Die fuckingfreie fucking story am Sonntag (2)

«Ich liebe Mussorgsky»


Jung-Bauer Modest Moor, der sich nach dem Tod seiner musikverrückten Mutter in Max umbenannt hatte – man hatte ihn als Kind nur „Modi“ gerufen -, bewirtschaftete seinen kleinen Hof im schroffen Holltal allein, und es fehlte ihm an nichts.
Als sich aber irgendwann, ein leiser, dann stetig anschwellender Schmerz in seiner Brust einistete, dachte Max erst einmal an hartnäckiges Sodbrennen. Er sollte vielleicht seine Ernährung ändern, dachte er, und ging zu Bett und vergass das mit der Ernährung gleich wieder.

Eines Morgens wachte er auf, und hatte das Gefühl, dass aus dem Gelege des Schmerzes, kleine, hungrige Schmerzchen geschlüpft waren, die krähend und lebensgierig nach Nahrung verlangten.
Und dieses Gefühl blieb – und wuchs.
Einmal vetraute er sich dem Dorfwirt Wastl an, und der sagte nur: „Max, du brauchst eine Frau.“
Er riet Max, ein Inserat aufzugeben.
„Und stell dein Licht nicht unter den Scheffel“, sagte er. „Die Frauen mögen keine bescheidenen Männer. Trag ruhig mit dem Schaufelbagger auf.“

Max beherzigte Wastls Rat, allerdings mit schlechtem Gewissen.
Er war nun nicht mehr 1,72m groß, sondern 1,82, besaß nicht sieben Kühe, sondern zwölf, sein Haus war kein bescheidenes Anwesen mehr, sondern ein moderner Bungalow mit Hollywoodschaukel, auf der er, wie er schrieb, mit seiner Braut in den Sonnenuntergang schaukeln würde. Dass die Sonne im schroffen Holltal bereits gegen 15 Uhr hinter den gezackten Graten verschwand, erwähnte er nicht.
Er zeigte das Inserat Wastl, der nickte, klopfte ihm auf die Schulter, und das Warten begann.

Eines Tages lag ein parfümierter Brief im Briefkasten, und zwei Wochen später traf Max sich mit Olivia in einem Café der Kreisstadt.
Olivia war groß, dunkel und schlank, mit träumerischen Augen, die Max das Gefühl gaben, dass alle krähenden Schmerzchen in seiner Brust gerade wohlig satt waren.

Sie verabredeten, sich am nächsten Wochenende bei Max zu Hause zu treffen.
Die nächsten Tage blieben die Vögelchen in Max’ Brust ruhig. Dafür meldete sich das schlechte Gewissen. Er schämte sich jetzt und wünschte, er hätte nicht so übertrieben.
„Ach was,“ sagte Wastl. „Nur immer brav den Kurs halten. Dann wird das schon.“

Max bangte dem Wochenende mehr entgegen, als dass er es herbeisehnte.
Als Olivia dann kam und er ihr alles gezeigt hatte, sagte er: „Du hast wohl bemerkt, dass ich ein wenig übertrieben habe.“
„Ja“, sagte Olivia, „aber ich bin auch ein kleines bisschen von der Wahrheit abgewichen…“
„Aber nicht so extrem wie ich, oder?“
„Wie mans nimmt“, sagte Olivia und verschleierte ihren Blick verführerisch. „Ich bin – ein Mann.“
„Okay“, sagte Max. „Aber ich muss noch was gestehen: Ich heiße nicht Max, sondern Modest. – Schlimm?“
„Aber nicht doch. Ist perfekt“, sagte Olivia, „Ich liebe Mussorgsky.»
Wastl wurde Trauzeuge.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert