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Heute traf ich im Treppenhaus auf unseren Hausbesorger, den Herrn Jovic, so kurz vor halb zwei, und er trug gerade eine Kehrschaufel unseres abgetreten Schuhmülls zu den Containern, und als ich in den Lift stieg, sagte ich: «Was ist? Schauen Sie nicht Fußball?» Er: «Gehe gleich schauen.» Ich: «Das wird ein heißes Match. Serbien ist stark.» Er: «Wir werden verlieren, Deutschland ist zu gut.» Ich: «Sie werden sehen. Das Ding ist noch nicht durch.»

Dann fuhr der Lift direkt in das Spiel, und es kam wie es kommen musste, aber ganz anders.

Nicht die Serben sahen sich die von vielen erwartete Arschkartenshow an, sondern die Jungs meiner nur noch Beinahe-Lieblingsmannschaft. Der Schiri war ein richtiges Gelb-Leckermäulchen. Der mag die Crema Catalan, da bin ich sicher.

Podo, «der Fuß», wollte niemanden verletzen und setzte behutsam sein Elferschüsschen in die Patschehändchen von Stojokovic. Löblich. Und das war’s dann. Meister Löw übte Schmetterbälle mit Wasserflaschen und stierte an die graue Wand, und grau wird auch die Asche sein, die sie sich über die Häupter streuen dürfen.

Eins ist mal sich sicher: Es ist verdammt hart, der Favorit zu sein! Und anstatt cool, coole Drinks in coolen Launches zu cooler Musik zu zuzzeln, gibt’s heiße Schamwangen.

Mal hören, was der Herr Jovic dazu sagt.

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Darf man eigentlich Fan der nordkoreanischen Fußballmannschaft sein? PC-mäßig? Gestern war ich’s ein bisschen, als sie gegen die gelbe Handballmannschaft aus Brasilien gespielt haben, dem Rekordweltmeister. Natürlich habe ich mir nicht das ganze Spiel gegeben, nur quergelesen.

Aber man muss sagen, dass die Asiaten das Salz in dieser grotzfaden Fußballsuppe sind. Sie geigen auf, wie zu Cruyffs Zeiten oder anders gesagt: Fußball als Thai-Boxen. Schnell, hart, clever, giftig und niemals aufgebend. Die Jungs aus Brasilien wirkten wie die pomadigen Fußballdarsteller in einem Film von Peter Weck. Ich bin ungerecht? Na klar!

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Kein Tröpfchen Futbol gestern. Geht auch.

Inzwischen kommt der Rest der Welt auch auf den Trichter und kann ihn schon nicht mehr richtig leiden, den Tröterich südafrikanischer Provenienz. Man möchte ihn ein bisschen leiser haben, den Herrn Vuvuzela. Das ist Kapitalimus: Erst das Geschäft mit dem Lauten, dann verbieten und einen Leiseren verkaufen.

Ich möchte hiermit ein Patent anmelden: «Sie intellektuelle Vuvuzela, Sie!»

P.S. Es scheint Menschen zu geben, die mit dem Terminus Futbol und/oder Futblog so ihre Schwierigkeiten haben. In meiner mir angeborenen Arglosigkeit, übersah ich, dass Fut nicht nur Fuß bedeuten könnte. Tut es aber. Denn es gibt noch keine Weltmeisterschaft im «Muschiball».

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Gut, zugegeben, gestern war Fußball (nicht Handball!) und ich genehmigte mir ein halbes Stündchen und sah zu, wie meine Lieblingsmannschaft die Old Boys aus Down-under vernaschten. Halbes Stündchen ist genug. Wie die meisten Romane, sind auch die meisten Fußballspiele zu lang, und ich trete in der Literatur wie im Fußball, vehement fürs Kürzen ein.

Ich votiere für ein Fußball-Lektorat. Man sieht sich die ersten 20 Minuten eines Spiels an und entscheidet dann über dessen Gesamtlänge. Ein intelligentes, leidenschaftliches Kicken darf ruhig 90 Minuten dauern. Für die anderen gilt, was Friedrich Dürrenmatt über die Bücher von Günther Grass verlautbaren ließ: «Grass ist mir zu wenig intelligent für solch dicken Romane.» Und für die dünnen auch, möchte man hinzufügen.

Dann sah ich noch 1 Minute einer Sendung, in der es um den kürzlich verstorbenen Theatermacher Peter Zadek ging. Ich hörte dem Schauspieler Gerd Voss zu, der über Trauer und Verlust sprach, und wie ihm Zadek abging. Dann hörte ich noch Paulus Manker reden, das Genie aus Genienreich, und es sprach wie ein Schirennfahrer, ein Ösi-Fußballer oder ein anderes Mitglied dieser großen Sportnation; es sagte: «Man kann stolz darauf sein, mit ihm gearbeitet zu haben, aber jetzt muss man nach vorne schauen.»

