Ich tu’s schon wieder

Anfang der Neunziger lebte ich 6 Jahre lang strikte vegetarisch. In Wien. Die Topografie verdient Beachtung, da man damals in dieser Stadt noch nie von «Veget-Ariern» gehört zu haben schien. Von Arieren dagegen schon. Der eine oder die andere mochte sich vage erinnern, dass der Schicklgruber, der Stümper aus der Stumpergasse, einer gewesen war. Und für viele, war dies auch sein einziger Makel. Vielleicht noch, dass er den Krieg verloren hatte.

Es gab das sagenumwobene, mythenumrankte «Wrenk», ein Lokal, wo sich seltsame Menschen trafen um «künstliche» Schnitzel zu verspeisen. Aber sonst? Nebbich. Ich war zu jener Zeit, aus Jobgründen, darauf angewiesen in Wirtshäusern zu essen. Ich lernte mannigfaltige, aber doch immer gleiche Variationen von «Knödel mit Ei», «Salatplatte mit Ei» und «Gebackene Champions» kennen. Gerettet wurde ich hin und wieder, wenn sich die Kollegen breitschlagen ließen, einen «Chinesen» zu beehren. Eine schöne, wenn auch kulinarisch äußerst unergiebige Zeit.

Ich hielt mich auch dann noch für einen kernigen Vegetarier, als ich mit einem akuten Gichtanfall meinen Arzt kennen lernte. Er diagnostizierte «Verdrängung und Selbstbetrug». Denn ein Mann, der sich hemmungslos, und in beachtlicher Menge, neapolitanische Salsicce (reine Gichtreißer!) reinzieht, ist nicht mehr wirklich Vegetarier. Ein bemerkenswertes Phänomen, so eine Verdrängung. Am Besten gefällt sie uns in Trickfilmen: Wenn Kojote Carl über den Abgrund rast, und im schieren Nichts läuft und läuft und erst abstürzt, wenn er nach unten sieht. Man kann sagen, mein Blick in den Schlund war der Gichtanfall. Eine Erfahrung – seien Sie versichert – die man nur ein einziges Mal machen möchte. Wenn überhaupt. Von Kojote Carl wissen wir leider nicht, ob er’s geschafft hätte, denn immer hält er inne und blickt in die gähnende Leere unter ihm. Trotzdem. Er ist mein Lieblingsheld im Zeichentrick. Und doch wünsche ich ihm nicht, dass er den verdammten Roadrunner endlich kriegt. Aus selbstsüchtigen Gründen, natürlich. Es wäre das Ende.

Seit einigen Monaten lebe ich wieder vegetarisch. Zu 3/4 aus selbstsüchtigen Gründen. Ich fühle mich einfach großartig. Wie damals. Probiert es auch ein Mal…

Das Genie, das Gesetz, der Sparefroh

Ich hörte von einer Autorin, die nach einer öffentlichen Lesung auf die Frage, welche Autoren sie denn lese, antwortete: «Keine. Das tu ich mir nicht an.» Ich wusste sofort, aus welchem Land sie stammte.

Ich las in den Nachrichten, dass ein 5-Monate altes Kind abgeschoben wurde. Keine Frage, wo das war.

In Deutschland wird seit Neustem die «Deutschenbeschimpfung» durch Migros diskutiert. Man nennt es Rassismus. Diese Diskussion wird bald auch in Österreich ankommen. Aber hier wird man es gleich ordentlich machen, wie es der Brauch ist. Man könnte andenken, von Migros geäußerte Kritik an den Verhältnissen, gleich als Rassismus zu punzieren. Da würde doch einiges an Argumenten, Nachdenken und Diskussionen eingespart. Und sparen ist gut. Einer muss es ja tun. Warum nicht an dieser Stelle?

P.S. Ich habe mich geirrt!

