sie, hätte ich sie nie wieder gefunden, falls sie es drauf angelegt hätte. Da stand ich nun. Überall farbige Klamotten und Frauen mit Kopftüchern und Schuhen von Deichmann, halbwüchsige Mädchen, noch ohne Kopftuch, und der wuchtige, dicke Mann ohne Kind.

Ich ließ die Spaghettileiberl durch meine Finger gleiten. Schließlich bin ich als Ex-Textillaborant vom Fach. Auf dem Gewirke war noch 20% Rabatt. Zwei Leiberl für € 4.-. Das machte mich ratlos. Aber nur zum Schein. Ich tat so, als würde ich nicht verstehen, warum man für den Preis eines Mokka beim Anzengruber, zwei Leiberl kriegen konnte.

Die Klimaanlage versüßte mir den Aufenthalt, bis das Kind plötzlich, «wie aus dem Boden gewachsen», wieder vor mir stand. Ich tat, was zu tun war und kaufte. Die Kassiererin hatte sich blaue Strähnen in ihr Haar operieren lassen, und sprach deutsch.

Am Abend sah ich eine Doku, die mir wieder mal erklärte, was ich heute nicht zu Ende gedacht hatte. Ich sah die Arbeiterinnen in Bangladesh, die meiner Tochter die Leiberl zusammengenäht hatten, ich sah die Arbeiter in den Baumwollfeldern im Giftnebel der Schädlingbekämpfung, sah ihre Unterkünfte, ihre Kinder, die erloschenen Augen, und hörte, wie der Reporter die unerträgliche Hitze und Enge in den Fabriken schilderte. Sie verdienen 16 Euro/Monat.

Meine Kinder sahen es auch. Sie waren empört. Es war, als hätten die Leiberl nun einen hässlichen Fleck abgekriegt.

Als man Napoleon nach einer verlorenen Schlacht die Leichenberge auf dem Schlachtfeld zeigte, sagte er: «Eine einzige Pariser Nacht wird das wieder bevölkern.»

Der Mensch, ein unerschöpflicher Rohstoff.

Nicht im Drogen-, nicht im Waffen-, nicht im Rohstoffhandel liegt die Zukunft.

Sklaven.