Peter Bichsel zum 80-er

Ende der sechziger Jahre kam in der Schule als Lesestoff Peter Bichsels «Eigentlich möchte Frau Blum den Milchmann kennenlernen» auf die Pulte (falls noch jemand weiß, was das ist, ein Pult). Damals war der Autor noch nicht mal dreißig Jahre alt, aber auf dem Weg ein Großer zu werden. Ein Poet. Nicht das, was man heute gerne einen «professionellen Schriftsteller» nennt. Bichsel ist der Anti-Fauser. Kein Geschäftstmann. Ein Mann, der sich diesen unverstellten Kinderblick auf die Dinge bewahrt hat.
Ich kaufe seine Bücher nicht. Nur manchmal lese ich in den wenigen Texten, die ich von ihm habe. Sie sind großartig in ihrer schlichten Zartheit und Frische und Traurigkeit. Nie sentimental. Nie.

Peter Bichsel ist ein Linker geblieben. Und einer der wenigen, denen das nicht die Schreibe zsammghaut hat. Das ist selten. Er ist noch immer so gut wie damals, als er in der Schule auf meinem Pult lag, kurz bevor der erste Mensch auf dem Mond spazieren ging.

Heute wird er 80 Jahre alt. Das freut mich sehr. Ich mag ihn, ohne ihn persönlich zu kennen. Ich wünsche ihm noch viele Jahre. Oder wie die Spanier sagen:

CIEN ANOS!

Das Sprüchemuseum (54)

«Ich bin eigentlich ein Großstadtmensch, hab es aber zu spät gemerkt, weil ich Zürich für eine Großstadt hielt.»

Der Schweizer Poet und Schriftsteller Peter Bichsel (über das Wesen der Kleinstädte)

Wir sagen: Danke, Peter Bichsel, Danke für diesen wahren Worte!

Und wir gratulieren zum 80-sten Geburtstag am 24. März. Cien Anos!

Köstlich

Wahrlich, man hat ja heute nicht mehr oft Grund zu lachen, und seit das Kabarett auch in die glitschigen Hände der Bezichtigungsdjihadisten gefallen ist, noch weniger.
Aber trotzdem kein Grund zur Verzagtheit. Es gibt immer noch die Bestsellerliste, und auf Amazon kann man auch in die Bücher reinschauen, und hier findet sich immer Lustiges. Meistens schon in den ersten Sätzen.

Zum Beispiel beim neuen Adler-Olson Samenerguss, Verheissung:

«Warum zum Teufel, versprühen seine Augen so viel Schalk? Spielte da ein Hauch von Ironie mit?»

Köstlich!

Das Sprüchmuseum (53)

«Reih dich ein in die Arbeitereinheitsfront, weil du auch ein Arbeiter bist.»

Gesungen von Blockupy-Aktivisten im Zug, kurz vor Frankfurt.

Wir sagen: Déjà vu. Smells like seventy-spirit. Und die Mainstreammedien haben schon wieder Filmaufnahmen gefakt, in denen hinter den Reihen der Arbeiterfront Polizeifahrzeuge angezündet wurden. Andere, gefakte Filmaufnahmen, sind ebenfalls zu sehen, in denen die Aufnahmen von Polizisten, die auf wehrlose Kranke und Behinderte eindreschen, einfach rausretouschiert wurden.

Das haben die nicht verdient

Österreich ist Spitze.
Beim Saufen und Rauchen. Ganz vorne. Schon bei der Jugend.
Wer ganz, ganz, ganz viele Postings haben wollte, der schrieb in Online-Zeitungen, zum Beispiel, dass Experten rausgefunden haben sollen, dass Rauchen doch nicht so gesund sein soll. Nicht mal dann, wenn man den Rauch dem Kind ins Gfries bläst.
Da gings ab. Postingmäßig. Da wurde und wird die Freiheit einem anderen zu schaden, bis aufs Blut verteidigt.

Das läuft heute immer noch, aber nur noch auf Rang 2.
Platz 1 belegt in diesem herzigen Land, in dem so viele einen Führer herbeisehnen, nun der Artikel eines Kommentators der es wagt Putin zu kritisieren.
Da schnellt der Aggressionspegel nach oben, wie im heiligen Russland, wenn wer etwas gegen den Gröfaz sagt.
Falls er es denn überlebt.

Wer eine ruhige Kugel schieben will, journalistisch gesehen, der schreibt, dass die USA in Afghanistan und im Irak interveniert haben, weil sie dort ungeniert ihrem Hobby, Hochzeiten zu bombardieren, frönen können.

Dann hat der Mainstream endlich mal was geschrieben, was stimmen tut.

Glückliches Bergen

Hat der, die, das geneigte Lesende, schon mal etwas von Bergen gehört? Nein, nicht diese halbhohen Hügel auf denen man sich Kunststoffdinger an die Füße schnallt um sich draußen im Schnee, beschallt von Anton aus Tirol, mit billigem Schnaps zuzudröhnen, und die man hierzulande seltsamerweise als Berge bezeichnet? Sondern Bergen, Norwegen oder wie Wikipedia formuliert: Bergen [ˈbærgən] ist mit 272.612 Einwohnern (Stand 30. Juni 2014) die zweitgrößte Stadt Norwegens.

