Es ist wieder Saison


Eine kleine Reminiszenz an meine Zeit als Fitnesstrainer. Ist lange her, aber ich denke, es hat sich nicht allzuviel geändert. Seh’s im Gym. Ist wieder brechend voll. Für drei, vier Wochen. Das legt sich dann wieder. Zu meinem, und dem Glück von anderen.

Denunziationen eines Fitnesstrainers

Sie kommen immer Anfang Januar. Jedes Jahr. Da stehen sie dann in der Lobby herum, mit diesem Schrecken im Gesicht. Verlegen, schuldbewusst und einige fast verzweifelt ratlos. Manche kommen gleich zur Sache, andere drucksen herum, und wieder andere finden keine Worte für das, was ihnen widerfahren ist. In ihren Gesichtern spiegelt sich der Schock einer bitteren Wahrheit. 

Ein Fitnesstrainer lebt von Menschen, die sich in Form bringen wollen. Aber noch mehr von jenen, die der Meinung sind, dass die reine Mitgliedschaft ausreicht, um fit zuwerden, und dass das Training dabei nur eine Statistenrolle spielt. Das sind die, die jedem Gym die liebsten sind. Davon lebt das Gewerbe. Von den Karteileichen. 

Aber diejenigen, die Anfang Januar kommen, meinen es ernst. Zumindest glauben sie, dass sie es ernst meinen. Es ist die hässliche Wahrheit, die ihnen den Ernst in Stimme und Augen schrieb. Aber wenn man sie ein wenig besser kennt, und weiß, dass wir hier in einem bis zu den Sackhaaren des Teufels katholischen Land leben, fällt man nicht mehr so leicht auf all die ernsten Mienen hinein. Sie wollen nämlich kein Training. Sie wollen einen Ablass. Am besten ein Schnäppchen, einen Schnäppchen-Ablass. 

Die Friseurin, die gleich um die Ecke in ihren „Salon-Gerda“ die Mumifizierung ihrer Freundinnen vorantreibt, stöckelt äußerst vorsichtig die steile Treppe hinunter. Sie sieht aus wie Hansi Hinterseers Vater; aber welche Friseurin in diesem Alter tut das nicht? Sie hat es verdammt eilig, dreht sich auf den Absätzen, deutet auf ihren Hintern, zupft an ihrem weißen Flausch-Pullover, tätschelt ihre Hüften. „Das muss weg!“, sagt sie. „10 Kilo müssen weg.“

„Fein“, antworte ich mit ziemlich viel Anti-Entmutigungsgel in der Stimme. „Um Fett loszuwerden, gibt es genau zwei Möglichkeiten.“

„So?“, sagt sie erstaunt. 

„Ja“, sage ich. „Verbrennen oder absaugen.“

„Oh“, macht sie. Ihre Augen blitzen jetzt. Sie sind blau, voller Ungeduld und (noch) heiterem Ärger. Aber sie können mich nicht täuschen. Nimm mir das schwabbelige Zeug von meinem Hintern, fordern diese Augen, und mach schnell, Mann.

„An was haben sie denn so gedacht?“, frage ich. 

„Na ja“, sagt sie, „Bewegung?“ 

„Bewegung ist schon mal gut“, nehme ich den Faden auf. „An wieviel von dieser Bewegung hätten Sie denn gedacht, gnädige Frau?“

„Was ist denn so in zwei Wochen drin, wie viele Kilos?“

„Zwei Wochen, Kilos?“, sage ich und denke: Der ist gut, der ist echt gut. Den merk ich mir.

Ich setze ihr die Sache auseinander, führe sie in klaren, verständlichen Worten in die komplexe Problematik ein, mit der sie es jetzt zu tun bekam, weil sie sich über Weihnachten vollgestopft hat. Meine kleine Exkursion in ein Spezialgebiet der Anthropologie endet mit der Bemerkung, dass ein leidlich gut trainierter Mensch in einer halben Stunde Radfahren ca. 250 Kcal. verbrennt, was in etwa einem Glas Bier entspricht. Um ein Kilo Fett zu abzubauen, hätte dieser halbwegs trainierte Körper etwa 12 Stunden in die Pedale zu treten. 

So über den Daumen gepeilt.