Am 10. Okt. schrieb ich unter der Rubrik: Demokratiespiele, dass die Wiener SPÖ anyway mit der grauslichen ÖVP koalieren wird. Ich irrte. Sie geht mit den Grünen unter die «Tuchent»! Ich bin fix und foxi. Es trifft mich wie ein Hammerschlag. Das ich das noch Erleben darf. Denkt der Bürgermeister etwa an Rücktritt? Als sein Arzt, würde ich es ihm raten…

Der halbe Mann

Einmal habe ich eine Doku über einen Mann und seine Familie gesehen. Sie lebten zusammen am Rande irgendeines Kalkuttas, im Windschatten und Schutz eines Eisenbahndamms. Der Mann, und Vater von 4 oder 5 Kindern, war nur ein halber Mann. Er hatte nur ein Bein und einen Arm, als wäre er auf dem Gleis eingeschlafen, während der Zug heranraste. Aber der halbe Mann sorgte für seine Kinder. Er sammelte irgendwelche Dinge aus dem Müll, die er verkaufen konnte. Dann kauerten er und seine Kinder am Bahndamm und aßen Reis. Man konnte sehen, dass seine Kinder ihn liebten, und er seine Kinder liebte. Sie sprachen nicht viel, und ihre Gesichter waren lebensernst und offen. Sie waren eine Familie.

Was soll ich sagen? Ich hätte ihnen stundenlang zusehen können. Dem halben Mann, wie er sein Leben lebte und seine Familie versorgte, dort unten, im Schutz des Bahndamms.

Literatur

Gestern saß ich mit der wunderbaren, warmherzigen und klugen Songdog-Autorin (Miststücke) Gudrun Völk im «Engelhart». Und wie es sich für Angehörige unserer Zunft schickte, unterhielten wir uns über den Tod und die Liebe, das Älterwerden und Jimi Hendrix, und natürlich redeten wir auch über Literatur.

Ich durfte dabei erfahren, dass die Storysammlung «Miststücke» von Gudrun Völk bei den Lesern nicht nur Freude auslöste, sondern mitunter auch Abscheu, Unverständnis, Wut und leichte Schockzustände evozierte (Was’n eitles Wort!), was wiederum die Autorin etwas irritierte, und vielleicht auch ein wenig ratlos machte.

Ich hingegen, ich war erfreut.

Denn wozu soll Literatur gut sein, wenn sie es nicht schafft, uns zu zu provozieren, zu schockieren; uns aus unserem wurmstichigen Wohlbehagen zu scheuchen, uns Kiesel ins Bett der Selbstgenügsamkeit zu werfen, uns zu verstören, und gleichzeitig die Augen zu öffnen, für die Dinge hinter den Dingen?

Polittalkambiente

Gestern sah ich mir «Anne Will» an. Eine schöne, kluge Frau. Sie hat die Kontrahenten im Griff. Sie ist gut vorbereitet und in der Sache firm. Es gibt ähnliche «Polittalk»-Formate auch in der Schweiz und in Österreich. Die Unterschiede, nur schon in den Locations, sind bemerkenswert.

Bei «Anne Will» ist das Licht ordentlich, es ist hell, der Raum ist weit, die Diskutanten sitzen in bequemen Sesseln und haben genügend Platz, ihre Beine auszustrecken. Sie können ihren Nachbarn berühren, müssen aber nicht.

In der Schweizer «Arena» steht man. In einem Oval, an zwei Theken. Das Publikum ist wie in einer Arena rundherum gruppiert, und es darf mitdiskutieren. Der Moderator steht und geht herum.

Im ORF sitzen die Diskutanten vor dem Wienernachthimmel. Sie versinken in weichen Sesseln. Es herrscht ein Halbdunkel, und es ist klaustrophobisch eng. Meistens reden alle zur selben Zeit. Noch besser ist das «Club2»-Ambiente. Wenn man genau hinhört, kann man die Motten an den schweren Plüschvorhängen nagen hören.

Phantomschmerz

Über deutsches Fernsehschwergewichtsboxen zu schreiben, lohnt genau so wenig, wie es sich anzusehen. Zumal es sich um die KlitschkO’s handelt. Warum ich es trotzdem tue? Keine Ahnung. Phantomschmerztherapie, vielleicht.