Und? Schon mal gehört? Eine Städtelein wie Graz oder Zürich, oder ziemlich genauso groß wie Dobler-City alias Augsburg. Mas o menos Städte, die wie Cailloux mal schrieb: «Auch als Enttäuschung eine Enttäuschung sind», nichts besonderes, guter Durchschnitt, nicht wirklich groß und nicht wirklich klein. Aber in Bergen, meine Lieben, da gastiert heute Abend der große Ryan Adams. Ja, richtig gelesen: Ryan kommt nach Europa und spielt in «Bergen, Norway». Und am nächsten Tag in Oslo und dann in California, USA.

Diese Nachricht hat das Zeug mich fertig zu machen. In Bergen, Norwegen, Ryan Adams.
Ich verehre einige Musiker, aber Ryan Adams liebe ich. Ich gehe niemals an Konzerte, ich glaube mein letztes war 1994 Johnny Cash, aber um zu Ryan Adams zu kommen, würde ich Luft in meine Fahrradreifen lassen, den Staub vom Sattel pusten, und von mir aus, nach München reiten.

Wien ist eine gute Stadt. Die beste Stadt für Leute, die Typen wie Ryan Adams aus dem Weg gehen wollen.

Indignation à l’autrichien

Die Empörung ist groß. Auch in Austria. Schon wieder ist es passiert. In den USA, dem Land der kulturlosen Kriegstreiber und der Allein-Schuldigen am Elend dieser Welt, ist wieder ein unbewaffneter 19-jähriger von einem Cop erschossen worden. Kein Wunder, in diesem rassistischen, korrumpierten, kaputten – ich sagte es schon – «An-Allem-Schuld-Land».

Nun, der junge Mann hatte den Cop angegriffen und dieser hatte geschossen. Das nennt man Rassismus.
So was ist zum Glück in Österreich nicht möglich. Gibt zu wenig Afroamerikaner hier. Nur hin und wieder knallt die Polizei ein paar unbewaffnete Rumänen ab, oder mit Plastikflaschen bewehrte, verwirrte Kurden oder schießt einem 14-jährigen, unbewaffneten Einbrecher aus Notwehr in den Rücken.

Ein kleiner Text aus «Das Flackern der Flamme bei auffrischendem Westwind» von 2006:

«… Innerhalb weniger Monate wurden in Wien 3 Männer von der Polizei zu Tode gebracht. Zwei starben durch Kugeln, einer wurde erstickt. Man fackelte nicht lange. Es bestand – so wurde später festgestellt – in keinem Fall die Notwendigkeit zu töten. Es kam zu Prozessen gegen die beteiligten Beamten. Die Urteile fielen ebenso lachhaft, wie – für die Angehörigen der Opfer – demütigend aus. Das Urteil für einen Beamten, der einen mit Plastikflaschen bewaffneten Mann durch Schüsse in den Bauch getötet hatte, macht geradezu schwindeln: Der Richter folgte der Begründung des Verteidigers, der die Schuldlosigkeit seines Klienten damit argumentierte, dass dieser im Schusswaffengebrauch nicht richtig ausgebildet sei. Die Republik ist nicht klagbar …»

Wie es euch gefällt (2)

«Österreich ist abgesandelt», ließ der Ösi-Wirtschaftskammerpräsident Leitl neulich verlautbaren. Herrjeh, das gab ein Geschrei! Aber warum eigentlich? Ist ja wahr. (Vielleicht deswegen?) Kriegen ja nichts auf die Reihe. Auch Leitl nicht. Nur endloses Gequatsche, Nivellierungen und faule Kompromisse. So auf ziemlich jeder Ebene.
Und das bringt mich zum Grimme-Preis.

Auch «abgesandelt», der Preis, auf jeden Fall. Denn man hat «Die Anstalt» ausgezeichnet, diese völlig ironiefreie, humorbefreite Klapse des gepflegten deutschen Antiamerikanismus, Spießerhamur aus der Rechthaber-Döner-Schmiede, Wohlfühlgeschnukkse für die, die auf der richtigen Seite sind, vorgetragen von Bezichtigungswapplern, die bar jeder Selbstironie, und auch ohne nur ein versifftes Sackhaar von ihnen selber zur Disposition zu stellen, so Pegida-mäßig rührig, die «Schastrommel» geben.
Abgesandelte Schastrommeln! Ab zum Sacklpicken.

Unverständlich

Es wird langsam unverständlich, warum neben der supersüßen, hypergscheiten Putinorgel Sahra Wagenknecht, nicht auch Leute von der NPD in Talksshows geladen werden. Und um das Bild der Totalitären abzurunden: Warum nicht auch noch Veteranen, und Krieger in spe des IS?

Geht doch bei allen in dieselbe Richtung. Und wenn wir die eine aushalten müssen, dürfen wir doch die anderen nicht ausgrenzen …