Jetzt ist sie schockiert. Und beleidigt.
  Ich kann ihre Gedanken lesen.

Wie spricht dieser Mensch mit mir? So sollte man nicht mit einer potentiellen Kundin reden, nein, so nicht!

Ich sehe sie an. Jetzt ist sie sauer auf mich. Schwer beleidigt. Als hätte ich sie eine fette Schlampe genannt. 

„Um wirklich abzunehmen, genügt Bewegung alleine nicht“, führe ich weiter aus. „Sie müssen auch was bei der Ernährung ändern, und außerdem ist ein Krafttraining zu empfehlen.“

Jetzt reicht es ihr. Die Welt ist ein Wespennest voller Lügen! Was faselt dieser Kerl da? Das ist doch der Gipfel der Frechheit! Da komm ich hier herunter, arglos und hoffnungsvoll und möchte nichts anderes, als in einer nützlichen Zeit mal die 10 Kilo wieder loswerden, die mir diese Festtage auf die Problemzonen appliziert haben. Gezwungenermaßen. Was soll man denn machen? Überall wo man zu Besuch ist, muss man fressen, was kann ich dafür? Und was bekomme ich von diesem Trainerverschnitt zu hören? Ist doch ein voller Abturner, oder!? Der kriegt schließlich Geld dafür. Und teuer ist der Laden ja auch noch. Was bildet der sich eigentlich ein? 

Das alles sagt sie natürlich nicht laut. Noch nicht. Aber, als sie wenig später das Studio verlässt, ist sie demoralisiert und gleichzeitig wütend. Ich werde sie nicht wieder sehen, aber das macht nichts, denn schon bemüht sich der nächste Kunde in den Laden.

Er ist Kellner in einem Lokal in der Nähe. Mitte vierzig. Der stämmige Körper verrät den ehemaligen Sportler. Er hat beschlossen, dass die Waage zuviel anzeigt. Da liegt er sicher nicht ganz falsch. Das Hemd spannt um Brust und Bauch. Das Kinn kriegt Zuwachs, einen Doppelgänger. „Muss weg“, sagt er unwirsch. 

„Was kann ich für Sie tun?“, frage ich vorsichtig. Es ist wieder die gleiche Geschichte wie bei der Friseurin. Es muss schnell gehen. „Gut“, sage ich, „aber Bewegung und Krafttraining alleine sind nicht genug … Die Ernährung …“, flechte ich etwas zu zögerlich ein, denn schon fuchtelt er mit der Hand in der Luft herum. 

„Esse nur Salat und Gemüse“, sagt er mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldet. 

Salat und Gemüse? denke ich, oh ja, die Geschichte kenne ich. Die hab ich selber in Petto. 

Ich kenne mich also aus, was Selbstbetrug anlangt.

„Na, dann ist ja alles in Ordnung“, sage ich zu meinem Kellner. „Gemüse ist gut. Sehr gut sogar.“ 

„Bin trotzdem zu schwer“, sagt er und sieht mich dabei an, als hätte ich damit etwas zu tun.

„Gewicht allein ist nicht Ausschlag gebend. Viel wichtiger ist der Anteil von Magermasse. Knochen und Muskeln.“

„Was?“, ruft er aus.

„Schauen Sie,“ sage ich erfreut, denn jetzt streifen wir eines meiner Lieblingsthemen. „Mike Tyson ist ca. 180 cm groß und hat ein Kampfgewicht von über 100 kg. Das entspricht einem Bodymassindex von ca. 31. Der Ex-Schwergewichtsweltmeister würde also als schwer übergewichtig gelten, bereits an der Schwelle zur Adipositas …“

„Ja, und?“

 „Nun“, doziere ich weiter, während ich unter die Buddel greife und nach dem Foto von Tyson fische. Ich halte es ihm unter die Nase.

„Ist dieser Mann übergewichtig?“ 

Das Foto zeigt einen furchteinflössenden Mike Tyson, in der Form seines Lebens; austrainiert, muskulös, ein Körper wie ein Baumstamm.

„Blöde Frage, natürlich nicht“, sagt er.

„Aber laut Bodymassindex ist er’s“, triumphiere ich.

„Was hat das mit mir zu tun?“

„Lassen Sie sich nur nichts einreden“, sage ich.