Dass ein Boxer wie Vitali «Eisenfaust» Klitschko, der alle physischen Vorteile auf seiner Seite hat, es nicht schafft, einen Mittelklasse-Mann wie Shannon «The Cannon» Briggs auszuknocken, liegt vermutlich auch daran, dass Eisenhändchen das Risiko scheut wie ein Autor den Blick auf den Kontostand. Gestocher mit Links, Kipphaken. All day long. Keine oder kaum Serien, bis dann endlich jener – von Cus D’Amato immer wieder besungene, unsichtbare Hammer einschlägt, den der Mann nicht kommen sieht, und der alle Lichtschalter umlegt.

Ich bin leider zu alt, um mich nicht mehr daran zu erinnern, dass wir uns nächstens wecken ließen um Ali, Hagler und Iron Mike bei der Arbeit zu sehen, Männer, die noch in Bademänteln in den Ring stiegen, ruhig und ohne das Erschallen von Zimbeln und das Aufwallen des TV-Weihrauchs, Männer, die sich aber einschenkten, austeilten und einsteckten, bis auch die hinterletzte Uschi Glass am Ring ein Ziehen in den Liftingnarben verspürte und begriff, dass es hier um Leben und Tod ging, um Sieg und Vernichtung, ja, um das Leben selbst.

Nun, denn, sei’s drum. So ist das eben in Hartz lV-County. Gedöns, für ein Publikum, dass soviel Ahnung vom Boxen hat, wie ich vom Kühemelken: Oft zugeschaut, nie selber gemacht.

Aber eines tut mir immer noch leid: Dass damals der Fight Klitschko-Lewis wegen eines Klitschko-Cuts abgebrochen wurde. Es wäre, und da bin ich mir sicher, alles anders gekommen…

So hoffe ich doch

Ich höre das nun bald 10-Jährige Album «Gold» von Ryan Adams. Herrgottsack! Was’n Teil! Und der Kerl ist jung. Noch immer. Die großartigen alten Männer des Country werden eines Tages nicht mehr sein. «Sie verbleichen, der Reih nach in der Zeit», wie Jack Kerouac über die Jazzer der 40-iger schrieb. Aber Ryan hat noch ne gute Strecke vor sich. So hoffe ich doch…

Facebook-lifting

Vor etwa eineinhalb Monaten hab ich auf Drängen und Anraten eines bekannten Künstlers ein Facebook-Dingsbums eröffnet. Inzwischen bin ich erschüttert über die Homogenität der darin runtergekauten Themen. Ich denke, wer einen Seitensprung oder sonst eine Liebschaft sucht, ist mit anderen Foren vermutlich besser bedient, und ich komm nicht dahinter, wozu es gut sein soll. Ich habe mit einem Mal so verbrecherisch viele Freunde, aber es ist -mit einem Wort – einfach: langweilig. Interessant ist ausschließlich, über wie viel Zeit die Menschheit verfügt, um im Internet uninteressante Dinge aufzustöbern und sie anderen Uninteressierten ans kalte elektronische Herz zu legen. Mich mit eingeschlossen.

Ich halte es auch für eine große Unterlassungssünde, dass es außer:»gefällt mir», nicht auch noch andere Klicks gibt. Z.B. «vollkommener Stumpfsinn», «bistduteppert», «Fuck you», und «Dazu hat meine kleine Tochter eine profundere Meinung».

Nun denn, ich bin dabei, beim «Book». Werd nichts mehr verlautbaren lassen, aber wenn mir fad ist, kuck ich mal rein, wie in meine dritte Schublade, wo allerlei Krempel und Zeugs rumliegt, das ich nicht gerade brauche, aber wo ich mir denke: «Wer-weiß-schon?»

