Satire

Wer sich heute 60-ger Jahre Fernsehwerbung ansieht, glaubt sich in einer Satiresendung. Köstlich. Nur schon die wunderhübschen Rollenklischees. Wie Mutti Vati die Eier weichkocht, schön eintütet, ihn zu seinem neuen Wagen geleitet, Küsschen, Lächeln, Winken; Vati fährt ins Büro, und Mutti stöckelt zurück an den Herd. Ein Brüller.

Genauso geht es mir, wenn ich mir Kultursendungen ansehe. Da haben es mir vor allem die Texte angetan. Kaum ein Künstler wird vorgestellt, der nicht: «Keine Antworten gibt, aber Fragen stellt.» Das kommt immer gut. Manchmal sagt es der Künstler auch selber: «Ich gebe keine Antworten, aber ich stelle die Frage nach dem gesellschaftlichen Zusammenhalt.» Köstlich. Natürlich stellt sich der Künstler – der sein bisheriges Leben im Schoße von Akademien und Schulen verbracht hat-, Fragen. Zum Beispiel die: Wann endlich kommt der nächste Scheck? Oder: Warum kriegt der einen Preis, und ich nicht? Jetzt wär doch mal ne Einzelausstellung fällig, oder? Wichtige Fragen, fürwahr.

Wer jetzt noch nicht darüber wiehert, wird es sicher in 5 Jahren tun.

Kein wirklicher Künstler stellt uns Fragen, ohne eine Antwort zu geben. Wenn Albert Camus die Frage nach der Sinnhaftigkeit der menschlichen Existenz stellt, dann gibt er uns auch eine Antwort. Zum Beispiel im «Der Mythos von Sysiphos». Und wenn Andy Warhol unter anderem die Frage nach der Darstellbarkeit von zeitgemäßer Schönheit stellt, dann gibt er uns auch eine Antwort, und knallt uns ne Dose Campell Soup auf den Tisch. Wenn Dostojewski die Frage nach der Schuld eines Mörders stellt, kriegen wir eine Antwort. Seine.

Aber heute mögen viele Künstler nicht mehr antworten. Zu anstrengend. Sie stellen Fragen. Wie Kinder. Und das finden sie «gesellschaftlich relevant». Und: «Die Gesellschaft soll sich Gedanken machen.»

Mach ma doch, liebe Künstler, mach ma. Wir überlegen uns, wie wir euren Arbeiten am Besten aus dem Weg gehen…

Danke, Rainer Langhans!

Rainer Langhans ist ein sanfter, alter Mann. Ein in Würde ergrauter Yogibär auf Nulldiät. 70 Jahre, und ein bisschen weise. Er ist beinahe bedürfnislos. Geld interessiert ihn nicht (sagt er, und ich glaube ihm), und dies allein schon lässt ihn unter Zeitgenossen herausragen, wie der übersehene, eine Grashalm, für den Hank Bukowski jr. nach dem Rasenmähen von seinem pedantischen Vater Dresche bezog.

Jetzt begibt sich Rainer Langhans ins RTL Dschungelcamp. Von der Kommune 1 in den Fernseh-Dschungel. Das is ’n langer Weg. Für den kann man schon mal ein halbes Jahrhundert brauchen. Die Ex-Kollegen verziehen angewidert den Mund. Die Kommunarden Uschi Glas, Frau Obermaier, ließ verlauten: «Jetzt hat er endlich die Medienaufmerksamkeit, die er sich die ganze Zeit so verzweifelt gewünscht hat». So was aus dem schönen Mund einer Frau zu vernehmen, für die Fischen und Vögeln mit Jagger und Richards im ewigen medialen Hauptprogramm stand, ist erheiternd.

Langhans im Dschungelcamp! Man muss RTL gratulieren. Die können was. Wie wär’s mit Günther Grass bei den «Golden Girls», und Martin Walser als Putze bei «Big Brother»?

Warum denn nicht Langhans? Für was steht er denn, der Rainer? Bernd Rabehl (Von der Seite Dutschkes zur NPD) nannte ihn «eine alte Prostituierte». Abgesehen von alledem, was ist gegen eine alte Prostituierte zu sagen? Aber so was kriegen die Wendehalszausel nicht auf die Reihe.

Rainer Langhans steht nämlich für nichts anderes, als für sich selber. Wer sich für die Kommune 1 interessiert, möge Jörg Fausers Roman «Rohstoff» lesen, und wer sich dafür interessiert, wie ein alter, friedfertiger, bedürfnisloser, vegetarischer Mann sich in einem Fernsehdschungel schlägt, der möge doch bitte RTL einschalten.

