Die Knallbar Diaries (18)

Mein Freund ist Fußballer und hat gerade an der EM in France zu tun. Ich habe ihn besucht, weil mir langweilig war, und ich keine Lust hatte, mir den ganzen Tag über schlechte Fußballspiele anzusehen. Meine Produktion von Wörtern, Sätzen, Abschnitten und Kapiteln ist, wie man so sagt, erlahmt. Ich habe einen Sack gestrickt, und strample unten auf dem Grund herum und versuche aufzusteigen. Geht nicht. Also ab nach France. Zu meinem Freund, dem Fußballer.
Sein Name tut nichts zur Sache. Er ist Weltklasse. Soviel sei verraten. Wir sind schon eine ganze Weile befreundet. Wir sehen uns zwei Mal im Jahr. Oder so. Manchmal schreiben wir uns E-Mails. Er auf italienisch. Ich auch.
Wir haben etwas gemeinsames, etwas, das sehr selten ist, etwas, das uns zusammenkettet, wie zwei entflohene Sträflinge in einem Spielfilm.
Er ist Fußballer und interessiert sich nicht für Fußball. Außer, er steht auf dem Platz. Aber sonst geht ihm alles an dem Business am Arsch vorbei. Er liest. Dante, Turgenjew, Dostojewski, Nabokov, und die Zeitgenossen seines Landes. Und manchmal Knallbar.
Fußball interessiert ihn so wenig, wie mich die Literatur. Sie taugt nichts. Eingedenk meiner eigenen. Vertmutlich. Mein Freund weiß da besser Bescheid.
Als wir uns getroffen haben, hab ich ihm was über meine Lieblingsverteidiger erzählt, was sie unterscheidet und warum sie große Klasse sind. Er hat ziemlich gestaunt. So wie ich danach darüber gestaunt habe, was er mir über Nabokov und Pittigrilli zu erzählen wusste.

Das tat richtig gut.

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