Er zieht an seinem weißen Hemd, stopft es in den Hosenbund.

„Und jetzt?“, fragt er.

„Ist alles okay. Sie ernähren sich richtig, sind als Kellner in permanenter Bewegung, da kann ja nichts sein!“

Er beäugt mich misstrauisch. 

„Aber ein bisschen Krafttraining könnte doch nicht schaden, oder?“

„Nur nicht übertreiben.“

„Na gut. Ich komm dann nächste Woche wieder.“

„Fein, dann sehn wir uns.“

„Und wie heißt das Ding da, dieser (ich verstehe) Bodybuildinginzest?“

„Bodymassindex“, sage ich. Oben ging die Tür.

„Bodymassinsex?“

„Perfekt.“

Er stapft die Treppe hoch. Er hatte jetzt eine Geschichte mit Mike Tyson. Das würde reichen. Ich werd ihn nicht wieder sehen. Macht nichts. Da steht doch schon die nächste Kundin vor der Theke. Sie sieht sich unsicher um.

„Was kann ich für sie tun?“

„Na ja“, sagt sie.

„Alles klar“, sage ich.

«Lass dich nicht beirren, in dieser irren Zeit»

In meinem Leben gibt es eine Konstante, die alle anderen überragt, wie der Mont Blanc die Alpengipfel; nämlich die, dass mir jemand etwas anschaffen will, meine Moral korrigieren; meine Einstellung und mein Verhalten kritisiert, die es beide dringend zu verändern gelte.

Begonnen hat es mit Gott. Gott war ein Agent und Spion meiner Eltern. Der Mother sah einfach alles, wusste alles, und vor allem: er strafte sofort. Kleine, lässliche Sünden wurden durch schmerzhafte Ungeschicklichkeiten vergolten. Ich war noch keine fünf Jahre alt, als ich mir das nicht mehr gefallen ließ. Ich marschierte ins Elternschlafzimmer, griff mir ein Jesus-Bild hinter Glas, warf es zu Boden und zertrampelte es. „So, jetzt hab ich Gott auch mal gestraft“, soll ich gesagt haben.
Dass ich nur den Sohn drankriegte, war ein bisschen schade, aber Gott ließ sich ja, feige wie er ist, nie blicken.

Später trat Gott etwas in den Schatten von allgemeinen gesellschaftlichen Wertevorstellungen: Keine langen Haare (ist unmännlich), keine Jeans mit Schlag, keine Rockmusik, kein Hippizeugs, und ja keine Drogen.

Und genau das war es, was ich wollte – und was ich tat. Lange Haare, Jeans, Rock, Hippiezeugs, Drugs.

Ich war sechszehn oder siebzehn, und meine Freunde aus dem Lehrlingsheim waren Kommunisten, und sprachen mehr und mehr nur noch in abgepackten Sätzen. Zusehends redeten sie mir ein, dass mein Lesestoff, meine Musik, mein romantisches Wesen, einfach nur falsch war, und dem Klassenfeind nutzte; dem amerikanischen Hegemon und seinem zionistischen Büttel Israel. Atomkraftwerke (es war Anfang der70er) waren nur schlecht, wenn sie im Kapitalismus betrieben wurden. Ansonsten waren sie ein Segen für das Proletariat.

Ich entzog mich durch Ortswechsel. Aber nur etwas später fand man es kaum tragbar, dass ich nicht an den Anti-Atom-Demos auftauchte. Ich hielt und halte AKWS nicht für Teufelszeug, und man kann mir jederzeit ein Fässchen Atommüll zur Aufbewahrung vorbeibringen. Ich war nicht Technikfeindlich. Ich hatte einen technischen Beruf erlernt.

Dann ging es darum die RAF gut zu finden, und die BRD als faschistischen Staat zu begreifen. Ich gestehe, dass ich so halbwegs dieser Meinung war. Nicht, dass es mich durchdringend interessiert oder ich mich ausgekannt hätte, aber meine Stimmung war gerade radikal und mein Blickfeld verengt. Man war der Meinung, dass ich nicht mehr Bob Dylan hören sollte, und das Johnny Cash sowieso ein rechtsradikaler, bigotter Pimpf war.
Ich tat es trotzdem. Vorwiegend heimlich.