Der Dicke und die Pension

Der eine Dicke, jener, welcher nicht der andere war, zog am Latissimus dorsi-Zuggerät. 1 mal, 2 mal, und nach 8 mal wollte er ermüdet aufgeben und es gut sein lassen. Aber nun dachte er, dass er doch mal sehen wollte, ob das wirklich alles war. Es war nicht alles. Er zog das Gewicht noch 4 mal zu seiner Brust. Das war ihm eine Lehre. Es war so weit. Er war nicht mehr bereit, sich bedingungslos zu schinden. Er betrachtete den Gedanken ohne Groll und brennende Scham, er besah ihn voll allen Seiten, wie in einem Frisörspiegel. Nicht schön, aber auch nicht furchterregend. Das Testosteron pilzte nicht mehr auf wie ein Dum-Dum-Geschoss, sondern tröpfelte in seine Adern wie aus einem defekten Wasserhahn, den zu reparieren nicht mehr lohnte. Man nannte es auch: älter werden. In zehn Jahren, wäre er in Pension. Wäre er aber ein Eingeborener, und mit allen den teuren Ölen des demokratischen Pöstchensozialismus gesalbt, wäre er bereits seit sieben Jahren in Pension. Mindestens. Aber dies war eben nur den Eingeborenen vorbehalten. Und so hatte er noch 10 Jahre. Dann war er «im Alter, wo man auch nichts bekommt», wie es ein alter Freund mal ausgedrückt hatte.

Die Pension. Er lebte in einem Land, in dem die Pension das wichtigste war. Es war ein Pensionistenland. Schon junge Mädchen von 17 Jahren sprachen über die Pension. Die Pension war fast so wichtig, wie Schweinsbraten mit Knödel. Die mächtigsten Männer des Landes waren die Pesionistenvertreter. Wenn die was wollten, dann kriegten sie es auch. Kein Wunder. Gingen doch die meisten mit 47 in Pension. Das war ein Wählersegment, das man am Besten nicht vergraulte. Scheiß auf die Jugend. Aber die wollte ja auch nur so schnell wie möglich in Pension.

Dem Dicken war’s einerlei. Solange sie ihn nicht schräg von der Seite anquatschten. Die jungen und auch die alten Pensionisten.

Er hatte noch einiges vor. Scheiß auf die Pension…

Auf’s Baby gekotzt

Heute war der Dicke drauf und dran, etwas über die 8. Todsünde zu schreiben. Die Breitarschigkeit. Familienverbände die den Gehsteig blockieren. Mitmenschen im Supermarkt die den ganzen Einpacktisch für sich beanspruchen und denen nicht mal im Traum einfiele, dass es außer ihrer exquisiten Anwesenheit auch noch andere geben könnte. Und so weiter und so fort. Er tat es nicht. Aber er sah in einer Sitcom, wie Charlie Sheen in ein Kinderwagen, auf das Baby kotzte. Meine Fresse, was hat der Dicke gelacht! So was gefällt ihm. Obschon er nicht genau weiß, warum ihm das gefällt. Er hat ja selber schon auf ne Menge gekotzt, aber noch nie auf ein Baby!

Vielleicht war es der Neid?

Auch eine Todsünde.

Der eine Dicke, von zwei Dicken

Heute Morgen im Geisteszentrum, eine wunderbar ruhig konzentrierte Atmosphäre, geradezu männlich, fand der Dicke; alle schweigsam, kein Getue, kein Geschrei, nichts dergleichen. Zwei große Schwarze, zwei Südostbalkanier und zwei Dicke am Eisen, so, wie es sich gehörte, und der eine Dicke dachte danach auf dem Heimweg über das nach, was er heute nicht schreiben würde. Die Liste wurde lang. Zum Beispiel würde er nicht über den Dioxin-Skandal schreiben. Das lohnt nicht. Der Dicke würde, wenn er was zu sagen hätte, lediglich die zulässigen Werte erhöhen. Damit wär das Problem ein für alle Mal gelöst. Einfach bei jedem neu aufflammenden Skandal die Werte anpassen. So würd’s der Dicke machen. Die Leute wollen’s so. Es ändert sich ja nie was. Man könnt’s ja ändern, aber man will’s nicht. Also wozu aufregen? Außerdem isst der Dicke ja eh kein Fleisch. Er isst ja nicht blöd. Der Dicke.

Zu Hause schnitt er sich eine Banane klein, eine große Birne und ein Stück Ananas. Er ass alles auf, während er weiter darüber nachdachte, über was er nicht schreiben würde. Die Liste wurde noch länger. Dann beantwortete er zwei Mails, und ließ sich ein Bad einlaufen. Er kontrollierte seinen Blutdruck: 75/121. Er war zufrieden. Nach dem Bad rasierte er sich. Seiner kleinen Tochter zuliebe. Sie beklagte jedes Mal den Stachelbart, wenn sie im zum Abschied ein Küsschen gab. So machte er die Welt für einen jungen Menschen ein Stück besser. Darüber wollte er schreiben.

