Hugo „Budaz“ Keller (1948 – 2022)

Anrufe von Freunden, denen man sich sonst schriftlich mitteilt, beginnt man mit zunehmenden Alter zu fürchten. Bevor man abhebt, stellt man sich auf schlechte Nachrichten ein.
So auch auf den Anruf heute morgen, von Freund Yvo aus St. Gallen.
Die traurige Nachricht: Hugo „Budaz“ Keller hat gestern diese Welt verlassen. Wobei ich ziemlich sicher bin, dass es für ihn keine „andere Welt“ gab. Er starb. Allein, in seiner Wohnung. Er hatte sich hingelegt. Es ging ihm nicht so gut.
Budaz? Gab es überhaupt jemand, der ihn Hugo nannte? Schwer vorstellbar. Dieser Name hätte zu ihm gepasst, wie Frack, Fliege und Spazierstock: also so ziemlich gar nicht. Budaz war Budaz, so kannten ihn alle, und mit alle meine ich jene Leute in der Ostschweiz, die mit Kunst und Kultur zu tun haben. Vor allem mit Kino.
Zusammen mit Felix Kälin begann er in den 80ern Filme an interessanten und ungewöhnlichen Orten zu zeigen. Zum Beispiel in einer Müllverbrennungsanlage (wenn ich mich richtig erinnere). Das war cool. Notwendig. Und rebellisch. Und es war der Anfang des freien Programmkinos KinoK St. Gallen, das aus dem Kino K59 hervorging.
Budaz war gelernter Fotograf. Und er war auch ein Dichter. Es gab einen Band mit Gedichten. Ich erinnere mich, dass ein Rezensent ihn mit Nietzsche verglichen hat. Wir, die ihn kannten, wussten das. Er selber sah das aus selbstironischer Distanz. Dichter? Fotograf? Ach was! Ironie, Selbstironie, das war sein Ding. Musik, Filme und Bücher. Viele, viele Bücher.

Als es mich 1986 wieder mal nach St. Gallen verschlug, war gerade das Kino K59 gegründet worden. Und es war Budaz der mich mit dem Vorschlag köderte, in diesem neu eröffneten Kino Filme über Stierkampf zu zeigen. Daraus wurde natürlich nichts, aber ich wurde Mitglied des Vereins, und er wurde mein Operateur-Lehrmeister. Er war es, der das „Operateur-Billette gemacht“ hatte. Ohne ihn und seinen Schein, kein Kino.

Kino: Zwei Jahre(für mich) voller Verleiher-Troubles, Programmsitzungen mit fetzenden Brainstormings, wütender Schaffenslust, Trinkgelagen, kräftezehrendem Mühsal mit den Gesetzen des Gewerbes – und letztlich: Erfolg. Dieses Kino gibt es – mehr als 35 Jahre später– immer noch.

Budaz war immer dabei. An jeder Sitzung. Auf seine stille, ironische und kluge Art kommentierte und bremste er oft den Umgestümismus von uns anderen (oder war es nur meiner?). Er war da. Immer hungrig. Er brauchte was zu essen. Daran erinnere ich mich. Er musste essen. Schlank, wie er war.

Niemals hätte er sich in Vordergrund gedrängt. Aber, wie gesagt, er war da, man konnte auf ihn zählen. Und wer es nicht wusste, der ahnte es zumindest: Budaz war unverzichtbar.

Wie ich hörte, lebte er in den letzten Jahren zurückgezogen in seiner Wohnung. Mit Katze und den vielen, vielen Büchern.

Und seit dem traurigen Gestern, müssen wir anderen auf den Unverzichtbaren verzichten. Für immer.

Wien, 21. Dez. 2022



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