Zadek kann noch im Jenseits stolz sein, mit Manker gearbeitet haben zu dürfen.

Es gibt ein Buch von den Mitscherlichs. Es heißt: Die Unfähigkeit zu trauern.

Es sollte in jeder österreichischen Schule zum Pflichtstoff gehören.

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Der Handball-Europameister 2004 im Fußball, Griechenland, verlor gestern gegen die fußballspielende Mannschaft aus Südkorea. Das ist ein Grund zur Freude. Die anderen Spiele waren eigentlich nicht der Rede wert, wie mir die Blitzzapps immer wieder bestätigten: Handball in Reinkultur! Und alle hofften auf einen genialen Einfall der Kreisläufer, wie Messi und Konsorten. Ich glaube, es war nicht.

Dass der wildgewordene Kapitalismus nicht nur die Wirtschaften ruiniert, sondern auch den Sport (wie sollte er auch nicht?), ist eine Binse. Die Fußballclubs sind längst Privatbesitz von «To much is not enough-Profit»- Burschen, und die Versuche der Manchester United-Fans, den guten, ehrwürdigen Club irgendwie aus den Klauen von Glazer zu retten, gleicht dem Versuch, eine alte Hure aus dem Puff wieder in eine Jungfrau zu verwandeln.

Aber wir sind dieser Kapitalismus. Er lebt durch uns. Wir lassen uns diese Handballspiele und Show-Box-Kämpfe bieten.

Ansonsten hört man, wie sich die Leute auf der Straße über die Hitze beklagen. Vor drei Tagen, beklagten sie sich über den kühlen Nicht-Sommer.

Ich beklage mich niemals über das Wetter. Aber das ist auch das einzige.

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Wer wie ich, nach einem 35 Gradtag voller Arbeit, des Abends ein bisschen Bewegungslosigkeit suchte und sich zu diesem Behufe auf die Couch fläzte, um seinen Schädel von allerlei Literarischem und/oder falschen Syntaxen, schiefen und nicht so schiefen Bildern, Metaphern, Synonymen und kaputten Sätzen, zu reinigen und die Glotze einschaltete, erfuhr Seltsames.

Denn auf einigen Sendern erscholl eindringlicher Lärm, ein Brausen wie in Jüngers Hornissen hob an und man hielt automatisch Ausschau nach der fledermausgroßen Stubenfliege, die stur und zornig, durch ein geschlossenes Fenster den Weg nach draußen suchte. Nur, diese Fliege war nirgends auszumachen.

Der geneigte Futbol-Kucker weiß natürlich sofort: Das sind die Vuvuzelas, jene genialen Hörner, deren Einton-Strategie jeden Fußballfan immer wieder aufs Neue entzückt. Sie entfachen nebenbei auch noch den stupidesten Stadionlärm seit der Erfindung des Presslufthammers. Wobei man hier dem Presslufthammer ein wenig Unrecht tut, denn der nimmt sich gegen die Tausendschaften von Vuvuzelas aus, wie die Wiener Synphoniker gegen ein ad hoc zusammengestelltes Kindergartenorchester mit Spielzeugtrompeten.

Die Backgroundgeräusche bei den Übertragungen sind von einer solch infernalischen Stupidität, dass man sich automatisch denkt: Dann passt’s ja!

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Ab heute ist Futbol. Futbol mondial. Auf allen TV-Sendern: Südafrika. Vom Spitzmaul-Rhino bis zu jenem Township-Gangsterfilm, in dem ein Gangster versehentlich ein Auto mit Baby klaut, einem krähenden, männlichen Säugling. Es war ziemlich grotesk, was der Gangboy mit dem Kleinen alles anstellte. Wer je selber mit Babys zu tun hatte, weiß: So geht das nicht. Es war ein bisschen wie in Fußball-Filmen: Entweder hat man richtige Fußballer die kaum schauspielern können oder es verhält sich umgekehrt. Nicht, dass ein Baby schauspielern können sollte, aber ich hab ein Aufmerksamkeits-Problem, wenn man mir erzählt, dass ein Säugling, der stundenlang nicht gefüttert wurde, so richtig cool durchschläft. Diese Baby müsste in Serie gehen. Man würde stinkreich werden.

Also: Futbol.

Nelson Mandela soll am Eröffnungsspiel nicht anwesend sein. Er ist über 90 Jahre alt, und eine seiner Urenkelinnen kam gestern zu Tode. Wegen dem Futbol. Das ist, finde ich, ziemlich traurig.

Ich habe ein schönes Foto von Nelson Mandela über meinem Schreibtisch hängen. Es zeigt ihn zusammen mit einem Freund auf dem Dach eines Hochhauses, beim Sparring. In den Pausen seiner Prozesse. Vor 200 Jahren. Ich find’s schön ein Foto von Mister Mandela zu haben, auf dem weder Bono, noch Bob Geldoff, noch Madonna drauf ist. Ich halte es in Ehren. Wie Mister Mandela auch.

