St. Gallen. Cringe.

Ende der 80-er Jahre war ich Mitglied und Operateur des KinoK59 (heute KINOK). Wir zeigten damals auch eine Reihe Filme aus Lateinamerika. An einen davon, erinnere mich gut. Nicht so sehr an den Inhalt, sondern an die Reaktion von Zuschauerinnen.

Es handelte sich um einen brasilianischen Film aus den Favelas von Rio. Eine Sequenz führte er uns vor, mit was sich die ärmlichen, geschundenen Bewohner behalfen, um wenigstens etwas Unterhaltung zu haben. Mit Schattentheater. Darin gab es eine kurze Szene, in der ein Mann, mit übergroßem, erigierten Penis eine vollbusige Frau verfolgt. Unter Lachen und Johlen der Zuschauer des Schattentheaters.
Auch im Publikum des Kinos gab es Gelächter, denn die Szene war grotesk und irgendwie komisch und unschuldig. Das sahen aber 3 „Szenefrauen“ der Zuschauenden nicht so. Sie erhoben sich sogleich, als hätten sie nur auf die inkriminierte Szene gewartet, und verließen mit empörten Ausrufen „Da isch schö denäbet!“ (Das ist total daneben) den Saal. Wobei sie noch etwas im Gang verweilten, und darauf zu warten schienen, dass weitere Empörtinnen ihnen folgen würden.
Sie blieben zu dritt in ihrer autoritären, kolonialistischen Spießerattitüde.
Denn es zählte ja nicht, ob sich die Armen der Favelas durch ein bisschen Unterhaltung von ihrer Lebensmühsal ablenken lassen konnten, sondern was die feministische Prüderie in St. Gallen dazu zu sagen hat.

Warum ich das erzähle?
Vielleicht weil mir die Sache wieder mal durch den Kopf gegangen ist, nachdem ich im Radio, am Vormittag notabene, darüber informiert wurde, wie „unwohl sich weibliche Punkfans bei einem bestimmten Punkkonzert gefühlt hätten.“ Und das man nun davon absehe, diese Band weiter, in ein von den Steuerzahlern finanzierten Veranstaltungsort zu laden.
Ja, so ist es. Auch Punk muss anständig sein. Und darf keine dummen Texte und schlechte Riffs haben.

Ich mag mir gar nicht vorstellen, was in der „Kinosache“ losgegangen wäre, hätte es damals schon Internet und die „Souschelmidias“ gegeben.
Und dann haben wir auch noch Western gezeigt! Zum Beispiel „The Wild Bunch“, mit soviel ausgelebter männlicher Machogewalt. Nur Mexikaner, die hingeschlachtet werden. (Die allerdings auch hinschlachten, aber halt keine Gringos sind).

Übrigens:

Ich liebe Symphonien, und war bei den „Salzburger Festspielen“. Ich habe mich total unwohl gefühlt, bei diesem zur Schau gestellten, breitarschigen Reichtum. Er ist einfach obszön, und eine Zumutung für einen armen Autor. Ich finde, man sollte zumindest darüber diskutieren, das Ding zu schließen.

Aber die Stadt St. Gallen hat ja die Lösung für alles schon in Petto:
Über der Stadt gibt es die „Drei Weiehrn“. Wunderhübsch und vor der Co-Edukation gegraben: Es gibt den „Männerweiher“, den „Frauenweiher“ und den „Für alle Weiher“.

Warum nicht in anderen Belangen auch so verfahren?
Ist doch eine gute Idee. Und so zeitgemäß, odrrrr?