Dann tat er es…

Hadayatullah Hübsch (1946-2011)

Heute steckte der Postbote den Umschlag mit den Gedichten von Florian Vetsch und Hadayatullah Hübsch in meinen Briefkasten, die Gedichte für einen Songdog-Poetry Band im Herbst: Round & Round & Round, eine Art literarischer Schlagabtausch zwischen den beiden befreundeten Dichtern.

Gestern erhielt ich die Nachricht, das Hadayatullah Hübsch gestorben ist.

Ich habe ihn persönlich nicht gekannt. Ein paar Mails, mehr nicht. Eine Absage meinerseits für ein weiteres Buch, das ich so, wie es vorlag, nicht machen konnte und wollte. Seltsam genug, dass ich nun der Verleger eines Mannes werden sollte, dessen Namen mir seit den späten siebziger Jahren bekannt war, vermutlich zum ersten Mal in einem Buch Jörg Fausers gelesen oder in AmoKKomA, Gasoline, im Container, herausgegeben von Benno Käsmayr vom Maro Verlag. Sein Name wurde in einem Atemzug genannt mit Carl Weissner, Udo Breger, Jörg Fauser, Jürgen Ploog, Pociao, Günther Ohnemus, Alfred Miersch, Uli Becker, Christoph Derschau, Matthyas Jenny.

Er gehörte dazu. Zu jenen, die in den siebziger und achtziger Jahren etwas Lesbares aus deutschen Worten destillierten.

Sie waren die großen Brüder. Wie Dylan, Cohen, Neil Young.

Er war der große Bruder.

Die gefährlichsten Verbrecher

In Wiener Neustadt läuft zur Zeit ein Prozess gegen 13 Tierschützer. Sie sind angeklagt eine mafiöse Vereinigung gebildet zu haben, und werden deswegen mit dem sogenannten «Mafiaparagraphen» traktiert. Die Verteidigung wird aufs Gröbste behindert, eingeschleuste (ungesetzlich) Informanten, die Entlastendes zu berichten haben werden nicht gehört, und so weiter und so fort.

Wenn man das Vorgehen der österreichischen Justiz in einem Satz definieren müsste, könnte man sagen, dass hier die gewieftesten und gefährlichsten Verbrecher jene sind, die, um ihre kriminelle Energie zu kaschieren, keine Straftaten begehen, und deswegen vom Gesetz besonders hart angefasst werden müssen.

Ein «Hackler» ist im österreichischen Sprachgebrauch ein Schwerarbeiter. Man hat ein Gesetz eingeführt, dass es diesen Leuten erlaubt, früher aus ihrer schweren, gesundheitsschädigenden Arbeit in Pension zu geben. Die sogenannte «Hacklerregelung». Sie wird zu über 50% von Beamten in Anspruch genommen.

Zufällige Bilanz

Heute morgen erhielt ich die Mail eines Dichters aus dem fernen Genf, in der er mich, unter anderem, zu meiner Arbeit im 2010 beglückwünschte. Ich las erfreut, hielt kurz inne und dachte daran, was es denn war, was ich 2010 so «weggehackelt» habe. Und als ich so darüber nach dachte, kam ich nicht umhin, anerkennend zu nicken. Nicht schlecht, für einen arbeitsscheuen Kerle wie mich.

5 Bücher erschienen bei Songdog (unter tätiger, milder Mithilfe meines Freundes Yvo Egger). Gut. Dann gabs da noch 1 Roman, 1 Theaterstück (zusammen mit Valentin Hitz), Stories für «He shot me down» Rock’n Crime (erscheint im Frühling bei Rotbuch), und ein paar Texte «Österreich ist schön, oder?» (erscheint im Czernin Verlag), & einige hundert Seiten BLOG (gratis und frank und frei). Nicht schlecht. Und all diese Tätigkeiten haben mich so wohlhabend werden lasssen, dass ich noch einen Kochjob annehmen durfte, aus lauter Jux und Tollerei. Man gönnt sich ja sonst nix.

Und jetzt, wo ich so drüber nachdenke, frage ich mich, wo eigentlich all die Preise und Anerkennungsplaketten sind, mit denen andere, noch bevor sie irgendwas publiziert haben, bereits eingedeckt werden? Die Förderungen und Subventionen, mit denen viele der Kollegen so üppig bedacht werden? Die Stipendien und Werkjahre, wo sind sie?

