Gegen Jubel, für den Zweifel

Jubel allenthalben. Trump hat verloren. Wir alle, sollen einen neuen Präsidenten kriegen. Den Joe, den Biden.

Ich juble nicht. Ich habe schon 89 nicht mitgejubelt als in Germany die Mauer fiel. Ich denke, dass die meisten Jubler heute das Gejubel doch etwas kritischer sehen. Überhaupt: Das allgemeine Gejubel ist mir suspekt. „Auf ein Lächlein folgt ein Bächlein“, pflegte meine Großmutter zu sagen, wenn wir zu übermütig waren. Sie behielt jedes Mal Recht.

BIn ich etwa verklemmt? Ein unrettbar an den Pessimismus verlorener Skeptiker? Ein freudlos neidischer Miesmacher?
Vielleicht. Aber eher nicht.
In den sechziger Jahren gab es einen Eishockeycrack indianischer Abstammung. Er ließ es sich nie anmerken, wenn er ein Tor geschossen hatte. Keine Jubelgesten. Er überließ das Gejubel den Kollegen und ließ das Schultergeklopfe und die Umarmungen ohne sichtbare Regung über sich ergehen. Es wirkte, als hätte er einfach seine Pflicht erfüllt, seinen „Job gemacht“ wie man heute sagen würde. Mir gefiel das. Mehr noch, es imponierte mir. Keine sichtbare Emotionen. Cool. Sehr cool. Wie die Trompete von Miles.

Aber mit Joe Bidens Wahl ist es auch noch etwas anderes.
Es besteht die Möglichkeit, dass der orange Wreckinbal im Anzug sich im Amt hält. Es braucht dazu nicht mal viel. Ein bisschen Extrakorruption von einigen Republikanern, in einigen Staaten. Es ist möglich. Es kann sein. Es wäre zwar das Ende der ältesten Demokratie. Aber was heißt das heute noch?
We’ll see.

Wer jubeln muss, soll jubeln.
Ich bin dem Zweifel verpflichtet.

Sweet blossoms

„ … ich rasselte sang -und klanglos durch.“
schrieb der Neoschriftsteller und Mützenpunk Campino – in seiner eben erschienen Biografie – über eine Erfahrung seiner Schulzeit. Das Buch hat auch einen Titel, aber der ist zu lang um ihn hier niederzutippen. Auch wir müssen sparen, so wie der Piper Verlag, wo man sich offenbar gesagt hat: „Heast, a Biachl vom Mützenpunk, des wird eh a Bestsölla, da kenn ma uns des teure Lektorat spoan!“ Oder so ähnlich.

„Finster war’s, der Mond schien helle, als er langsam blitzesschnelle um die runde Ecke fuhr. – Und Jimi Henrix Gitarre röhrte still und leise dazu.»

Für einen Punk ist es natürlich zu wenig, wenn er sang -und klanglos durch eine Prüfung fällt. Da musste ein fetziges Verb her. Rasseln. Ja, rasseln war gut. Das klang nach Action und fuckin Lärm. Aber es war halt doch gar prosaisch. „Ich rasselte durch“, ist a bisserl fad, und außerdem so unliterarisch. Nemma no so ein gut abgehangene Redewendungskadaverchen her, yeah, sang -und klanglos, das kommt gut, das versteht auch die inzwischen ergraute Klientel mit der Martin Walser Gesamtausgabe im Regal.

Natürlich war’s nicht so. Oder doch?

Um die 80er Jahre Zürcher Punkband „The Bucks“ zu paraphrasieren: „Be brave and stupid, buy this book!»

Es ist wieder dieses Gefühl

Nun ist es wieder da, das Gefühl. Oder vielleicht auch nur die Erinnerung an ein Gefühl, ein altes Gefühl, das Gefühl aus den 80er Jahren, als ich viel unterwegs war, in der Schweiz, in Italien, in Frankreich. Jenes Gefühl das einem beschlich, wenn man in Bahnhöfen an den Schließfächern vorbei gehen musste.
Damals waren Schließfächer meist in den Unterführungen, in den Tunnels die zu zu den Perrons führten, untergebracht. Nicht so wie heute, wo sie weit weg vom Strom der Passagiere zu finden sind.
Damals nutzten Faschisten die Schließfächer, um Bomben detonieren zu lassen. Das war das Gefühl, wenn man sie passierte: Jeden Moment hochzugehen, zerfetzt zu werden. Man konnte nichts dagegen tun. Durch diese hohle Gasse musste man gehen, wie der Schweizer weiß.
Und damals, als ich den Zug von Zürich nach Bologna verpasste, der mich zielgenau in den Anschlag der Faschisten gebracht hätte, der mehr als 80 Leute das Leben gekostet hat.
Das waren die 80er. Vielleicht erinnert sich noch wer. Ich tu’s. Und gerade jetzt wieder, wo Islamfaschisten meine hometown attackierten und attackieren. Man kann wieder hochgehen, zerfetzt, von Kugeln durchlöchert, von stumpfen Messern enthauptet werden.
Es ist wieder dieses Gefühl. Ich kenne es. Ich fürchte mich nicht. Es ist nur dieses Gefühl …

Medienquarantäne

Heute ist für die österreichischen Feierholes, Covidioten, Coronazis und Familienjunkies die letzte Gelegenheit, sich und andere noch mal so richtig anzustecken. Damit der kommende Lockdown auch wirklich lohnt.

Vielleicht schafft man es ja, dass man den Opi im Heim ordentlich infiziert, damit er bei der anstehenden Triage vielleicht die Niete zieht, und man so zum Erben kommt, und Opi keine Chance hat, seinen Batzen für die Heimunterbringung durchzubringen.

Ich dagegen habe mich entschlossen in Medienquarantäne zu gehen. Da ich mich nicht – wie einst Leonard Cohen – in ein Zenkloster zurückziehen kann. (Man braucht mich hier noch) Also werde ich, notorischer Newsjunkie der ich bin, mir sämtliche Zeitungen und TV-News versagen.

Vielleicht werde ich im Blog darüber berichten. Vielleicht auch nicht.