Welcome, happy season

Genau heute vor 10 Jahren habe ich die letzte Lucky Strike ausgedrückt. Für immer nie wieder. Also ein Jubiläum. Ein freudiges. Für einmal. Außerdem kam eine Mail aus Thailand rein: «Die «Katzen von Kapsali» sind wunderbar!»(siehe www.songdog.at) Das freut das Autorenherz. Besonders das eines Schriftstellers, dessen Bücher nichts weiter als lange Briefe an Freunde sind. So zumindest legt es die markttechnische Beachtung nahe.

Aber damit nicht genug. Es naht auch «meine Jahreszeit»! Die Jahreszeit für Profis. Die Amateure ziehen sich zurück in ihre Büchsen und Trams und U-Bahns, holen die langen Unterhosen aus dem Schrank, die Fahrräder verschwinden in den Kellern, und die Gehsteigradler lassen sich Grippeimpfen und fürchten bei jedem Luftzug um ihre Gesundheit. Recht so! Dies ist die Jahreszeit der 5/7 Misanthropen. Der Duft der verwelkten und bald faulenden Blätter auf den Straßen und in den Parks ist uns Wohlgeruch; der diesige Nebel unser Lieblingsjackett, und der Nieselregen allezeit willkommen. Ebenso die auffrischenden Winde aus Westnordwest.

Ein neuer Wein reift in Lunzers Fäßern. Es gibt Trauben, Kürbisse, Kastanien und Sonnenuntergänge, die so klar und schön sind, dass einem wieder bewusst wird, dass man sterben muss.

Der Wipfel der großen Linde ist schon ganz gelb, und es ist das erste Mal in meinem Leben, dass mir auffällt, dass das Verwelken ganz oben seinen Anfang nimmt. Interessant.

Verseuchter Quargel

Uni. Prof. Lothar Höbelt ist ein in Österreich handelsüblicher Freak im Lodenjanker, der mutmaßlich seine Zeit damit zubringt, sein süffisant überlegenes Grinsen zu bürsten, und irgendwie rauszukriegen, was doch toll an Hitler und den Nazis war. Das nennt sich hierzulande: Dozent für Neuere Geschichte. Freaks wie Höbelt, werden in dieser Republike en masse produziert, wie listerienverseuchter Quargel, und genau wie dessen Todesopfer, kümmert das niemand. Außer, es erwischt mal einen Funktionär des ÖVP-Bauernbundes. Ja dann, ist Feuer am Dach!

Herr Höbelt nennt sich (und will offenbar auch so tituliert werden) «FPÖ-Kenner». Sich darunter etwas vorzustellen ist vielleicht nicht ganz einfach, aber als Eselsbrücke mag uns der aus Film und Funk bekannte «Consieliere» dienen; der Berater der Mafia, Mittler zwischen Knast und Zivilgesellschaft. Beim Job des Professor im Schmuddeljanker und abverreckter Elvistolle, wird es sich um das Ausloten des «gerade noch Zulässigen» drehen, um das, was legal gesagt und getan werden kann und am «Verbotsgesetz» vorbeischrammt. Sowas man nennt man einen «Rechten Intellektuellen». Wohlan, Wotan!

Gestern war der Professor zu Gast in den Nachrichten um Mitternacht, zusammen mit dem Schriftsteller Robert Schindel. Nicht nur, dass der «FPÖ-Kenner» seine Finger nicht von der Moderatorin lassen konnte, und sie, offensichtlich notgeil, in der Art eines jede Hemmung fahren lassenden Thomas Gottschalk betatschte, nein, er begann über Hitler zu schwafeln. Er befand, dass Hitler durchaus recht gehabt hatte, die Lage der deutschen Nation betreffend. Gut, das ist halt österreichischer Quargel: Man parliert in Anwesenheit eines Mannes, dessen Eltern im KZ ermordet wurden, von den Vorzügen Hitlers.

Die Verantwortlichen im ORF werden sich dabei schon was gedacht haben. Wer 27% der Stimmen macht (FPÖ), der darf das. Im Übrigen: Wen juckt’s?

Mich. Ich hätte ihm eine aufs Maul gegeben.