Ich weiß es…

Der beste Morgen aller Morgen

Früh unterwegs zum Geisteszentrum, aber da war niemand, außer einem gegerbten Wesen mit toten, langen, unblonden Haaren, das wartend und rauchend, ebenfalls Einlass begehrte. Kein Licht drinnen. Tot. Dabei hätte bereits seit 10 Minuten offen sein sollen. Aber für solche Ausfälle hat man hierzulande Verständnis. Kein Verständnis darf allerdings ein Beckmesser wie ich erwarten, der kaum Verständnis aufbringt, dass man nicht pünktlich zur vereinbarten Zeit erscheint. Und sei es auch nur in die Arbeit im Gym.

Ich drehte auf der Hacke um und tauchte wieder ein in die Stille des 1. Januars, des schönsten Morgens in jedem Jahr, vernahm das Klickern der Ampeln von weit herum, als wären wir alle in einem großen Drink zu Hause, wo die Eiswürfel gegen die Glaswand schlagen, ein Geräusch, das man sonst nie vernimmt, denn niemals ist es so still in der City, wie am Neujahrsmorgen.

Ich bin ein Neujahrsmorgen-Fan. Und kein bisschen abergläubisch. Aber dass meine kleine Tochter auf das Antibiotikum reagiert hat, und nun doch nicht ins Spital muss, stimmt mich froh. Die Vorstellung, dass man in diesen kleinen, dünnen, beinahe muskellosen Arm eine Kanüle legt, warf mehr als einen Schatten auf mein Wohlbefinden. Es ist eine vertrackte Sache mit der Vaterschaft. Man leidet nun, anderen wegen. Man sorgt sich. Sonst sorge ich mich nicht besonders. Wozu auch? Ich lass es kommen.

Und eine der schönsten Geschichten die je geschrieben wurden, ist immer noch «Huckleberry Finn», und in der jener Teil, in dem sich Huck und Nigger Jim auf dem Floß den großen Strom runtertreiben lassen. Das Abenteuer erwächst aus der Kontemplation. Man muss es nicht suchen. Es ist da. Immer.

Ein gutes 2011.

Was ihr wollt

Heute vor einem Jahr verfasste ich an dieser Stelle einen Speech an die kleine Gemeinde, komplett mit Foto. Dieses Jahr nicht. Warum? Hat sich nichts wesentliches geändert. Der 31. 12. ist immer noch der Welttag der Amateursäufer, und denen gehen wir Profis gewissenhaft aus dem Weg. Außerdem kann ich Betrunkene nicht ab. Lärm schon gar nicht, und viele Menschen noch weniger. Also nahm ich stattdessen ein Bad, und dachte wieder einmal daran, dass ich immer hübsch weiter trainieren muss, und zwar bis ans Ende meiner Tage, damit ich es auch in meinen reiferen Jahren noch schaffe, meine Körpermassen aus der Wanne zu stemmen. Bauch und Oberarm müssen immer in einem bestimmten Verhältnis zu einander bleiben. Sonst ist Essig, wie man so sagt, und man findet mich eines Tages verhungert in einer leeren Wanne. Geschieht anderen, täglich, wie man so hört.

Dann sah ich ein Leonard Cohen Konzert in 3Sat und hatte dabei allerlei unnütze Gedanken an die Vergänglichkeit, und weinte ein bisschen vor Rührung, als Cohen «So long Marianne» anstimmte.

Aber sonst? Ein feines Jahr. Darfur ist befriedet, die muslimischen Reitermörder vertrieben, der Nahe Osten ein Paradies, Russland feiert die Menschenrechte und öffnet die Knäste für die inhaftierten Journalisten und Künstler. Ein Homosexueller wird Außenminister (Russland). In Österreich wurde Karl-Heinz Grasser verknackt, und die Innenministerin weihte ein Asylheim ein. Ute Bock bekam endlich den großen österreichischen Staatspreis verliehen und ist für den Friedensnobelpreis nominiert, der Kanzler tat irgendwas nützliches, und im Heimatort von Christoph Blocher wurde das neueste Minarett gebaut, und ein Imam verurteilte den islamistischen Terror und mahnte Integration an.

Wohin man blickt: Lautere Freude.

Und auch ich kam nicht zu kurz. Wurde doch mein allseits gelobter Roman «Die Katzen von Kapsali» für den Deutschen Buchpreis nicht nur nominiert, sondern erhielt ihn auch. Und den Schweizer Buchpreis dazu. Kleiner Wermutstropfen: Aus verlegerischen Gründen musste er in «Tauben fliegen auf» umbenannt, und unter meinem Pseudonym «Melinda Nadj Abonji» herausgegeben werden. Dies brachte auch eine kleine Geschlechtsumwandlung mit sich, aber so was ist heute kein Problem mehr. Man switcht da einfach hin her.

Auf geht’s. Das 2011 wird gut. Und höllisch. Wie immer.