Dann ging es gegen die Stationierung von Pershing-Raketen in der BRD. Peace, Peace, Peace. Dass die Russen ihre Raketen gegen uns gerichtet hatten, war okay. Schliesslich bedrohte die NATO die guten Kommunisten hinter dem Vorhang. (Hat sich kaum was geändert, im Mind von vielen Linken und nun auch Rechten.)

In den späten neunzigern und frühen Zweitausendern, in der „Haider-Ära“ Österreichs, durfte niemand mehr kritisiert werden der links stand. „Das nützt nur Haider“, hieß es. Aber es hätte da einiges zu bekritteln gegeben.

Allmählich dämmerte mir, dass es immer jemand geben würde, der sich berufen fühlte, mich (und andere) zu korrigieren, Vorschriften zu machen, und mir meine/unsere vermeintliche Torheiten aufzuzeigen.

So wie es heute die autoritären Woken versuchen.

Junge schwarze, reiche, privilegierte Absolventinnen von Eliteunis, sehen sich berufen mir und anderen zuzurufen, dass wir alte, weiße Cis-Männer gefälligst die Fresse zu halten haben, weil wir (wie es die reiche, privilegierte, unendlich geschäfsttüchtige, weiße Cunt namens Robin DiAngelo in ihrem Buch „White Fragility“ behauptet), schon von Geburt an Rassisten sind.
Dabei hat die schwarze junge Lady mit einer gleichaltrigen Schwarzen in irgendeinem Flüchtlingslager soviel zu tun, wie ein 70 Jahre alter, weißer, in seiner Seiche liegender obdachloser Bulgare, mit den Weißen-Mann Privilegien eines Donald Trump.

Und dieser Meinung schliessen sich auch Linkskapitalisten an, die alle Hände voll zu haben, Besitz zu erwerben.

Und schon haben wir wieder jemand, der darüber bestimmen will, was ich zu denken, zu sagen, zu lesen, zu sehen, zu tun habe.

Schätze, es wird nicht das letzte Mal sein.
Und es ist auch bestimmt nicht das letzte Mal, dass ich sage:
Go fuck your self!

Aber in einem haben die Woken sicher recht.
Ich sage es mit den Worten eines meiner Lieblings-Comedians, dem Briten Jimmy Carr:

„Schwarze dürfen Witze über Schwarze machen. Juden über Juden. Lesben über Lesben, Schwule über Schwule. – Gehn zwei Päderasten in den Park …»

Weihnachtsgedicht

Henk sandte uns vor einigen Jahren zu Weihnachten dieses Gedicht zu. Unverlangt. Wir veröffentlichen es dennoch. Wieder einmal.

Das einzig wahre, wahre Weihnachtsgedicht

Weihnachtsgedichte verfasste der Poet
trank dazu eine bouteille Moet
den Chandon ließ er weise stehen
es sollt ihm nicht wie letztes Jahr ergehen.

Als er mit Tippen fertig war
begab er sich zur Krippenbar
den Stapel Gedichte unterm Arm
Ochs und Esel hielten alle warm.

„He, Hirt, schenk mir mal einen ein
aber nicht von jenem billgen roten Wein,
nimm den trocknen, teuren, guten
sonst lass ich deine Nase bluten!“

Josef kam nun geschwind heran
ahnte Ärger mit dem Dichtersmann
„Gemach! du oller Zeilenschinder
hier im Raum sind auch noch Kinder.“

„Fein, dass ich dich hier noch sehe
hab Gedichte über Christkinds „Wohl und Wehe“
und hoffe sehr, du hast auch was für mich
denn umsonst da dicht ich nich.“

„Was heißt denn hier umsonst, du Löl
bist doch breit und längst im Öl
so eine Magnum Flasche Moet Chandon
ist als Gage wohl genug – pardon!“

So stritten Josef und der Mann der Worte
zuerst piano, adaggio und dann forte
in der Krippenbar gings richtig zu
selbst der Ochs wollt nun ne Kuh.

Der Streit schwoll an, s’war nicht mehr klass
Maria fand’s öd und ziemlich krass
sie wusste aus Erfahrung vergangner Zeiten
die Krippenbar ist ein beliebter Ort zum Streiten.