Nicht mehr links, aber irgendwie blöd

Dass sich sattgefutterte und künstlerisch stagnierende Rockstars gerne der «humanitären Welthilfe» zuwenden ist bekannt, und als Tatsache so interessant wie DJ Ötzis Meinung zu einem Flachbildfernseher. Tant Pis!, sagt da der Leopoldstädter und der Schweizer doppelt nach mit: Gschääch nüüt blöders.

Dass sich leergeschriebene Bestsellerautoren der bedürftigen Welt zuwenden, ist dagegen ein neueres Phänomen. Da haben wir zum Beispiel den «Wallander-Schmied» Mankell. Ein Mann, dem offensichtlich seine eigene Schreibe (berechtigterweise) zum Halse raus hängt, und der sich nun der Not fremder Völker mildtätig hinneigt, und uns, seine Popularität nutzend, allerlei Kenntnisse über die Ursachen dieser Not vermittelt.

Und als Bestseller-Autor ist er natürlich auch gottgefälliger Kenner des Nahen Osten, und war mit auf den «Blockadebrecher»-Schiffen Richtung Gaza. Schiffen, die wie sich jetzt nach und nach herausstellt, von islamistischen und rechtsnationalen Türkenvereiningungen dazu missbraucht wurden, mal ein bisschen Stimmung zu machen, wohlwissend, dass Israel in dieser Geschichte, auf jeden Fall die Arschkarte gezeigt wird. So oder so.

Herr Mankell wurde nicht getötet. Wie einige mitfahrende Abgeordnete der deutschen «Linkspartei» auch nicht, aber kurz festgenommen. Nun vernimmt man, dass die iranische Kriegsgurgel, die durch Falschmeldungen und manipulierte Fotos aufschießende Antiisraelstimmung nutzen will, um selber ein paar «Blockadebrecher»-Schiffe Richtung Gaza zu entsenden.

Könnte dies, ich frage, Meister Mankell, vielleicht gefährlich werden? Und, liebe Abgeordnete der «Linken», wäre man da nicht vielleicht auch bisschen mitverantwortlich? Nur so ein klitzekleines Bisschen? Oder hat man mal wieder nichts gewusst? Oder war man einfach zu blöd?

Und der Bestsellerautor schweigt.

Der wichtigste Mann

Neulich erklärte mir ein Schauspieler, dass er «Texter» überhaupt nicht ausstehen kann. Das nenn ich mal eine gute Idee. Und so originell! Das ist Theater: Alle hassen einander. Die Techniker den Ton, das Licht die Technik, die Regieassistenten die Ausstatter, die Bühnenbildner die technische Leitung, die Schauspieler die Autoren, die Autoren die Regie, die Regie die knausrige Intendanz, der Intendant die kritische Presse.

Der Portier hasst alle zusammen mit ausdauernder Inbrunst, weil die nicht anerkennen wollen, dass sein Job eigentlich der wichtigste von allen ist. Denn wenn er das Haus nicht aufsperrt, passiert da rein gar nix…

Die Spargel-Tour

Ich mag Spargel. Jetzt hat er Saison und er ist gut und frisch und billig. Ich sehe ihn von weitem: Grüner Bio-Spargel im Spar. € 2,49 das Pfund. Nehm ich. Die Dame an der Kasse lebt noch im Biedermeier. Sie hat Zeit. Alle Zeit der Welt. Und wir mit ihr. Als sie den Spargel über den Leser zieht, sehe ich auf dem Display 3,49 aufleuchten. Awright. So läuft das nicht. Sie klingelt nach Hilfe. Die Schlange wächst und wächst. Wir warten. Die Hilfe kommt. Sie müsste nur einen Blick auf das Schild werfen, gleich um die Ecke. 2,49 oder doch 3,49? Sie kommt zurück. Es macht den Anschein, als hätte sie sich verirrt. Sie zeigt mir ein Schild. Bio-Spargel 4,99. Sie hat das Schild getauscht. Kein Zweifel. Warum? Weiß ich nicht.

Aber so lernt man dieses Land verstehen: Du packst den Spargel ein, weil er 2,49 angeschrieben ist. An der Kasse sollst du dann 3,49 zahlen, und nach der Reklamation wird dir beschieden, dass der fein Grüne eigentlich 4,99 kostet. Bezahlen tust dann aber 3,49. Und das, mein Freund, ist doch nur logisch.

Das ist die so genannte Spargel-Tour. So ziemlich alles was hier läuft, läuft so.

Eines fernen Tages werde ich das vermutlich nicht nur kapieren, sondern auch verstehen.

Oder auch nicht.