Covi-Diary (9)

Heute dachte ich an Paris. Und ich dachte daran, dass ich damals, 1980, ein Zimmer im Hotel Polonia gemietet hatte, für zwanzig Franc pro Tag. Wenn ich die Tür öffnete, blieb zwischen ihr und Bett gerade noch ein Spalt von zwei Franc-Stücken. Am Fussende des Bettes gab es einen Hocker, und einen Tisch von der Größe von zwei Taschenbüchern. Ein Minifenster, auf die Gasse hinaus.
Warum ich daran denke? Weil ich mir vorgestellt habe, nun gerade jetzt in Paris, in diesem Zimmer zu sein. In Quarantäne. Ein Zimmer, kleiner als jede Gefängniszelle, ein Zimmer, wie viele andere. Denn in Großstädten lebt man nicht in den Zimmern, sondern draußen, in der fuckin’ Stadt. Wer darüber etwas lesen mag, kann sich Bücher von Paul Nizon besorgen, der hatte darüber einiges zu sagen.

Nun lebe ich luxuriös mit Frau und Tochter auf etwa 80-90 m/2, habe einen Schreibtisch, und im Flur steht ein Fahrradergometer. Es gibt eine Küche, in der ich herumwerken kann, es gibt Supermärkte in denen ich einkaufen kann. Es gibt Internet. Netflix.
Damals in Paris hatte ich nur Bücher und eine Polaroid-Kamera. Ich ernährte mich von Paté et flutes. Manchmal ging ich runter in die Kneipe gegenüber, in der schweigsame Araber saßen, und trank einen Demi oder zwei.

Ich besuchte nicht das Grab von Jim Morrison. Ich besuchte das Grab von Joseph Roth.

Ich kenne die Enge in Paris. Das ist nicht lustig, diese Ausgangssperre.
Heute denke ich an Paris.