Als der Zoff zu einem Ende fand
und Maria Josefs Kopf verband
dachte blutend unser arm Poet
der Chandon war’s diesmal nicht, wohl eher der Moet.

Hugo „Budaz“ Keller (1948 – 2022)

Anrufe von Freunden, denen man sich sonst schriftlich mitteilt, beginnt man mit zunehmenden Alter zu fürchten. Bevor man abhebt, stellt man sich auf schlechte Nachrichten ein.
So auch auf den Anruf heute morgen, von Freund Yvo aus St. Gallen.
Die traurige Nachricht: Hugo „Budaz“ Keller hat gestern diese Welt verlassen. Wobei ich ziemlich sicher bin, dass es für ihn keine „andere Welt“ gab. Er starb. Allein, in seiner Wohnung. Er hatte sich hingelegt. Es ging ihm nicht so gut.
Budaz? Gab es überhaupt jemand, der ihn Hugo nannte? Schwer vorstellbar. Dieser Name hätte zu ihm gepasst, wie Frack, Fliege und Spazierstock: also so ziemlich gar nicht. Budaz war Budaz, so kannten ihn alle, und mit alle meine ich jene Leute in der Ostschweiz, die mit Kunst und Kultur zu tun haben. Vor allem mit Kino.
Zusammen mit Felix Kälin begann er in den 80ern Filme an interessanten und ungewöhnlichen Orten zu zeigen. Zum Beispiel in einer Müllverbrennungsanlage (wenn ich mich richtig erinnere). Das war cool. Notwendig. Und rebellisch. Und es war der Anfang des freien Programmkinos KinoK St. Gallen, das aus dem Kino K59 hervorging.
Budaz war gelernter Fotograf. Und er war auch ein Dichter. Es gab einen Band mit Gedichten. Ich erinnere mich, dass ein Rezensent ihn mit Nietzsche verglichen hat. Wir, die ihn kannten, wussten das. Er selber sah das aus selbstironischer Distanz. Dichter? Fotograf? Ach was! Ironie, Selbstironie, das war sein Ding. Musik, Filme und Bücher. Viele, viele Bücher.

Als es mich 1986 wieder mal nach St. Gallen verschlug, war gerade das Kino K59 gegründet worden. Und es war Budaz der mich mit dem Vorschlag köderte, in diesem neu eröffneten Kino Filme über Stierkampf zu zeigen. Daraus wurde natürlich nichts, aber ich wurde Mitglied des Vereins, und er wurde mein Operateur-Lehrmeister. Er war es, der das „Operateur-Billette gemacht“ hatte. Ohne ihn und seinen Schein, kein Kino.

Kino: Zwei Jahre(für mich) voller Verleiher-Troubles, Programmsitzungen mit fetzenden Brainstormings, wütender Schaffenslust, Trinkgelagen, kräftezehrendem Mühsal mit den Gesetzen des Gewerbes – und letztlich: Erfolg. Dieses Kino gibt es – mehr als 35 Jahre später– immer noch.

Budaz war immer dabei. An jeder Sitzung. Auf seine stille, ironische und kluge Art kommentierte und bremste er oft den Umgestümismus von uns anderen (oder war es nur meiner?). Er war da. Immer hungrig. Er brauchte was zu essen. Daran erinnere ich mich. Er musste essen. Schlank, wie er war.

Niemals hätte er sich in Vordergrund gedrängt. Aber, wie gesagt, er war da, man konnte auf ihn zählen. Und wer es nicht wusste, der ahnte es zumindest: Budaz war unverzichtbar.

Wie ich hörte, lebte er in den letzten Jahren zurückgezogen in seiner Wohnung. Mit Katze und den vielen, vielen Büchern.

Und seit dem traurigen Gestern, müssen wir anderen auf den Unverzichtbaren verzichten. Für immer.

Wien, 21. Dez. 2022



Smombies im Gym

Es ist still im Gym. Nicht nur, weil wenige da sind. Niemand spricht. Das ist auch gut so. Einserseits. Andererseits hat die Stille etwas Gespenstisches; es ist die Stille der Abwesenheit, die Stille eines Raumes mit Toten.
Smombies. –

Smartphon–Zombies hocken auf den Geräten und stochern mit dem Fingern in den Eingeweiden ihres Totseins. Sie sind nicht anwesend. Ich seh ihnen zu, wenn sie zwischendurch Gewichte bewegen, an den Zügen zupfen. Sie strengen sich nicht an. Sie machen nichts richtig, sie haben keine Ahnung, wie man richtig trainiert. Ihr Glück ist, dass sie so jung sind, und sie trotz ihrer Ahnungslosigkeit etwas profitieren.

