Ein bisschen Presse zu „Alte Schule -Blumberg 3″

Alte Schule. Blumberg 3.

Der Dichter ist in die Berge abgehauen und gilt als verschollen, das Publikum ist ungeduldig, es hat zwei Bücher über schwere Helden-Entgleisung gelesen und will wissen, wie die Geschichte zu Ende geht. Die Heldin „Blumberg 3“ sitzt in der Psychiatrie und und bietet in hellen Momenten an, ihre kriminelles Leben fertig zu erzählen. – Eine ideale Ausgangsposition für einen Roman, als ein Verleger den erlösenden Schreibauftrag vergibt, um endlich alle von der Last der nicht-erzählten Geschichte zu erlösen.

Andreas Niedermann lässt das Konzept für seinen „Roman noir“ knapp durchschimmern als eingedampfte Literaturtheorie: „Bücher entstehen aus Büchern, Leben und Lügen.“ (86)

Aus diesen drei Welten sind die Helden „Alter Schule“ konzipiert, sie geben sich nach einem aufwühlenden Gespräch „old-school“-mäßig die Hand (158), oder denken in einer völlig beschissenen Lage „Alte-Schule-mäßig“ an Sex. (183) Natürlich gilt der Ausdruck auch für das bewährte Genre Detektiv-Roman, der ja auf der Kunst der Recherche beruht. In seiner Ausformung als schwarzer Humor freilich beginnt der Schriftsteller jedes Mal zu dichten, wenn er recherchieren sollte.

Die Rahmenhandlung ist ein Nabelbruch. Der Ich-Erzähler hat einen erfolgreichen Roman abgeschlossen, bei dem er sich „einen Bruch gehoben“ hat. Jetzt muss er ein paar Kilo abnehmen und sich auf die Operation vorbereiten. Ein idealer Zeitpunkt für den Verleger, ihm einen Schreibauftrag zu verpassen. Er soll „Blumberg 3“ verfassen. Am Schluss liegt der Erzähler von Hunden zerbissen im Krankenhaus und wartet auf die Operation, eine geniale Rahmenhandlung.

Im Roman-Innern geht es zu wie bei einem Dreizylinder-Motor, Stoff wird verdichtet, gezündet und das Erzähl-Pleuel in Bewegung gebracht. Einmal stößt es dynamisch auf, wenn der Ich-Erzähler in fetter Schrift eine Art Krimi-Text begutachtet, zum anderen rasselt es ständig, wenn der Erzähler in qualvoller Körperhaltung den Text formt, und zum dritten kommen die beiden Blumberg-Bücher „eins und zwei“ der Komposition in die Quere.

Ausdruck für dieses quälende Verfassen von Texten sind die sogenannten Bauschlöcher, prosperierende Geschöpfe aus der Bauwirtschaft, eine Zusammensetzung aus Bau und A-loch, die den ganzen Tag über im Stadtteil am Werkeln sind. 

Der Plot besteht aus der Suche nach Blumberg 3, der Roman liegt eigentlich schon auf der Hand, muss aber mühsam zusammengekratzt werden durch Gespräche, Interviews, Abwägen von Gerüchten und Erwartungen an einen Roman, der es mit den beiden bereits existierenden Blumbergs aufnehmen kann.

Isa Blumberg wird zu einer Heldin zwischen Realität und Fiktion. Einmal sitzt sie in der Psychiatrie und erzählt Schauergeschichten über ihren Sohn, der offensichtlich eine Entziehungskur macht. Regelmäßig taucht in ihrem Sermon ein abgehackter Kopf auf, der von Gangstern als warnendes Beispiel installiert ist. Und im Mittelpunkt steht eine horrende Schadenssumme, die bei einer Versicherung zu begleichen ist. Das genaue Ausmaß dieses kriminellen Kosmos lässt sich nicht feststellen, am besten denkt man während der Lektüre einfach an das Darknet, wo ja auch alles kriminell random aufpoppt ohne logischen Zusammenhang.

Zum anderen ist Blumberg eine Fiktion, die sich nach literarischen Gesetzmäßigkeiten durch die Action bewegt, halb Lektüre, halb Traum. Und zum Behübschungs-Motiv degradiert kratzt  ein gewisser Andreas Niedermann an der Story, er hat sich in die Berge abgesetzt und will Esel züchten.

Rund um diese Krimi-Schöpfungsgeschichte waltet der Literaturbetrieb seines Amtes. Im Gartenbaukino gibt es eine Filmgala zu Niedermann, der inkognito aus den Bergen angereist ist, um sein Werk zu sehen. Gleich darauf liegen statt der gesuchten Drogen Texte von Jack Kerouac im Kühlschrank, aber noch während der Held einen Blick darauf wirft, ändert sich das Konvolut, und es wird ein Metatext über das legendäre Genie „On the Road“ daraus.

Halb im Traum, halb auf Recherchetrip klappert der Erzähler entlegene Häuser ab, weil sowohl der abgetauchte Niedermann als auch seine Kreation Blumberg auf diesen Gebäudetypus stehen.

Gegen Ende beklagt Isa Blumberg, dass ihr die eigene Geschichte abhanden gekommen sei, was ihr Ende bedeutet. Denn in der Fiktion geht es ausschließlich darum, sich eine eigene Story anzueignen. Sie schreibt dem Ich-Erzähler einen „Abschiedsbrief“: Die Geschichte hätte auch ganz anders ausgehen können, machen Sie was Spannendes daraus!

Andreas Niedermann (der vom Cover, nicht der Verschollene) führt elegant durch die zerklüftete Landschaft literarischer Kreationen. Das Wesen von Krimis, die Raffinessen der Postmoderne, die surrealen Mythen der Beatniks stoßen jäh aufeinander und feuern sich gegenseitig an. Als Leser ist man baff erstaunt, wie gut dieses Erzähl-Werkl funktioniert.

Andreas Niedermann: Blumberg 3. Alte Schule. Roman noir.

Zirl: Edition BAES 2024. 190 Seiten. EUR 19,90. ISBN 978-3-9505283-6-7.

Andreas Niedermann, geb. 1956 in Basel, lebt in Wien und Wengen.

Helmuth Schönauer 31/03/24

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