Ich frage mich, was geschehen würde, wenn man ihnen – zumindest für das Training – das Phone wegnehmen würde? Sie sind nicht gewohnt, einfach nur zu sein. Ihre Apps sagen ihnen, wie sie sich zu fühlen haben.
So wie die Bauschlöcher vor meinem Fenster in ihren Phones rumstochern, wenn’s grade mal nichts zu lärmen gibt. Vielleicht suchen sie auch nach der „Schaufeln“-App. Oder jener, die die Gipsplatten montiert.

Eigentlich sind sie alle tot.

Das einzige Gute an ihnen ist: Sie lärmen gerade nicht herum. Mögen sie weiter tot sein!

Satire auf Schoepf-Blog


Wer mag, Lust und Zeit hat, kann sich nun jede Woche auf dem „Schoepf-Blog“ einen Tagebuch-Eintrag von Lev-André Knallbar – „Die Kanllbar Diaries“ reinziehen, zu Gemüte führen, übefliegen, übergehen, querlesen, verachten, beschimpfen und/oder kommentieren.
Es handelt sich dabei – und das muss ja heute ganz sonders betont werden – um SATIRE.

Also nicht gleich die Polizei rufen oder Alice Schwarzer, sich beim Autorenverband beschweren, oder gleich „Culture-canceln.“
Hier der Link:

https://schoepfblog.at

Dem Zweifel verpflichtet

„Das Land braucht Menschen, die an sich glauben!“, las ich heute auf einem wandgroßen Werbeplakat einer heimischen Bank.

Stimmt das denn?, fragte ich mich gehend wie ein gehender Philosoph.

An sich glauben? Schon John Lennon wollte nur an sich glauben, nicht an Jesus oder Bob Dylan. Aber was hat ihm das eingebracht? Ein paar Kugeln in den Rücken.
An was glauben denn die geneigten Gläubigen, wenn sie an sich glauben?

Ich, zum Beispiel, glaube nicht an mich. Ich weiß höchstens um ein paar erworbene und erprobte Fähigkeiten meinerselbst. Und an die muss ich nicht glauben, weil ich um sie weiß.

Aber an mich glauben? Wie an Gott? Ein höheres Wesen? Einen Weltgeist? Gar an Putin, Orban, Xi Jiping, wie es Faschisten tun?

Wie findet dieser Glaube an mich zu seinem Ausdruck? Gäbe es eine Art Tempel meinerselbst, einen Altar, auf dem Schnaps und Zigaretten als Opfer dargebracht werden? Damit ich mir wohlgesonnen bleibe. Oder wie, oder was?

Ich bin Schriftsteller, und nicht dem Glauben, sondern dem Zweifel verplichtet.

Streik!

Dies hier ist eine Warnung!
Ich warne vor einem 24-stündigen Warnstreik!
Heute Mitternacht werde ich für 24 Stunden die Arbeit niederlegen, und nicht am Roman weiterschreiben.
Meine Forderungen sind hinlänglich bekannt, aber es wurde nicht auf sie eingegangen: Mindestens alle 3 Jahre einen gut dotierten Preis, alle zwei Jahre einen Werkbeitrag und jährlich 10 Einladungen zu Lesungen mit Mindesthonorar von € 600.- mit Unterbringung in einem 4 Sterne Hotel, Klimaticket 1. Klasse, freundliche bis jubelnde Rezensionen in relevanten Medien, und Verzicht auf Fragen von Journalisten nach meinem Verdienst.

Falls nach diesem Warnstreik keine Annäherung zustande kommt, wird der Streik ausgedehnt: Zuerst auf weitere 24 Stunden, dann eine Woche, einen Monat, ein Jahr, für immer.

Ihr werdet schon sehen, wie’s euch dann geht, ohne meine brillante, einfühlsame, originelle, kraftvolle und elaborierte Schreibe! Ihr werdet schon sehen, ihr …